Anblick einer weidenden Herde dem in Japan Reisenden fast nie zu theil wird.
Lange bevor unsere Landwirthe, durch chemische Untersuchungen auf den hohen Stickstoff-, Phosphorsäure- und Kaligehalt des Latri- nendüngers aufmerksam gemacht, denselben anwenden und schätzen lernten, spielte er in der empirischen Landwirthschaft Chinas und Japans eine hervorragende Rolle. Die menschlichen Auswurfsstoffe bilden hier den am meisten angewandten und darum wichtigsten Dünger, dem nur Fischguano und Oelkuchen vorgezogen werden. Das vorwiegend treibende Element dieses Latrinendüngers, namentlich für Gramineen*), also auch Halmfrüchte, ist bekanntlich der Stickstoff, der meist in Form von Harnstoff und kohlensaurem Ammoniak ge- bunden ist, aber bei der leichten Zersetzbarkeit dieser Körper im Ammoniak entweicht, wenn jener Dünger nicht bald zur Verwendung kommt. Hier entspricht nun die alte ostasiatische Praxis ganz unse- rer chemischen Theorie.
Die Sammlung und Verwerthung dieser menschlichen Auswurfsstoffe hat bei der schon viel erörterten Frage über die zweckmässigste Art unserer Städtereinigung und den gesteigerten Anforderungen an unsere Landwirthschaft ein erhöhtes Interesse, und diesem entsprechend soll daher das bemerkenswertheste darüber hier folgen.
Das System ist einfach, eignet sich aber nicht für uns zur Nach- ahmung, denn es nimmt auf Auge und Nase nicht die Rücksicht, welche unser Culturzustand verlangt. Die betreffenden Sinne des Japa- ners sind von Natur wohl nicht weniger empfindlich als die unserigen auch; aber die Gewohnheit, Fäcalstoffe zu sehen und zu riechen, hat sie offenbar dagegen mehr abgehärtet, etwa wie Praktiker in anato- mischen und chemischen Laboratorien sich ja auch leicht an Anblicke und Gerüche gewöhnen, welche den Neuling anekeln.
Es gibt Gegenden in Europa, in welchen der Weg zum Abtritt durch die Küche führt; in Japan führt er in der Regel durch das gute Zimmer oder doch dicht daran vorbei. Das aus Holz leicht gebaute japanische Wohnhaus ist ein- oder zweistöckig und dehnt sich fast immer mehr in die Breite und Tiefe als in die Höhe aus. Keller und Schornsteine fehlen ihm stets, in den meisten Fällen auch Mauern und Fundament. Der untere Boden ruht auf Pfosten oder Steinen 2--3 Fuss über der geebneten Erde; Küche und gewöhnliche Wohn- zimmer sind meist der Strasse, die besseren Zimmer dem auf ent-
*) Siehe Lawes & Gilbert: The effect of different manures on the mixed herbage of grass-land. Journ. Roy. Agric. Soc. Vol. XXIV part. I.
I. Land- und Forstwirthschaft.
Anblick einer weidenden Herde dem in Japan Reisenden fast nie zu theil wird.
Lange bevor unsere Landwirthe, durch chemische Untersuchungen auf den hohen Stickstoff-, Phosphorsäure- und Kaligehalt des Latri- nendüngers aufmerksam gemacht, denselben anwenden und schätzen lernten, spielte er in der empirischen Landwirthschaft Chinas und Japans eine hervorragende Rolle. Die menschlichen Auswurfsstoffe bilden hier den am meisten angewandten und darum wichtigsten Dünger, dem nur Fischguano und Oelkuchen vorgezogen werden. Das vorwiegend treibende Element dieses Latrinendüngers, namentlich für Gramineen*), also auch Halmfrüchte, ist bekanntlich der Stickstoff, der meist in Form von Harnstoff und kohlensaurem Ammoniak ge- bunden ist, aber bei der leichten Zersetzbarkeit dieser Körper im Ammoniak entweicht, wenn jener Dünger nicht bald zur Verwendung kommt. Hier entspricht nun die alte ostasiatische Praxis ganz unse- rer chemischen Theorie.
Die Sammlung und Verwerthung dieser menschlichen Auswurfsstoffe hat bei der schon viel erörterten Frage über die zweckmässigste Art unserer Städtereinigung und den gesteigerten Anforderungen an unsere Landwirthschaft ein erhöhtes Interesse, und diesem entsprechend soll daher das bemerkenswertheste darüber hier folgen.
Das System ist einfach, eignet sich aber nicht für uns zur Nach- ahmung, denn es nimmt auf Auge und Nase nicht die Rücksicht, welche unser Culturzustand verlangt. Die betreffenden Sinne des Japa- ners sind von Natur wohl nicht weniger empfindlich als die unserigen auch; aber die Gewohnheit, Fäcalstoffe zu sehen und zu riechen, hat sie offenbar dagegen mehr abgehärtet, etwa wie Praktiker in anato- mischen und chemischen Laboratorien sich ja auch leicht an Anblicke und Gerüche gewöhnen, welche den Neuling anekeln.
Es gibt Gegenden in Europa, in welchen der Weg zum Abtritt durch die Küche führt; in Japan führt er in der Regel durch das gute Zimmer oder doch dicht daran vorbei. Das aus Holz leicht gebaute japanische Wohnhaus ist ein- oder zweistöckig und dehnt sich fast immer mehr in die Breite und Tiefe als in die Höhe aus. Keller und Schornsteine fehlen ihm stets, in den meisten Fällen auch Mauern und Fundament. Der untere Boden ruht auf Pfosten oder Steinen 2—3 Fuss über der geebneten Erde; Küche und gewöhnliche Wohn- zimmer sind meist der Strasse, die besseren Zimmer dem auf ent-
*) Siehe Lawes & Gilbert: The effect of different manures on the mixed herbage of grass-land. Journ. Roy. Agric. Soc. Vol. XXIV part. I.
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I. Land- und Forstwirthschaft.
Anblick einer weidenden Herde dem in Japan Reisenden fast nie zu
theil wird.
Lange bevor unsere Landwirthe, durch chemische Untersuchungen
auf den hohen Stickstoff-, Phosphorsäure- und Kaligehalt des Latri-
nendüngers aufmerksam gemacht, denselben anwenden und schätzen
lernten, spielte er in der empirischen Landwirthschaft Chinas und
Japans eine hervorragende Rolle. Die menschlichen Auswurfsstoffe
bilden hier den am meisten angewandten und darum wichtigsten
Dünger, dem nur Fischguano und Oelkuchen vorgezogen werden. Das
vorwiegend treibende Element dieses Latrinendüngers, namentlich für
Gramineen *), also auch Halmfrüchte, ist bekanntlich der Stickstoff,
der meist in Form von Harnstoff und kohlensaurem Ammoniak ge-
bunden ist, aber bei der leichten Zersetzbarkeit dieser Körper im
Ammoniak entweicht, wenn jener Dünger nicht bald zur Verwendung
kommt. Hier entspricht nun die alte ostasiatische Praxis ganz unse-
rer chemischen Theorie.
Die Sammlung und Verwerthung dieser menschlichen Auswurfsstoffe
hat bei der schon viel erörterten Frage über die zweckmässigste Art
unserer Städtereinigung und den gesteigerten Anforderungen an unsere
Landwirthschaft ein erhöhtes Interesse, und diesem entsprechend soll
daher das bemerkenswertheste darüber hier folgen.
Das System ist einfach, eignet sich aber nicht für uns zur Nach-
ahmung, denn es nimmt auf Auge und Nase nicht die Rücksicht,
welche unser Culturzustand verlangt. Die betreffenden Sinne des Japa-
ners sind von Natur wohl nicht weniger empfindlich als die unserigen
auch; aber die Gewohnheit, Fäcalstoffe zu sehen und zu riechen, hat
sie offenbar dagegen mehr abgehärtet, etwa wie Praktiker in anato-
mischen und chemischen Laboratorien sich ja auch leicht an Anblicke
und Gerüche gewöhnen, welche den Neuling anekeln.
Es gibt Gegenden in Europa, in welchen der Weg zum Abtritt
durch die Küche führt; in Japan führt er in der Regel durch das gute
Zimmer oder doch dicht daran vorbei. Das aus Holz leicht gebaute
japanische Wohnhaus ist ein- oder zweistöckig und dehnt sich fast
immer mehr in die Breite und Tiefe als in die Höhe aus. Keller und
Schornsteine fehlen ihm stets, in den meisten Fällen auch Mauern
und Fundament. Der untere Boden ruht auf Pfosten oder Steinen
2—3 Fuss über der geebneten Erde; Küche und gewöhnliche Wohn-
zimmer sind meist der Strasse, die besseren Zimmer dem auf ent-
*) Siehe Lawes & Gilbert: The effect of different manures on the mixed
herbage of grass-land. Journ. Roy. Agric. Soc. Vol. XXIV part. I.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/50>, abgerufen am 23.11.2024.
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