Wasserbecken mit kleinen, rothbauchigen Imori (Triton subcristatus) auf dem klaren Grunde, für einen niedlichen gewölbten Steg über den Abfluss und eine Felspartie. Bei einer etwas grösseren Anlage ist diese der prächtigste und kühlste Theil, wo klares, perlendes Wasser hervorbricht aus kleiner, bemooster Grotte, deren Ueberwölbung eine Felsgruppe im Gebirge täuschend nachahmt. Ausser immergrünen Farrenkräutern zieren dieselbe kleine Büsche des Tsutsuji (Azalea indica L.), welche an unsere Alpenrosen erinnern und im Vorsommer mit rothen Blüthen bedeckt sind, ferner das schöne Daimiojiso (Saxi- fraga cortusaefolia S. & Z.) und andere geschmackvoll vertheilte Lieb- linge der einheimischen Flora. Vor dieser Felsgruppe erblickt man gewöhnlich eine kleine cementierte Mulde des Bodens, welche das her- vorquellende Wasser sammelt, und neben derselben das Giboshi (Fun- kia ovata Sprengel), über dessen blaugrünem Blattschopf sich im Nach- sommer prächtige bläulichweisse Blüthenähren erheben.
Die schmalen Pfade, welche sich durch einen solchen japanischen Ziergarten winden, sind mit einer Reihe vor einander geschobener Steinplatten belegt, bei denen man jede regelmässige Form vermeidet, die also seitlich mit verschieden gestalteten Ecken mehr oder weniger vorragen. Topfpflanzen, zumal solche mit den beliebten Zwergbäum- chen, ersetzen zu beiden Seiten vielfach die fehlenden Rabatten.
Die japanische Gartenkunst wird mit wenigen einfachen Werk- zeugen, welche noch dazu nur theilweise zweckmässig sind, aber mit grosser manueller Geschicklichkeit betrieben. Mit unserer europäischen kann sie sich weder in der Ausbildung des Geschmacks und in den Leistungen, noch bezüglich der vielerlei Mittel und Wege messen, welche unsern Gärtnern bei ihren Arbeiten zu Gebote stehen.
Man muss diese Gartenkunst der Japaner als Vorbildnerin des japanischen Geschmacks, auch im Kunstgewerbe, ansehen. Sie hat einerseits mit Sorgfalt alle Lebensbedürfnisse der in ihr Bereich ge- zogenen Gewächse kennen gelernt und sucht viele der letzteren durch Befriedigung jener Bedürfnisse zur höchsten natürlichen Vollkommenheit zu bringen; anderseits aber gefällt sie sich darin, Bäume und Sträucher beständig unter der Scheere zu halten und auf mancherlei sonstige Weise ihre natürliche Entwickelung zu hemmen, bald um symmetrische For- men zu bilden, wie die alte französische Gärtnerei es liebte, bald wieder, um der Symmetrie entgegen zu arbeiten und phantastische Gestalten, sowie Zwerge und Krüppel zu erzeugen, also in einer Ge- schmacksrichtung thätig zu sein, die uns im höchsten Grade fremd und unverständlich ist. An barocker Künstlichkeit sucht diese Gärtnerei heutzutage in Europa ihres gleichen; aber sie ist nicht nach unserm
I. Land- und Forstwirthschaft.
Wasserbecken mit kleinen, rothbauchigen Imori (Triton subcristatus) auf dem klaren Grunde, für einen niedlichen gewölbten Steg über den Abfluss und eine Felspartie. Bei einer etwas grösseren Anlage ist diese der prächtigste und kühlste Theil, wo klares, perlendes Wasser hervorbricht aus kleiner, bemooster Grotte, deren Ueberwölbung eine Felsgruppe im Gebirge täuschend nachahmt. Ausser immergrünen Farrenkräutern zieren dieselbe kleine Büsche des Tsutsuji (Azalea indica L.), welche an unsere Alpenrosen erinnern und im Vorsommer mit rothen Blüthen bedeckt sind, ferner das schöne Daimiôjisô (Saxi- fraga cortusaefolia S. & Z.) und andere geschmackvoll vertheilte Lieb- linge der einheimischen Flora. Vor dieser Felsgruppe erblickt man gewöhnlich eine kleine cementierte Mulde des Bodens, welche das her- vorquellende Wasser sammelt, und neben derselben das Giboshi (Fun- kia ovata Sprengel), über dessen blaugrünem Blattschopf sich im Nach- sommer prächtige bläulichweisse Blüthenähren erheben.
Die schmalen Pfade, welche sich durch einen solchen japanischen Ziergarten winden, sind mit einer Reihe vor einander geschobener Steinplatten belegt, bei denen man jede regelmässige Form vermeidet, die also seitlich mit verschieden gestalteten Ecken mehr oder weniger vorragen. Topfpflanzen, zumal solche mit den beliebten Zwergbäum- chen, ersetzen zu beiden Seiten vielfach die fehlenden Rabatten.
Die japanische Gartenkunst wird mit wenigen einfachen Werk- zeugen, welche noch dazu nur theilweise zweckmässig sind, aber mit grosser manueller Geschicklichkeit betrieben. Mit unserer europäischen kann sie sich weder in der Ausbildung des Geschmacks und in den Leistungen, noch bezüglich der vielerlei Mittel und Wege messen, welche unsern Gärtnern bei ihren Arbeiten zu Gebote stehen.
Man muss diese Gartenkunst der Japaner als Vorbildnerin des japanischen Geschmacks, auch im Kunstgewerbe, ansehen. Sie hat einerseits mit Sorgfalt alle Lebensbedürfnisse der in ihr Bereich ge- zogenen Gewächse kennen gelernt und sucht viele der letzteren durch Befriedigung jener Bedürfnisse zur höchsten natürlichen Vollkommenheit zu bringen; anderseits aber gefällt sie sich darin, Bäume und Sträucher beständig unter der Scheere zu halten und auf mancherlei sonstige Weise ihre natürliche Entwickelung zu hemmen, bald um symmetrische For- men zu bilden, wie die alte französische Gärtnerei es liebte, bald wieder, um der Symmetrie entgegen zu arbeiten und phantastische Gestalten, sowie Zwerge und Krüppel zu erzeugen, also in einer Ge- schmacksrichtung thätig zu sein, die uns im höchsten Grade fremd und unverständlich ist. An barocker Künstlichkeit sucht diese Gärtnerei heutzutage in Europa ihres gleichen; aber sie ist nicht nach unserm
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[314/0338]
I. Land- und Forstwirthschaft.
Wasserbecken mit kleinen, rothbauchigen Imori (Triton subcristatus)
auf dem klaren Grunde, für einen niedlichen gewölbten Steg über den
Abfluss und eine Felspartie. Bei einer etwas grösseren Anlage ist
diese der prächtigste und kühlste Theil, wo klares, perlendes Wasser
hervorbricht aus kleiner, bemooster Grotte, deren Ueberwölbung eine
Felsgruppe im Gebirge täuschend nachahmt. Ausser immergrünen
Farrenkräutern zieren dieselbe kleine Büsche des Tsutsuji (Azalea
indica L.), welche an unsere Alpenrosen erinnern und im Vorsommer
mit rothen Blüthen bedeckt sind, ferner das schöne Daimiôjisô (Saxi-
fraga cortusaefolia S. & Z.) und andere geschmackvoll vertheilte Lieb-
linge der einheimischen Flora. Vor dieser Felsgruppe erblickt man
gewöhnlich eine kleine cementierte Mulde des Bodens, welche das her-
vorquellende Wasser sammelt, und neben derselben das Giboshi (Fun-
kia ovata Sprengel), über dessen blaugrünem Blattschopf sich im Nach-
sommer prächtige bläulichweisse Blüthenähren erheben.
Die schmalen Pfade, welche sich durch einen solchen japanischen
Ziergarten winden, sind mit einer Reihe vor einander geschobener
Steinplatten belegt, bei denen man jede regelmässige Form vermeidet,
die also seitlich mit verschieden gestalteten Ecken mehr oder weniger
vorragen. Topfpflanzen, zumal solche mit den beliebten Zwergbäum-
chen, ersetzen zu beiden Seiten vielfach die fehlenden Rabatten.
Die japanische Gartenkunst wird mit wenigen einfachen Werk-
zeugen, welche noch dazu nur theilweise zweckmässig sind, aber mit
grosser manueller Geschicklichkeit betrieben. Mit unserer europäischen
kann sie sich weder in der Ausbildung des Geschmacks und in den
Leistungen, noch bezüglich der vielerlei Mittel und Wege messen, welche
unsern Gärtnern bei ihren Arbeiten zu Gebote stehen.
Man muss diese Gartenkunst der Japaner als Vorbildnerin des
japanischen Geschmacks, auch im Kunstgewerbe, ansehen. Sie hat
einerseits mit Sorgfalt alle Lebensbedürfnisse der in ihr Bereich ge-
zogenen Gewächse kennen gelernt und sucht viele der letzteren durch
Befriedigung jener Bedürfnisse zur höchsten natürlichen Vollkommenheit
zu bringen; anderseits aber gefällt sie sich darin, Bäume und Sträucher
beständig unter der Scheere zu halten und auf mancherlei sonstige Weise
ihre natürliche Entwickelung zu hemmen, bald um symmetrische For-
men zu bilden, wie die alte französische Gärtnerei es liebte, bald
wieder, um der Symmetrie entgegen zu arbeiten und phantastische
Gestalten, sowie Zwerge und Krüppel zu erzeugen, also in einer Ge-
schmacksrichtung thätig zu sein, die uns im höchsten Grade fremd
und unverständlich ist. An barocker Künstlichkeit sucht diese Gärtnerei
heutzutage in Europa ihres gleichen; aber sie ist nicht nach unserm
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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