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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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Unterbrechung an den Knoten, sowie die leichte Spaltbarkeit in der
Längsrichtung zählen zu den sehr schätzbaren Eigenschaften des
Bambusstammes. Ein jeder Versuch, die darauf sich gründenden vielen
Verwendungen aufzuzählen, würde unzulänglich erscheinen; denn
schlafend oder wachend, bei jeder Art von Thätigkeit und auf jeder
Altersstufe ist der Mensch in Süd- und Ost-Asien, soweit das Bambus-
rohr gedeiht, von Gebilden aus demselben umgeben und im Gebrauch
solcher.

In seinem natürlichen Zustande, und nur der Spitze mit ihrer
Krone beraubt, liefert der Bambusstamm Leiterbäume und Dachsparren,
Pfähle, Pfosten und Stangen zum Schützen, Stützen und Tragen, z. B.
junger Bäume, der Baugerüste, Ruder-, Segel-, Flaggen-, Angel- und
Messstangen, Stöcke, Stiele und sonstige Handhaben für vielerlei Werk-
zeuge und Waffen, für Zäune, Gitter und allerhand Rahmwerk. Die
Röhrenform macht es wieder zu einer ganzen Reihe anderer Verwen-
dungen geeignet, z. B. bei Wasserleitungen, wobei man nur die
Zwischenwände an den Knoten zu durchstechen braucht, ferner für
Pumpen, Flöten, Pfeifenröhren. Jedes Glied mit den es abschliessen-
den Querwänden an den Knoten ist ein geschlossener Behälter. Wird
es quer durchschnitten, so bildet ein Stück Röhre mit seinem natür-
lichen Abschluss am einen Ende ein cylindrisches, oben offenes Ge-
fäss, das je nach Umständen als Eimer, Schöpf- und Trinkbecher,
Blumenvase oder Speibecken dient.

Die leichte Spaltbarkeit gestattet, es je nach den Zwecken in
Stäbchen, Spähne und Bänder von sehr verschiedener Grösse zu zer-
legen und daraus sowohl Essstäbchen, Löffel, Speere und andere einfache
Sachen, als auch mancherlei Gitter- und Flechtwerk darzustellen, wie
Hüte, Siebe, Schachteln, Körbe und Käfige, Stühle, Sänften und Bett-
stellen, Matten und Decken, Blenden für Fenster- und Thüröffnungen,
Segel, Rahmwerk für Bilder, Schirme und Fächer.

In Tokio gibt es ganze Strassen, in welchen fast nur Bambusrohr
verkauft wird. Hier stehen auf den Höfen der grösseren Händler
Tausende von Rohren jeder Länge und Stärke, vom Dachsparren und
Leiterbaum bis zum Pinselstiel sortiert, zum Verkauf, um die er-
wähnten Take-mono (Bambusarbeiten) und viele andere daraus zu
verfertigen. Dass der vielseitige Nutzen, welchen das Bambusrohr
den Bewohnern der Monsunländer gewährt, ebenso, wie seine zier-
liche Gestalt von chinesischen und japanischen Dichtern viel gepriesen
wurde, kann nach dem Gesagten nicht überraschen. Dem japanischen
Künstler ist es ein beliebtes Decorationsmotiv, das er überaus häufig,
nicht blos mit dem Pinsel, sondern auch plastisch nachbildet. Seine

I. Land- und Forstwirthschaft.
Unterbrechung an den Knoten, sowie die leichte Spaltbarkeit in der
Längsrichtung zählen zu den sehr schätzbaren Eigenschaften des
Bambusstammes. Ein jeder Versuch, die darauf sich gründenden vielen
Verwendungen aufzuzählen, würde unzulänglich erscheinen; denn
schlafend oder wachend, bei jeder Art von Thätigkeit und auf jeder
Altersstufe ist der Mensch in Süd- und Ost-Asien, soweit das Bambus-
rohr gedeiht, von Gebilden aus demselben umgeben und im Gebrauch
solcher.

In seinem natürlichen Zustande, und nur der Spitze mit ihrer
Krone beraubt, liefert der Bambusstamm Leiterbäume und Dachsparren,
Pfähle, Pfosten und Stangen zum Schützen, Stützen und Tragen, z. B.
junger Bäume, der Baugerüste, Ruder-, Segel-, Flaggen-, Angel- und
Messstangen, Stöcke, Stiele und sonstige Handhaben für vielerlei Werk-
zeuge und Waffen, für Zäune, Gitter und allerhand Rahmwerk. Die
Röhrenform macht es wieder zu einer ganzen Reihe anderer Verwen-
dungen geeignet, z. B. bei Wasserleitungen, wobei man nur die
Zwischenwände an den Knoten zu durchstechen braucht, ferner für
Pumpen, Flöten, Pfeifenröhren. Jedes Glied mit den es abschliessen-
den Querwänden an den Knoten ist ein geschlossener Behälter. Wird
es quer durchschnitten, so bildet ein Stück Röhre mit seinem natür-
lichen Abschluss am einen Ende ein cylindrisches, oben offenes Ge-
fäss, das je nach Umständen als Eimer, Schöpf- und Trinkbecher,
Blumenvase oder Speibecken dient.

Die leichte Spaltbarkeit gestattet, es je nach den Zwecken in
Stäbchen, Spähne und Bänder von sehr verschiedener Grösse zu zer-
legen und daraus sowohl Essstäbchen, Löffel, Speere und andere einfache
Sachen, als auch mancherlei Gitter- und Flechtwerk darzustellen, wie
Hüte, Siebe, Schachteln, Körbe und Käfige, Stühle, Sänften und Bett-
stellen, Matten und Decken, Blenden für Fenster- und Thüröffnungen,
Segel, Rahmwerk für Bilder, Schirme und Fächer.

In Tôkio gibt es ganze Strassen, in welchen fast nur Bambusrohr
verkauft wird. Hier stehen auf den Höfen der grösseren Händler
Tausende von Rohren jeder Länge und Stärke, vom Dachsparren und
Leiterbaum bis zum Pinselstiel sortiert, zum Verkauf, um die er-
wähnten Take-mono (Bambusarbeiten) und viele andere daraus zu
verfertigen. Dass der vielseitige Nutzen, welchen das Bambusrohr
den Bewohnern der Monsunländer gewährt, ebenso, wie seine zier-
liche Gestalt von chinesischen und japanischen Dichtern viel gepriesen
wurde, kann nach dem Gesagten nicht überraschen. Dem japanischen
Künstler ist es ein beliebtes Decorationsmotiv, das er überaus häufig,
nicht blos mit dem Pinsel, sondern auch plastisch nachbildet. Seine

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[274/0298] I. Land- und Forstwirthschaft. Unterbrechung an den Knoten, sowie die leichte Spaltbarkeit in der Längsrichtung zählen zu den sehr schätzbaren Eigenschaften des Bambusstammes. Ein jeder Versuch, die darauf sich gründenden vielen Verwendungen aufzuzählen, würde unzulänglich erscheinen; denn schlafend oder wachend, bei jeder Art von Thätigkeit und auf jeder Altersstufe ist der Mensch in Süd- und Ost-Asien, soweit das Bambus- rohr gedeiht, von Gebilden aus demselben umgeben und im Gebrauch solcher. In seinem natürlichen Zustande, und nur der Spitze mit ihrer Krone beraubt, liefert der Bambusstamm Leiterbäume und Dachsparren, Pfähle, Pfosten und Stangen zum Schützen, Stützen und Tragen, z. B. junger Bäume, der Baugerüste, Ruder-, Segel-, Flaggen-, Angel- und Messstangen, Stöcke, Stiele und sonstige Handhaben für vielerlei Werk- zeuge und Waffen, für Zäune, Gitter und allerhand Rahmwerk. Die Röhrenform macht es wieder zu einer ganzen Reihe anderer Verwen- dungen geeignet, z. B. bei Wasserleitungen, wobei man nur die Zwischenwände an den Knoten zu durchstechen braucht, ferner für Pumpen, Flöten, Pfeifenröhren. Jedes Glied mit den es abschliessen- den Querwänden an den Knoten ist ein geschlossener Behälter. Wird es quer durchschnitten, so bildet ein Stück Röhre mit seinem natür- lichen Abschluss am einen Ende ein cylindrisches, oben offenes Ge- fäss, das je nach Umständen als Eimer, Schöpf- und Trinkbecher, Blumenvase oder Speibecken dient. Die leichte Spaltbarkeit gestattet, es je nach den Zwecken in Stäbchen, Spähne und Bänder von sehr verschiedener Grösse zu zer- legen und daraus sowohl Essstäbchen, Löffel, Speere und andere einfache Sachen, als auch mancherlei Gitter- und Flechtwerk darzustellen, wie Hüte, Siebe, Schachteln, Körbe und Käfige, Stühle, Sänften und Bett- stellen, Matten und Decken, Blenden für Fenster- und Thüröffnungen, Segel, Rahmwerk für Bilder, Schirme und Fächer. In Tôkio gibt es ganze Strassen, in welchen fast nur Bambusrohr verkauft wird. Hier stehen auf den Höfen der grösseren Händler Tausende von Rohren jeder Länge und Stärke, vom Dachsparren und Leiterbaum bis zum Pinselstiel sortiert, zum Verkauf, um die er- wähnten Take-mono (Bambusarbeiten) und viele andere daraus zu verfertigen. Dass der vielseitige Nutzen, welchen das Bambusrohr den Bewohnern der Monsunländer gewährt, ebenso, wie seine zier- liche Gestalt von chinesischen und japanischen Dichtern viel gepriesen wurde, kann nach dem Gesagten nicht überraschen. Dem japanischen Künstler ist es ein beliebtes Decorationsmotiv, das er überaus häufig, nicht blos mit dem Pinsel, sondern auch plastisch nachbildet. Seine

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/298>, abgerufen am 22.11.2024.