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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
schönsten Arten Bambusen das Monsungebiet die alte Heimat und
ausgedehnteste Culturstätte. Sie haben sich hier zum Theil weit über
den nördlichen Wendekreis verbreitet, insbesondere in China und
Japan. Dessen ungeachtet kann ich Wallace nicht beistimmen, wenn
er behauptet,*) dass die riesigen Gräser, welche wir Bambusrohre
nennen, kaum als tropische betrachtet werden könnten; denn die
meisten, und zumal die grössten Arten, gehören dem tropischen Mon-
sungebiete an, und die in Südamerika und Afrika heimischen über
schreiten die Wendekreise fast nirgends. Dem Reis kommt in den
Monsunländern keine andere Nährpflanze an Bedeutung gleich, dem
Bambusrohr -- ich denke hier nur an die grossen Formen -- kein
anderes Holzgewächs bezüglich seiner vielseitigen Verwendung, noch
schmückt ein anderes mit gleich viel Anmuth die Landschaft.

In ihrer ersten Jugend liefern verschiedene Bambusaarten eine
beliebte Speise, wenn in voller Entwickelung, sind ihre Gruppen Zier-
pflanzen von wirkungsvollstem Einflusse im Landschaftsbilde und nach
dem Tode endlich ein Material, das im wärmeren Monsungebiet so
vielseitig verwendet wird, dass ein intelligenter Begleiter des Colonel
Yule die Möglichkeit der menschlichen Existenz in einem Lande, ohne
Bambusrohr gar nicht begreifen konnte.**)

Wie man im germanischen Norden die Häuser zum Pfingstfest
mit dem lieblichen Grün junger Birken schmückt, so wird in Japan
das Bambusrohr zur Neujahrsfeier herangezogen. Hinter der Kiefer
auf jeder Seite des Eingangsthor erhebt sich dann ein schlanker Stamm
des Take-no-ki, mit seinen vielen Knoten und Gliedern ein Symbol
der Manneskraft und in seiner Krone geschmückt durch kleine Man-
darinorangen nach altem Brauch.

Man hat diese grossen Bambusrohre oft und passend mit Spar-
geln verglichen. Wie aus der verpflanzten Spargelklaue jedes Früh-
jahr eine Anzahl Stangen hervortreiben und unter normalen Bedin-
gungen innerhalb gewisser Grenzen an Stärke jedes Jahr zunehmen,
so ist es auch bei geeigneter Behandlung mit dem Bambusrohr. Nur
sind hier alle Verhältnisse grossartiger. Aus wenigen Rhizomklumpen
entwickelt sich auf gutem Boden allmählich ein ganzer Hain. Rie-
sigen Spargeln gleich erscheinen im Frühjahr die neuen Triebe und
werden ebenso als Gemüse verwendet. Anfang Mai hat Bambusa
arundinacea bei Tokio schon Manneshöhe erreicht; doch zeigt erst im
Hochsommer die Natur im Bambushain ihre volle Kraft; denn Bam-
busrohr allein ist Gras, welches man alsdann im wahren Sinne des

*) Wallace: Tropical Nature. London 1878. pg. 52 ff.
**) Yule: Marco Polo I. 298.

I. Land- und Forstwirthschaft.
schönsten Arten Bambusen das Monsungebiet die alte Heimat und
ausgedehnteste Culturstätte. Sie haben sich hier zum Theil weit über
den nördlichen Wendekreis verbreitet, insbesondere in China und
Japan. Dessen ungeachtet kann ich Wallace nicht beistimmen, wenn
er behauptet,*) dass die riesigen Gräser, welche wir Bambusrohre
nennen, kaum als tropische betrachtet werden könnten; denn die
meisten, und zumal die grössten Arten, gehören dem tropischen Mon-
sungebiete an, und die in Südamerika und Afrika heimischen über
schreiten die Wendekreise fast nirgends. Dem Reis kommt in den
Monsunländern keine andere Nährpflanze an Bedeutung gleich, dem
Bambusrohr — ich denke hier nur an die grossen Formen — kein
anderes Holzgewächs bezüglich seiner vielseitigen Verwendung, noch
schmückt ein anderes mit gleich viel Anmuth die Landschaft.

In ihrer ersten Jugend liefern verschiedene Bambusaarten eine
beliebte Speise, wenn in voller Entwickelung, sind ihre Gruppen Zier-
pflanzen von wirkungsvollstem Einflusse im Landschaftsbilde und nach
dem Tode endlich ein Material, das im wärmeren Monsungebiet so
vielseitig verwendet wird, dass ein intelligenter Begleiter des Colonel
Yule die Möglichkeit der menschlichen Existenz in einem Lande, ohne
Bambusrohr gar nicht begreifen konnte.**)

Wie man im germanischen Norden die Häuser zum Pfingstfest
mit dem lieblichen Grün junger Birken schmückt, so wird in Japan
das Bambusrohr zur Neujahrsfeier herangezogen. Hinter der Kiefer
auf jeder Seite des Eingangsthor erhebt sich dann ein schlanker Stamm
des Take-no-ki, mit seinen vielen Knoten und Gliedern ein Symbol
der Manneskraft und in seiner Krone geschmückt durch kleine Man-
darinorangen nach altem Brauch.

Man hat diese grossen Bambusrohre oft und passend mit Spar-
geln verglichen. Wie aus der verpflanzten Spargelklaue jedes Früh-
jahr eine Anzahl Stangen hervortreiben und unter normalen Bedin-
gungen innerhalb gewisser Grenzen an Stärke jedes Jahr zunehmen,
so ist es auch bei geeigneter Behandlung mit dem Bambusrohr. Nur
sind hier alle Verhältnisse grossartiger. Aus wenigen Rhizomklumpen
entwickelt sich auf gutem Boden allmählich ein ganzer Hain. Rie-
sigen Spargeln gleich erscheinen im Frühjahr die neuen Triebe und
werden ebenso als Gemüse verwendet. Anfang Mai hat Bambusa
arundinacea bei Tôkio schon Manneshöhe erreicht; doch zeigt erst im
Hochsommer die Natur im Bambushain ihre volle Kraft; denn Bam-
busrohr allein ist Gras, welches man alsdann im wahren Sinne des

*) Wallace: Tropical Nature. London 1878. pg. 52 ff.
**) Yule: Marco Polo I. 298.
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[272/0296] I. Land- und Forstwirthschaft. schönsten Arten Bambusen das Monsungebiet die alte Heimat und ausgedehnteste Culturstätte. Sie haben sich hier zum Theil weit über den nördlichen Wendekreis verbreitet, insbesondere in China und Japan. Dessen ungeachtet kann ich Wallace nicht beistimmen, wenn er behauptet, *) dass die riesigen Gräser, welche wir Bambusrohre nennen, kaum als tropische betrachtet werden könnten; denn die meisten, und zumal die grössten Arten, gehören dem tropischen Mon- sungebiete an, und die in Südamerika und Afrika heimischen über schreiten die Wendekreise fast nirgends. Dem Reis kommt in den Monsunländern keine andere Nährpflanze an Bedeutung gleich, dem Bambusrohr — ich denke hier nur an die grossen Formen — kein anderes Holzgewächs bezüglich seiner vielseitigen Verwendung, noch schmückt ein anderes mit gleich viel Anmuth die Landschaft. In ihrer ersten Jugend liefern verschiedene Bambusaarten eine beliebte Speise, wenn in voller Entwickelung, sind ihre Gruppen Zier- pflanzen von wirkungsvollstem Einflusse im Landschaftsbilde und nach dem Tode endlich ein Material, das im wärmeren Monsungebiet so vielseitig verwendet wird, dass ein intelligenter Begleiter des Colonel Yule die Möglichkeit der menschlichen Existenz in einem Lande, ohne Bambusrohr gar nicht begreifen konnte. **) Wie man im germanischen Norden die Häuser zum Pfingstfest mit dem lieblichen Grün junger Birken schmückt, so wird in Japan das Bambusrohr zur Neujahrsfeier herangezogen. Hinter der Kiefer auf jeder Seite des Eingangsthor erhebt sich dann ein schlanker Stamm des Take-no-ki, mit seinen vielen Knoten und Gliedern ein Symbol der Manneskraft und in seiner Krone geschmückt durch kleine Man- darinorangen nach altem Brauch. Man hat diese grossen Bambusrohre oft und passend mit Spar- geln verglichen. Wie aus der verpflanzten Spargelklaue jedes Früh- jahr eine Anzahl Stangen hervortreiben und unter normalen Bedin- gungen innerhalb gewisser Grenzen an Stärke jedes Jahr zunehmen, so ist es auch bei geeigneter Behandlung mit dem Bambusrohr. Nur sind hier alle Verhältnisse grossartiger. Aus wenigen Rhizomklumpen entwickelt sich auf gutem Boden allmählich ein ganzer Hain. Rie- sigen Spargeln gleich erscheinen im Frühjahr die neuen Triebe und werden ebenso als Gemüse verwendet. Anfang Mai hat Bambusa arundinacea bei Tôkio schon Manneshöhe erreicht; doch zeigt erst im Hochsommer die Natur im Bambushain ihre volle Kraft; denn Bam- busrohr allein ist Gras, welches man alsdann im wahren Sinne des *) Wallace: Tropical Nature. London 1878. pg. 52 ff. **) Yule: Marco Polo I. 298.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/296>, abgerufen am 22.11.2024.