Grade in den bedeutenden klimatischen Veränderungen, welche ein Land dadurch erleidet.
Die Abnahme der Wälder hat eine Erhöhung der mittleren Jahres- temperatur und insbesondere der Sommerhitze, sowie eine Verminde- rung der jährlichen Niederschläge zur Folge. Sie als Ursache der Ueberschwemmungen überhaupt anzusehen, hiesse jedoch ihre Wirkung einseitig beurteilen. Ueberschwemmungen kommen in den wald- reichsten Gebieten der Erde und namentlich auch in waldreichen Theilen Japans vor. So kamen auch die mächtigen Wassermassen, welche im November und December 1882 den Rhein schwellten und weit über seine Ufer drängten, von den waldreichen deutschen Mittelgebirgen. Auch beweisen die breiten Spuren alter Flussläufe, dass unsere Flüsse viel zahmer und manierlicher geworden sind und Ueberschwemmungen ehemals, als Deutschland noch seine Urwälder hatte, viel häufiger waren, als jetzt, und weite Strecken mit Geröll überflutheten. Aber die richtige Erklärung hierfür liegt auf einer andern Seite und widerstreitet nicht der Thatsache, dass die Entwaldung der Gebirge die Trockenheit der Atmosphäre, Ungleichheit in der Vertheilung der Niederschläge und zugleich die Gefahr der Ueberschwemmung in den Thälern wesentlich vermehrt hat. Offenbar war nicht sowohl die grössere Menge des Niederschlags, als gerade der Urwald in der Ebene, welcher später dem Acker- und Wiesenbau weichen musste, eine der Hauptursachen derselben. Die Erosion hatte noch nicht so gründlich gearbeitet und die Flussbette so tief eingesenkt, wie jetzt, während einem raschen Abfluss zahlreiche Hindernisse in den Weg traten.
Die Entwaldung der Gebirge wird heutzutage von allen Gebildeten geradezu als ein Unglück für die Zukunft eines Landes angesehen. Nach dem Holze schwindet unvermeidlich auch der Humusboden mit den Laub- und Moospolstern von den Bergabhängen. Widerstandslos fegen heftige Regengüsse und Winde sie weg und legen den nackten Fels blos. Was von diesem zerbröckelt und verwittert, wird mit dem grössten Theil der Regenmenge eiligst dem Thale zugeführt, wo Ueber- schwemmungen und Geröllablagerungen über vordem culturfähigen Boden häufig sind. Beispiele derartiger Folgen der Waldverwüstung für Kinder und Kindeskinder liegen in Menge und aus verschiedenen Ländern vor. So las man im Sommer 1879 in der russischen Zeitung Kawkas Folgendes:
"Man kann am Schwarzen Meere, dessen Küsten ehemals mit Eichenwäldern bedeckt waren, 20--30 Stunden weit wandern, ohne einen Baum anzutreffen. Die früher reichbewaldete Gegend von Tiflis ist abgeholzt. Noch mehr ist dies mit den Bergrücken von Daghestan
5. Forstwirthschaft.
Grade in den bedeutenden klimatischen Veränderungen, welche ein Land dadurch erleidet.
Die Abnahme der Wälder hat eine Erhöhung der mittleren Jahres- temperatur und insbesondere der Sommerhitze, sowie eine Verminde- rung der jährlichen Niederschläge zur Folge. Sie als Ursache der Ueberschwemmungen überhaupt anzusehen, hiesse jedoch ihre Wirkung einseitig beurteilen. Ueberschwemmungen kommen in den wald- reichsten Gebieten der Erde und namentlich auch in waldreichen Theilen Japans vor. So kamen auch die mächtigen Wassermassen, welche im November und December 1882 den Rhein schwellten und weit über seine Ufer drängten, von den waldreichen deutschen Mittelgebirgen. Auch beweisen die breiten Spuren alter Flussläufe, dass unsere Flüsse viel zahmer und manierlicher geworden sind und Ueberschwemmungen ehemals, als Deutschland noch seine Urwälder hatte, viel häufiger waren, als jetzt, und weite Strecken mit Geröll überflutheten. Aber die richtige Erklärung hierfür liegt auf einer andern Seite und widerstreitet nicht der Thatsache, dass die Entwaldung der Gebirge die Trockenheit der Atmosphäre, Ungleichheit in der Vertheilung der Niederschläge und zugleich die Gefahr der Ueberschwemmung in den Thälern wesentlich vermehrt hat. Offenbar war nicht sowohl die grössere Menge des Niederschlags, als gerade der Urwald in der Ebene, welcher später dem Acker- und Wiesenbau weichen musste, eine der Hauptursachen derselben. Die Erosion hatte noch nicht so gründlich gearbeitet und die Flussbette so tief eingesenkt, wie jetzt, während einem raschen Abfluss zahlreiche Hindernisse in den Weg traten.
Die Entwaldung der Gebirge wird heutzutage von allen Gebildeten geradezu als ein Unglück für die Zukunft eines Landes angesehen. Nach dem Holze schwindet unvermeidlich auch der Humusboden mit den Laub- und Moospolstern von den Bergabhängen. Widerstandslos fegen heftige Regengüsse und Winde sie weg und legen den nackten Fels blos. Was von diesem zerbröckelt und verwittert, wird mit dem grössten Theil der Regenmenge eiligst dem Thale zugeführt, wo Ueber- schwemmungen und Geröllablagerungen über vordem culturfähigen Boden häufig sind. Beispiele derartiger Folgen der Waldverwüstung für Kinder und Kindeskinder liegen in Menge und aus verschiedenen Ländern vor. So las man im Sommer 1879 in der russischen Zeitung Kawkas Folgendes:
»Man kann am Schwarzen Meere, dessen Küsten ehemals mit Eichenwäldern bedeckt waren, 20—30 Stunden weit wandern, ohne einen Baum anzutreffen. Die früher reichbewaldete Gegend von Tiflis ist abgeholzt. Noch mehr ist dies mit den Bergrücken von Daghestan
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5. Forstwirthschaft.
Grade in den bedeutenden klimatischen Veränderungen, welche ein
Land dadurch erleidet.
Die Abnahme der Wälder hat eine Erhöhung der mittleren Jahres-
temperatur und insbesondere der Sommerhitze, sowie eine Verminde-
rung der jährlichen Niederschläge zur Folge. Sie als Ursache der
Ueberschwemmungen überhaupt anzusehen, hiesse jedoch ihre Wirkung
einseitig beurteilen. Ueberschwemmungen kommen in den wald-
reichsten Gebieten der Erde und namentlich auch in waldreichen Theilen
Japans vor. So kamen auch die mächtigen Wassermassen, welche im
November und December 1882 den Rhein schwellten und weit über
seine Ufer drängten, von den waldreichen deutschen Mittelgebirgen.
Auch beweisen die breiten Spuren alter Flussläufe, dass unsere Flüsse
viel zahmer und manierlicher geworden sind und Ueberschwemmungen
ehemals, als Deutschland noch seine Urwälder hatte, viel häufiger waren,
als jetzt, und weite Strecken mit Geröll überflutheten. Aber die richtige
Erklärung hierfür liegt auf einer andern Seite und widerstreitet nicht
der Thatsache, dass die Entwaldung der Gebirge die Trockenheit der
Atmosphäre, Ungleichheit in der Vertheilung der Niederschläge und
zugleich die Gefahr der Ueberschwemmung in den Thälern wesentlich
vermehrt hat. Offenbar war nicht sowohl die grössere Menge des
Niederschlags, als gerade der Urwald in der Ebene, welcher später
dem Acker- und Wiesenbau weichen musste, eine der Hauptursachen
derselben. Die Erosion hatte noch nicht so gründlich gearbeitet und
die Flussbette so tief eingesenkt, wie jetzt, während einem raschen
Abfluss zahlreiche Hindernisse in den Weg traten.
Die Entwaldung der Gebirge wird heutzutage von allen Gebildeten
geradezu als ein Unglück für die Zukunft eines Landes angesehen.
Nach dem Holze schwindet unvermeidlich auch der Humusboden mit
den Laub- und Moospolstern von den Bergabhängen. Widerstandslos
fegen heftige Regengüsse und Winde sie weg und legen den nackten
Fels blos. Was von diesem zerbröckelt und verwittert, wird mit dem
grössten Theil der Regenmenge eiligst dem Thale zugeführt, wo Ueber-
schwemmungen und Geröllablagerungen über vordem culturfähigen
Boden häufig sind. Beispiele derartiger Folgen der Waldverwüstung
für Kinder und Kindeskinder liegen in Menge und aus verschiedenen
Ländern vor. So las man im Sommer 1879 in der russischen Zeitung
Kawkas Folgendes:
»Man kann am Schwarzen Meere, dessen Küsten ehemals mit
Eichenwäldern bedeckt waren, 20—30 Stunden weit wandern, ohne
einen Baum anzutreffen. Die früher reichbewaldete Gegend von Tiflis
ist abgeholzt. Noch mehr ist dies mit den Bergrücken von Daghestan
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/289>, abgerufen am 25.11.2024.
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