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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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gesetzt werden, welche von einem hohen, überdachten Sitz in der
Mitte der Pflanzung aus das Ganze überwacht.

Die Entwickelung der Raupe bis zur Spinnreife nimmt etwa 60 Tage
in Anspruch. Bei den Zuchten in Europa war die Durchschnittszeit
64 Tage. Dieselbe vertheilt sich auf die fünf Altersstufen so, dass
auf die beiden ersten je 10 Tage, auf die 3. und 4. je 13 Tage und
auf die letzte 18 Tage kommen. Diese Lebensdauer der Raupen
unterliegt jedoch mancherlei Schwankungen. Durch höhere, gleich-
mässige Temperatur und reichliches Futter kann sie auf 50 Tage ver-
kürzt werden, anderseits sich bis gegen 80 Tage ausdehnen. Jeder
Häutung geht ein 2--3 Tage langer Schlaf voraus, während dessen die
Raupe bewegungslos sitzt, indem sie sich mit den hinteren Füssen
festhält, den Vorderkörper aber sphynxähnlich emporhebt.

Die Räupchen, welche beim Auskriechen 7 mm lang, an den Fuss-
klauen röthlichbraun, sonst gelbgrün und mit zwei schwarzen Längs-
streifen versehen sind, haben nach der vierten Häutung, wenn aus-
gestreckt, eine Länge von 7 cm und 2 cm Umfang. Sie sind prächtig
grün mit hochgewölbten Ringen und zwei Reihen Warzen über den
Rücken, deren jede schwarzbraune Borstenhaare trägt. Den Rücken
scheidet auf jeder Seite ein goldgelber Streifen von der Bauchseite
und daran schliessen sich jederseits fünf silberglänzende Flecken um
die Athmungsöffnungen.

Ist die Raupe spinnreif, so lässt sie eine hellbraune Flüssigkeit
fallen und wird unruhig, steigt aber nicht empor, sondern zieht ein
oder mehrere Eichblätter, die sie auf der ihr zugewandten Seite über
spinnt, an sich heran und heftet daran ihren Cocon. Zu diesem Zweck
webt sie zunächst rings um sich herum ein transparentes Netz von
schöner gelblichgrüner Seide, durch welches man sie im Innern fleissig
arbeiten sieht. Nach etwa 6 Stunden ist dasselbe durch neue Schichten
undurchsichtig geworden und nach 6--8 Tagen die Verpuppung voll-
endet. Das Grün des äusseren Gewebes hat mittlerweile viel von
seiner Intensität verloren und ist in Grünlichgelb übergegangen. Die
Cocons sind fest, von schöner ellipsoidischer Form, ohne Einschnürung
in der Mitte, gegen 3 cm lang und 7 Gramm schwer. Ohne Puppe
wiegt ein solcher Cocon 70--80 cg, während ein larvenfreier Cocon
der Bombyx Mori noch nicht halb so schwer ist. Zehn Pfund Cocons
liefern etwa 1 kg Haspelseide. Die oberste Lage hat einen gröberen
Faden von grünlich gelber Farbe, aber die darunter befindlichen lie-
fern eine schöne grünlichweisse Seide, die sich fast ebenso leicht ab-
haspeln lässt, als bei B. Mori, wenn man die Cocons in heisses Wasser
taucht. Etwa 15 Tage nach dem Anfang der Verpuppung trennt man

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gesetzt werden, welche von einem hohen, überdachten Sitz in der
Mitte der Pflanzung aus das Ganze überwacht.

Die Entwickelung der Raupe bis zur Spinnreife nimmt etwa 60 Tage
in Anspruch. Bei den Zuchten in Europa war die Durchschnittszeit
64 Tage. Dieselbe vertheilt sich auf die fünf Altersstufen so, dass
auf die beiden ersten je 10 Tage, auf die 3. und 4. je 13 Tage und
auf die letzte 18 Tage kommen. Diese Lebensdauer der Raupen
unterliegt jedoch mancherlei Schwankungen. Durch höhere, gleich-
mässige Temperatur und reichliches Futter kann sie auf 50 Tage ver-
kürzt werden, anderseits sich bis gegen 80 Tage ausdehnen. Jeder
Häutung geht ein 2—3 Tage langer Schlaf voraus, während dessen die
Raupe bewegungslos sitzt, indem sie sich mit den hinteren Füssen
festhält, den Vorderkörper aber sphynxähnlich emporhebt.

Die Räupchen, welche beim Auskriechen 7 mm lang, an den Fuss-
klauen röthlichbraun, sonst gelbgrün und mit zwei schwarzen Längs-
streifen versehen sind, haben nach der vierten Häutung, wenn aus-
gestreckt, eine Länge von 7 cm und 2 cm Umfang. Sie sind prächtig
grün mit hochgewölbten Ringen und zwei Reihen Warzen über den
Rücken, deren jede schwarzbraune Borstenhaare trägt. Den Rücken
scheidet auf jeder Seite ein goldgelber Streifen von der Bauchseite
und daran schliessen sich jederseits fünf silberglänzende Flecken um
die Athmungsöffnungen.

Ist die Raupe spinnreif, so lässt sie eine hellbraune Flüssigkeit
fallen und wird unruhig, steigt aber nicht empor, sondern zieht ein
oder mehrere Eichblätter, die sie auf der ihr zugewandten Seite über
spinnt, an sich heran und heftet daran ihren Cocon. Zu diesem Zweck
webt sie zunächst rings um sich herum ein transparentes Netz von
schöner gelblichgrüner Seide, durch welches man sie im Innern fleissig
arbeiten sieht. Nach etwa 6 Stunden ist dasselbe durch neue Schichten
undurchsichtig geworden und nach 6—8 Tagen die Verpuppung voll-
endet. Das Grün des äusseren Gewebes hat mittlerweile viel von
seiner Intensität verloren und ist in Grünlichgelb übergegangen. Die
Cocons sind fest, von schöner ellipsoidischer Form, ohne Einschnürung
in der Mitte, gegen 3 cm lang und 7 Gramm schwer. Ohne Puppe
wiegt ein solcher Cocon 70—80 cg, während ein larvenfreier Cocon
der Bombyx Mori noch nicht halb so schwer ist. Zehn Pfund Cocons
liefern etwa 1 kg Haspelseide. Die oberste Lage hat einen gröberen
Faden von grünlich gelber Farbe, aber die darunter befindlichen lie-
fern eine schöne grünlichweisse Seide, die sich fast ebenso leicht ab-
haspeln lässt, als bei B. Mori, wenn man die Cocons in heisses Wasser
taucht. Etwa 15 Tage nach dem Anfang der Verpuppung trennt man

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[247/0271] 4. Viehzucht und Seidenzucht. gesetzt werden, welche von einem hohen, überdachten Sitz in der Mitte der Pflanzung aus das Ganze überwacht. Die Entwickelung der Raupe bis zur Spinnreife nimmt etwa 60 Tage in Anspruch. Bei den Zuchten in Europa war die Durchschnittszeit 64 Tage. Dieselbe vertheilt sich auf die fünf Altersstufen so, dass auf die beiden ersten je 10 Tage, auf die 3. und 4. je 13 Tage und auf die letzte 18 Tage kommen. Diese Lebensdauer der Raupen unterliegt jedoch mancherlei Schwankungen. Durch höhere, gleich- mässige Temperatur und reichliches Futter kann sie auf 50 Tage ver- kürzt werden, anderseits sich bis gegen 80 Tage ausdehnen. Jeder Häutung geht ein 2—3 Tage langer Schlaf voraus, während dessen die Raupe bewegungslos sitzt, indem sie sich mit den hinteren Füssen festhält, den Vorderkörper aber sphynxähnlich emporhebt. Die Räupchen, welche beim Auskriechen 7 mm lang, an den Fuss- klauen röthlichbraun, sonst gelbgrün und mit zwei schwarzen Längs- streifen versehen sind, haben nach der vierten Häutung, wenn aus- gestreckt, eine Länge von 7 cm und 2 cm Umfang. Sie sind prächtig grün mit hochgewölbten Ringen und zwei Reihen Warzen über den Rücken, deren jede schwarzbraune Borstenhaare trägt. Den Rücken scheidet auf jeder Seite ein goldgelber Streifen von der Bauchseite und daran schliessen sich jederseits fünf silberglänzende Flecken um die Athmungsöffnungen. Ist die Raupe spinnreif, so lässt sie eine hellbraune Flüssigkeit fallen und wird unruhig, steigt aber nicht empor, sondern zieht ein oder mehrere Eichblätter, die sie auf der ihr zugewandten Seite über spinnt, an sich heran und heftet daran ihren Cocon. Zu diesem Zweck webt sie zunächst rings um sich herum ein transparentes Netz von schöner gelblichgrüner Seide, durch welches man sie im Innern fleissig arbeiten sieht. Nach etwa 6 Stunden ist dasselbe durch neue Schichten undurchsichtig geworden und nach 6—8 Tagen die Verpuppung voll- endet. Das Grün des äusseren Gewebes hat mittlerweile viel von seiner Intensität verloren und ist in Grünlichgelb übergegangen. Die Cocons sind fest, von schöner ellipsoidischer Form, ohne Einschnürung in der Mitte, gegen 3 cm lang und 7 Gramm schwer. Ohne Puppe wiegt ein solcher Cocon 70—80 cg, während ein larvenfreier Cocon der Bombyx Mori noch nicht halb so schwer ist. Zehn Pfund Cocons liefern etwa 1 kg Haspelseide. Die oberste Lage hat einen gröberen Faden von grünlich gelber Farbe, aber die darunter befindlichen lie- fern eine schöne grünlichweisse Seide, die sich fast ebenso leicht ab- haspeln lässt, als bei B. Mori, wenn man die Cocons in heisses Wasser taucht. Etwa 15 Tage nach dem Anfang der Verpuppung trennt man

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/271>, abgerufen am 22.11.2024.