Gottheit Taka-mi-musubi zu, welche zwei untergebenen Göttern Be- fehl ertheilte, dass sie Kodzu (Broussonetia) und Asa (Cannabis) pflanzen sollten, um die Rinde des einen und den Bast des andern zu gewinnen und zu verarbeiten.*) Noch jetzt werden die trüb indigo- blau gefärbten Gewebe, aus welchen ein ansehnlicher Theil der Land- bevölkerung sich Hosen und Kittel verfertigt, aus grobem Hanfgarn dargestellt, wie denn auch Fisch- und Moskitonetze aus solchen be- stehen. Aber auch feine weisse Gewebe, die unserer guten Leinwand wenig nachstehen und Nuno oder Jofu genannt werden, verfertigt man viel daraus.
Der Hanfbau ist über ganz Japan verbreitet; doch findet man ihn am häufigsten in den Gebirgsthälern und den nördlichen Ebenen, wo die Baumwolle nicht mehr fortkommt. Wie in vielen Theilen Deutsch- lands der Flachs, so wird hier der Hanf auf kleinen Parcellen und meist für den eigenen Bedarf gezogen. Klima und Boden sind seiner Cultur überaus günstig; er gedeiht vortrefflich, auch noch auf Yezo, wie wir aus Gärtner's zuverlässigen Mittheilungen wissen, und ist ohne Zweifel eins von denjenigen Gewächsen, welche sich für die japanische Landwirthschaft bei ihrer weiteren Ausdehnung und Entwickelung ganz besonders empfehlen. --
Bei der Ernte werden die Hanfstengel von den Blättern und Wur- zeln befreit und dann 4--6 Tage der Maceration in Wasser ausgesetzt. Man streift hierauf den gelockerten Bast mit den Händen ab und trocknet ihn, ebenso die Stengel, welche aussehen wie bastfreie Korb- weiden. Dieselben werden bei der Dachbedeckung verwendet, und zwar als unterste Lage über den Sparren, worauf eine Strohschicht sie überdeckt. Der japanische Hanfbast ist 1--1 1/2 m lang, zart, fest, seidenglänzend, also von vorzüglicher Qualität, und könnte zu einem hervorragenden Ausfuhrartikel werden, wenn die Cultur desselben eine grössere Ausdehnung gewinnen würde.
2) Gossypium herbaceum L. Die Japaner nennen diese wich- tigste aller Baumwollstauden, die einzige Art, welche sie cultivieren, Wata-no-ki oder Ki-wata und ihr Produkt Wata. Dieses Wort erinnert an unser "Watte", das französische "ouate" und analoge roma- nische Benennungen, sowie den Sanskritnamen badara für die Baum- wolle. Seine Ableitung von letzterem scheint, zumal da Indien die älteste Culturstätte der Pflanze ist, naturgemässer, als diejenige von Ovum, welche Diez giebt.
*) Siehe Satow: "The Shinto Temples of Ise". Transactions As. Soc. o. Ja- pan. Vol. II, pg. 129.
13*
3. Handelsgewächse.
Gottheit Taka-mi-musubi zu, welche zwei untergebenen Göttern Be- fehl ertheilte, dass sie Kôdzu (Broussonetia) und Asa (Cannabis) pflanzen sollten, um die Rinde des einen und den Bast des andern zu gewinnen und zu verarbeiten.*) Noch jetzt werden die trüb indigo- blau gefärbten Gewebe, aus welchen ein ansehnlicher Theil der Land- bevölkerung sich Hosen und Kittel verfertigt, aus grobem Hanfgarn dargestellt, wie denn auch Fisch- und Moskitonetze aus solchen be- stehen. Aber auch feine weisse Gewebe, die unserer guten Leinwand wenig nachstehen und Nuno oder Jôfu genannt werden, verfertigt man viel daraus.
Der Hanfbau ist über ganz Japan verbreitet; doch findet man ihn am häufigsten in den Gebirgsthälern und den nördlichen Ebenen, wo die Baumwolle nicht mehr fortkommt. Wie in vielen Theilen Deutsch- lands der Flachs, so wird hier der Hanf auf kleinen Parcellen und meist für den eigenen Bedarf gezogen. Klima und Boden sind seiner Cultur überaus günstig; er gedeiht vortrefflich, auch noch auf Yezo, wie wir aus Gärtner’s zuverlässigen Mittheilungen wissen, und ist ohne Zweifel eins von denjenigen Gewächsen, welche sich für die japanische Landwirthschaft bei ihrer weiteren Ausdehnung und Entwickelung ganz besonders empfehlen. —
Bei der Ernte werden die Hanfstengel von den Blättern und Wur- zeln befreit und dann 4—6 Tage der Maceration in Wasser ausgesetzt. Man streift hierauf den gelockerten Bast mit den Händen ab und trocknet ihn, ebenso die Stengel, welche aussehen wie bastfreie Korb- weiden. Dieselben werden bei der Dachbedeckung verwendet, und zwar als unterste Lage über den Sparren, worauf eine Strohschicht sie überdeckt. Der japanische Hanfbast ist 1—1 ½ m lang, zart, fest, seidenglänzend, also von vorzüglicher Qualität, und könnte zu einem hervorragenden Ausfuhrartikel werden, wenn die Cultur desselben eine grössere Ausdehnung gewinnen würde.
2) Gossypium herbaceum L. Die Japaner nennen diese wich- tigste aller Baumwollstauden, die einzige Art, welche sie cultivieren, Wata-no-ki oder Ki-wata und ihr Produkt Wata. Dieses Wort erinnert an unser »Watte«, das französische »ouate« und analoge roma- nische Benennungen, sowie den Sanskritnamen badarâ für die Baum- wolle. Seine Ableitung von letzterem scheint, zumal da Indien die älteste Culturstätte der Pflanze ist, naturgemässer, als diejenige von Ovum, welche Diez giebt.
*) Siehe Satow: »The Shintô Temples of Ise«. Transactions As. Soc. o. Ja- pan. Vol. II, pg. 129.
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fehl ertheilte, dass sie Kôdzu (Broussonetia) und Asa (Cannabis)
pflanzen sollten, um die Rinde des einen und den Bast des andern zu
gewinnen und zu verarbeiten. *) Noch jetzt werden die trüb indigo-
blau gefärbten Gewebe, aus welchen ein ansehnlicher Theil der Land-
bevölkerung sich Hosen und Kittel verfertigt, aus grobem Hanfgarn
dargestellt, wie denn auch Fisch- und Moskitonetze aus solchen be-
stehen. Aber auch feine weisse Gewebe, die unserer guten Leinwand
wenig nachstehen und Nuno oder Jôfu genannt werden, verfertigt man
viel daraus.
Der Hanfbau ist über ganz Japan verbreitet; doch findet man ihn
am häufigsten in den Gebirgsthälern und den nördlichen Ebenen, wo
die Baumwolle nicht mehr fortkommt. Wie in vielen Theilen Deutsch-
lands der Flachs, so wird hier der Hanf auf kleinen Parcellen und
meist für den eigenen Bedarf gezogen. Klima und Boden sind seiner
Cultur überaus günstig; er gedeiht vortrefflich, auch noch auf Yezo,
wie wir aus Gärtner’s zuverlässigen Mittheilungen wissen, und ist ohne
Zweifel eins von denjenigen Gewächsen, welche sich für die japanische
Landwirthschaft bei ihrer weiteren Ausdehnung und Entwickelung ganz
besonders empfehlen. —
Bei der Ernte werden die Hanfstengel von den Blättern und Wur-
zeln befreit und dann 4—6 Tage der Maceration in Wasser ausgesetzt.
Man streift hierauf den gelockerten Bast mit den Händen ab und
trocknet ihn, ebenso die Stengel, welche aussehen wie bastfreie Korb-
weiden. Dieselben werden bei der Dachbedeckung verwendet, und
zwar als unterste Lage über den Sparren, worauf eine Strohschicht
sie überdeckt. Der japanische Hanfbast ist 1—1 ½ m lang, zart, fest,
seidenglänzend, also von vorzüglicher Qualität, und könnte zu einem
hervorragenden Ausfuhrartikel werden, wenn die Cultur desselben eine
grössere Ausdehnung gewinnen würde.
2) Gossypium herbaceum L. Die Japaner nennen diese wich-
tigste aller Baumwollstauden, die einzige Art, welche sie cultivieren,
Wata-no-ki oder Ki-wata und ihr Produkt Wata. Dieses Wort
erinnert an unser »Watte«, das französische »ouate« und analoge roma-
nische Benennungen, sowie den Sanskritnamen badarâ für die Baum-
wolle. Seine Ableitung von letzterem scheint, zumal da Indien die
älteste Culturstätte der Pflanze ist, naturgemässer, als diejenige von
Ovum, welche Diez giebt.
*) Siehe Satow: »The Shintô Temples of Ise«. Transactions As. Soc. o. Ja-
pan. Vol. II, pg. 129.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/217>, abgerufen am 22.11.2024.
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