Ueber den Ausbruch auf Miyake-shima berichtete man damals an das Ministerium des Innern in Tokio Folgendes: "Den 3 ten Juli 1874 Vormittags 11 Uhr begann die Eruption des Nanahiro-yama mit grossem Geräusch. Unvergleichbar schrecklich zitterte die Erde und dröhnte es. Für Kamizuki-mura am Fusse des Berges blieb keine Zeit der Rettung, mit Ausnahme einer Familie. Um 12 Uhr sandte der alte Krater (O-ana, das grosse Loch) mächtige Steinmassen, wie kleine Hügel (?) und Asche ein ri weit, und von der See wurde ein Stück 15 cho (1636 m) lang und 3--4 cho breit gehoben und trockenes Land. Kleine Krater bildeten sich um den alten herum und sandten Steine hoch empor. Dieselben zerfielen beim Fallen in glühenden Sand. Alles wurde ringsum etwa 6 Meter hoch damit überlagert. Bei dem Orte Omori östlich von Kamizuki-mura bildeten sich plötz- lich vier neue Hügel, jeder etwa 5 cho hoch und 1 ri im Umfange. -- Am 10. Juli dauerte der Aschenregen noch fort". -- Frühere Anzeigen vom Eintreten dieses Ausbruches werden nicht genannt, doch war es den Leuten aufgefallen, dass schon im Januar die Yama- sakura-Bäume (Prunus pseudo-cerasus) im Walde des Berges geblüht hatten, deren Blüthen sonst erst im April erscheinen.
Der Asama-yama ist der imposanteste unter allen noch thätigen Vulkanen Japans. Seine Lava ist gleich der des On-take und Fuji-san doleritisch, Obsidian nicht wahrnehmbar. Die jüngeren Eruptionen brachten nur Aschenregen, während der letzte Lavastrom vor bald hundert Jahren nordwärts nach Kotsuke zum Bett des Wagatsura-gawa und dann diesem folgend nach Osten floss. Man kann dieses Lava- feld, dessen schwarzgraue Felsblöcke ausserordentlich wild durch- einander geworfen sind, -- eine Seltenheit in Japan -- von oben theil- weise überblicken. Der verhängnissvolle Ausbruch, von dem es her- rührt, fand im Nachsommer des Jahres 1783 statt und verbreitete weithin seine Schrecken. Der Lavastrom zerstörte einen berühmten Urwald und verschiedene Ortschaften. In seiner nördlichen Richtung, sowie gen Osten und Südosten flogen die glühenden Steinmassen weit- hin, und ein dichter Aschenregen verwandelte den Tag in finstere Nacht. Die Gegend des Nakasendo zwischen Oiwake und Usui-toge, welche vordem mit Ackerfeldern bedeckt war, wurde in eine Einöde verwandelt, 48 Dörfer hier und im Kreise Adzuma der Provinz Kotsuke (Gebiet des Wagatsura-gawa) und Tausende ihrer Bewohner gingen durch dieses furchtbare Ereigniss zu Grunde; Affen, Hirsche, Hunde und andere Thiere erlagen dem Regen glühender Steine und Asche, und diejenigen, welche vor ihm einen genügenden Schutz gefunden hatten, kamen dann vor Hunger um, weil die niederfallenden Aus-
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Wirkungen subterraner Kräfte.
Ueber den Ausbruch auf Miyake-shima berichtete man damals an das Ministerium des Innern in Tôkio Folgendes: »Den 3 ten Juli 1874 Vormittags 11 Uhr begann die Eruption des Nanahiro-yama mit grossem Geräusch. Unvergleichbar schrecklich zitterte die Erde und dröhnte es. Für Kamizuki-mura am Fusse des Berges blieb keine Zeit der Rettung, mit Ausnahme einer Familie. Um 12 Uhr sandte der alte Krater (O-ana, das grosse Loch) mächtige Steinmassen, wie kleine Hügel (?) und Asche ein ri weit, und von der See wurde ein Stück 15 chô (1636 m) lang und 3—4 chô breit gehoben und trockenes Land. Kleine Krater bildeten sich um den alten herum und sandten Steine hoch empor. Dieselben zerfielen beim Fallen in glühenden Sand. Alles wurde ringsum etwa 6 Meter hoch damit überlagert. Bei dem Orte Omori östlich von Kamizuki-mura bildeten sich plötz- lich vier neue Hügel, jeder etwa 5 chô hoch und 1 ri im Umfange. — Am 10. Juli dauerte der Aschenregen noch fort«. — Frühere Anzeigen vom Eintreten dieses Ausbruches werden nicht genannt, doch war es den Leuten aufgefallen, dass schon im Januar die Yama- sakura-Bäume (Prunus pseudo-cerasus) im Walde des Berges geblüht hatten, deren Blüthen sonst erst im April erscheinen.
Der Asama-yama ist der imposanteste unter allen noch thätigen Vulkanen Japans. Seine Lava ist gleich der des On-take und Fuji-san doleritisch, Obsidian nicht wahrnehmbar. Die jüngeren Eruptionen brachten nur Aschenregen, während der letzte Lavastrom vor bald hundert Jahren nordwärts nach Kotsuke zum Bett des Wagatsura-gawa und dann diesem folgend nach Osten floss. Man kann dieses Lava- feld, dessen schwarzgraue Felsblöcke ausserordentlich wild durch- einander geworfen sind, — eine Seltenheit in Japan — von oben theil- weise überblicken. Der verhängnissvolle Ausbruch, von dem es her- rührt, fand im Nachsommer des Jahres 1783 statt und verbreitete weithin seine Schrecken. Der Lavastrom zerstörte einen berühmten Urwald und verschiedene Ortschaften. In seiner nördlichen Richtung, sowie gen Osten und Südosten flogen die glühenden Steinmassen weit- hin, und ein dichter Aschenregen verwandelte den Tag in finstere Nacht. Die Gegend des Nakasendô zwischen Oiwake und Usui-tôge, welche vordem mit Ackerfeldern bedeckt war, wurde in eine Einöde verwandelt, 48 Dörfer hier und im Kreise Adzuma der Provinz Kotsuke (Gebiet des Wagatsura-gawa) und Tausende ihrer Bewohner gingen durch dieses furchtbare Ereigniss zu Grunde; Affen, Hirsche, Hunde und andere Thiere erlagen dem Regen glühender Steine und Asche, und diejenigen, welche vor ihm einen genügenden Schutz gefunden hatten, kamen dann vor Hunger um, weil die niederfallenden Aus-
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Wirkungen subterraner Kräfte.
Ueber den Ausbruch auf Miyake-shima berichtete man damals an
das Ministerium des Innern in Tôkio Folgendes: »Den 3 ten Juli 1874
Vormittags 11 Uhr begann die Eruption des Nanahiro-yama mit grossem
Geräusch. Unvergleichbar schrecklich zitterte die Erde und dröhnte
es. Für Kamizuki-mura am Fusse des Berges blieb keine Zeit der
Rettung, mit Ausnahme einer Familie. Um 12 Uhr sandte der alte
Krater (O-ana, das grosse Loch) mächtige Steinmassen, wie kleine
Hügel (?) und Asche ein ri weit, und von der See wurde ein Stück
15 chô (1636 m) lang und 3—4 chô breit gehoben und trockenes
Land. Kleine Krater bildeten sich um den alten herum und sandten
Steine hoch empor. Dieselben zerfielen beim Fallen in glühenden
Sand. Alles wurde ringsum etwa 6 Meter hoch damit überlagert.
Bei dem Orte Omori östlich von Kamizuki-mura bildeten sich plötz-
lich vier neue Hügel, jeder etwa 5 chô hoch und 1 ri im Umfange.
— Am 10. Juli dauerte der Aschenregen noch fort«. — Frühere
Anzeigen vom Eintreten dieses Ausbruches werden nicht genannt, doch
war es den Leuten aufgefallen, dass schon im Januar die Yama-
sakura-Bäume (Prunus pseudo-cerasus) im Walde des Berges geblüht
hatten, deren Blüthen sonst erst im April erscheinen.
Der Asama-yama ist der imposanteste unter allen noch thätigen
Vulkanen Japans. Seine Lava ist gleich der des On-take und Fuji-san
doleritisch, Obsidian nicht wahrnehmbar. Die jüngeren Eruptionen
brachten nur Aschenregen, während der letzte Lavastrom vor bald
hundert Jahren nordwärts nach Kotsuke zum Bett des Wagatsura-gawa
und dann diesem folgend nach Osten floss. Man kann dieses Lava-
feld, dessen schwarzgraue Felsblöcke ausserordentlich wild durch-
einander geworfen sind, — eine Seltenheit in Japan — von oben theil-
weise überblicken. Der verhängnissvolle Ausbruch, von dem es her-
rührt, fand im Nachsommer des Jahres 1783 statt und verbreitete
weithin seine Schrecken. Der Lavastrom zerstörte einen berühmten
Urwald und verschiedene Ortschaften. In seiner nördlichen Richtung,
sowie gen Osten und Südosten flogen die glühenden Steinmassen weit-
hin, und ein dichter Aschenregen verwandelte den Tag in finstere
Nacht. Die Gegend des Nakasendô zwischen Oiwake und Usui-tôge,
welche vordem mit Ackerfeldern bedeckt war, wurde in eine Einöde
verwandelt, 48 Dörfer hier und im Kreise Adzuma der Provinz Kotsuke
(Gebiet des Wagatsura-gawa) und Tausende ihrer Bewohner gingen
durch dieses furchtbare Ereigniss zu Grunde; Affen, Hirsche, Hunde
und andere Thiere erlagen dem Regen glühender Steine und Asche,
und diejenigen, welche vor ihm einen genügenden Schutz gefunden
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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