Mauer oder Graben". Das Fremdenviertel breitet sich mit seinen sauberen Häusern und geräumigen Strassen der Küste (Ura) entlang aus, das chinesische Quartier liegt wie in Yokohama etwas mehr zurück. Da Nagasaki kein so productives Hinterland hat als Yoko- hama und selbst Kobe, so ist sein Handel zurück gegangen. Die Bedeutung des Hafens für den Verkehr mit China und Korea, wozu er sich seiner günstigen Lage nach besonders eignet, wird dagegen wahrscheinlich immer mehr steigen. Unter den Industriezweigen von Nagasaki sind in erster Linie die Schildpattarbeiten, sodann ordinäre Lackarbeiten mit Perlmuttereinlage, und lackierte Thonwaaren zu nennen. Ausser diesen Gegenständen und Arita-Porzellan gelangen über Nagasaki zur Ausfuhr: Tabak, Thee, Pflanzentalg, Kampher und mehrere andere unbedeutendere Artikel.
Wie schon Kaempfer hervorhob, gehörte Nagasaki zu den fünf reichsten und wichtigsten Handelsstädten Japans *), welche als Do- mänen der Shogune durch Gouverneure verwaltet wurden. Ehedem im Besitze des Daimio von Omura, war es durch den Verkehr mit den Portugiesen aus einem bescheidenen Fischerdorfe zu einer reichen und ansehnlichen Handelsstadt emporblüht. Aber bereits 1586 wurde die Stadt durch Taiko-sama dem Daimio von Omura entrissen und als Eigenthum der Centralregierung erklärt, und aller auswärtige Verkehr auf ihren Hafen beschränkt. Es war eine der ersten Proben der Ungnade, in welche die Christen und ihre Beschützer, die Daimio von Bungo, Arima, Omura, Amakusa, Hirato, theilweise durch die Insolenz verschiedener portugiesischer Priester gefallen waren, der bald weitere folgen sollten.
Der fremde Ankömmling in Nagasaki wird nicht versäumen De- shima, die alte Factorei der Holländer, aufzusuchen, wo diese wie Diebe abgesondert und bewacht und unter manchen sonstigen de- müthigenden Bedingungen, die grossen Vortheile des Handelsmonopols genossen und zwar von 1639--1859. De-shima, d. h. die Vor-Insel, war ein zu diesem Zweck künstlich geschaffenes kleines Inselchen von nur 200 Meter Länge und 60 Meter Breite, in Gestalt eines aus- gebreiteten Fächers ohne Griff, auf der Südspitze der Stadt gelegen und von ihr nur durch einen Graben getrennt. Die kleine, steinerne Brücke, ihr einziger Zugang vom Lande aus, war streng bewacht und jede Person, die aus- und einging, unter beständiger Controlle. Diese Schranken sind endlich gefallen. Das neue De-shima hat seinen alten Charakter verloren, selbst bezüglich der Gebäude, da vor einer
*) Die vier anderen waren Kioto, Yedo, Osaka und Sakai.
VIII. Kiushiu.
Mauer oder Graben«. Das Fremdenviertel breitet sich mit seinen sauberen Häusern und geräumigen Strassen der Küste (Ura) entlang aus, das chinesische Quartier liegt wie in Yokohama etwas mehr zurück. Da Nagasaki kein so productives Hinterland hat als Yoko- hama und selbst Kobe, so ist sein Handel zurück gegangen. Die Bedeutung des Hafens für den Verkehr mit China und Korea, wozu er sich seiner günstigen Lage nach besonders eignet, wird dagegen wahrscheinlich immer mehr steigen. Unter den Industriezweigen von Nagasaki sind in erster Linie die Schildpattarbeiten, sodann ordinäre Lackarbeiten mit Perlmuttereinlage, und lackierte Thonwaaren zu nennen. Ausser diesen Gegenständen und Arita-Porzellan gelangen über Nagasaki zur Ausfuhr: Tabak, Thee, Pflanzentalg, Kampher und mehrere andere unbedeutendere Artikel.
Wie schon Kaempfer hervorhob, gehörte Nagasaki zu den fünf reichsten und wichtigsten Handelsstädten Japans *), welche als Do- mänen der Shôgune durch Gouverneure verwaltet wurden. Ehedem im Besitze des Daimio von Ômura, war es durch den Verkehr mit den Portugiesen aus einem bescheidenen Fischerdorfe zu einer reichen und ansehnlichen Handelsstadt emporblüht. Aber bereits 1586 wurde die Stadt durch Taikô-sama dem Daimio von Ômura entrissen und als Eigenthum der Centralregierung erklärt, und aller auswärtige Verkehr auf ihren Hafen beschränkt. Es war eine der ersten Proben der Ungnade, in welche die Christen und ihre Beschützer, die Daimio von Bungo, Arima, Ômura, Amakusa, Hirato, theilweise durch die Insolenz verschiedener portugiesischer Priester gefallen waren, der bald weitere folgen sollten.
Der fremde Ankömmling in Nagasaki wird nicht versäumen De- shima, die alte Factorei der Holländer, aufzusuchen, wo diese wie Diebe abgesondert und bewacht und unter manchen sonstigen de- müthigenden Bedingungen, die grossen Vortheile des Handelsmonopols genossen und zwar von 1639—1859. De-shima, d. h. die Vor-Insel, war ein zu diesem Zweck künstlich geschaffenes kleines Inselchen von nur 200 Meter Länge und 60 Meter Breite, in Gestalt eines aus- gebreiteten Fächers ohne Griff, auf der Südspitze der Stadt gelegen und von ihr nur durch einen Graben getrennt. Die kleine, steinerne Brücke, ihr einziger Zugang vom Lande aus, war streng bewacht und jede Person, die aus- und einging, unter beständiger Controlle. Diese Schranken sind endlich gefallen. Das neue De-shima hat seinen alten Charakter verloren, selbst bezüglich der Gebäude, da vor einer
*) Die vier anderen waren Kiôto, Yedo, Ôsaka und Sakai.
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VIII. Kiushiu.
Mauer oder Graben«. Das Fremdenviertel breitet sich mit seinen
sauberen Häusern und geräumigen Strassen der Küste (Ura) entlang
aus, das chinesische Quartier liegt wie in Yokohama etwas mehr
zurück. Da Nagasaki kein so productives Hinterland hat als Yoko-
hama und selbst Kobe, so ist sein Handel zurück gegangen. Die
Bedeutung des Hafens für den Verkehr mit China und Korea, wozu
er sich seiner günstigen Lage nach besonders eignet, wird dagegen
wahrscheinlich immer mehr steigen. Unter den Industriezweigen von
Nagasaki sind in erster Linie die Schildpattarbeiten, sodann ordinäre
Lackarbeiten mit Perlmuttereinlage, und lackierte Thonwaaren zu
nennen. Ausser diesen Gegenständen und Arita-Porzellan gelangen
über Nagasaki zur Ausfuhr: Tabak, Thee, Pflanzentalg, Kampher
und mehrere andere unbedeutendere Artikel.
Wie schon Kaempfer hervorhob, gehörte Nagasaki zu den fünf
reichsten und wichtigsten Handelsstädten Japans *), welche als Do-
mänen der Shôgune durch Gouverneure verwaltet wurden. Ehedem
im Besitze des Daimio von Ômura, war es durch den Verkehr mit
den Portugiesen aus einem bescheidenen Fischerdorfe zu einer reichen
und ansehnlichen Handelsstadt emporblüht. Aber bereits 1586 wurde
die Stadt durch Taikô-sama dem Daimio von Ômura entrissen und
als Eigenthum der Centralregierung erklärt, und aller auswärtige
Verkehr auf ihren Hafen beschränkt. Es war eine der ersten Proben
der Ungnade, in welche die Christen und ihre Beschützer, die Daimio
von Bungo, Arima, Ômura, Amakusa, Hirato, theilweise durch die
Insolenz verschiedener portugiesischer Priester gefallen waren, der
bald weitere folgen sollten.
Der fremde Ankömmling in Nagasaki wird nicht versäumen De-
shima, die alte Factorei der Holländer, aufzusuchen, wo diese wie
Diebe abgesondert und bewacht und unter manchen sonstigen de-
müthigenden Bedingungen, die grossen Vortheile des Handelsmonopols
genossen und zwar von 1639—1859. De-shima, d. h. die Vor-Insel,
war ein zu diesem Zweck künstlich geschaffenes kleines Inselchen
von nur 200 Meter Länge und 60 Meter Breite, in Gestalt eines aus-
gebreiteten Fächers ohne Griff, auf der Südspitze der Stadt gelegen
und von ihr nur durch einen Graben getrennt. Die kleine, steinerne
Brücke, ihr einziger Zugang vom Lande aus, war streng bewacht
und jede Person, die aus- und einging, unter beständiger Controlle.
Diese Schranken sind endlich gefallen. Das neue De-shima hat seinen
alten Charakter verloren, selbst bezüglich der Gebäude, da vor einer
*) Die vier anderen waren Kiôto, Yedo, Ôsaka und Sakai.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/651>, abgerufen am 22.11.2024.
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