hohe, gebeugte Alter, die yusuri-Zweige, bei welchen neue Blätter hervorschiessen, bevor noch die alten abgefallen sind, werden als Sinnbilder der durch Kinder und Kindeskinder fortdauernden Familie gedeutet. Selten fehlt dem shime-nawa der Schmuck eines oder mehrerer Zweige der immergrünen Nandina mit ihren herrlichen Fruchttrauben voll rother Beeren, noch weniger der schönen kleinen Orangen, Daidai (Citrus bigaradia Duham.), welche man auch oft an den Zweigen des Bambusrohres anbringt. Hiermit sind die Decora- tionsobjecte in der Regel noch nicht erschöpft, doch haben alle übrigen jedenfalls weit geringere Bedeutung.
Am Neujahrstage oder Guwan-jitsu selbst soll der Japaner wachend, gewaschen und festlich geschmückt die aufgehende Sonne begrüssen, dann den Göttern des Himmels und der Erde seinen Dank abstatten, hierauf sich vor den ihai (Täfelchen) seiner Ahnen am Hausaltar verneigen und nun erst seine Aufmerksamkeit den Leben- den zuwenden. Man begrüsst sich und wünscht sich "man-zai-raku, zehntausendjähriges Glück". Dabei verlangt die Sitte fröhliche Ge- sichter und bietet zu deren Förderung Speise und Trank. Zoni, ein gekochtes Gemisch aus Fisch, glutinösem Reis und Gemüsen, das nur am Neujahrstage vorkommt, wird gereicht und toso, ein mit Gewürzen versetzter sake, dazu getrunken.
Mancherlei sonstige Sitten und viel Aberglauben zeichnen das Neu- jahrsfest aus. Man macht sich an demselben gegenseitige Geschenke und sucht sich auf verschiedene Weise das in den Begrüssungen aus- gesprochene Glück zu sichern. Das Haus darf nicht gekehrt werden, damit dieses Glück nicht fortgejagt wird. Das bekannte takara- bune (Glücksschiff), ein Bild, welches die sieben Glücksgötter (siehe Religionen) in einem Boote auf dem Meere darstellt, wird unter das makura (den Kopfschemel) beim Schlafengehen gelegt, weil dies eben- falls Glück und angenehme Träume für das ganze Jahr bedeutet etc.
Die Adoptierung unseres Kalenders und Verlegung des Guwan- jitsu von Mitte oder Ende Februar auf den ersten Januar war ein gewaltiger Schlag gegen den alten Aberglauben und mancherlei, viele Jahrhunderte hindurch befolgte Sitten, welche mit dem Neujahr ver- bunden waren. Nicht mehr passt die Benennung Rissin (Frühlings- erwachen) für die ersten Wochen des jetzigen japanischen neuen Jahres, an dem das Wetter sich selten zu den altgewohnten Ver- gnügungen in freier Luft eignet, dem Drachensteigen und Pfeil- und Bogen-Spiel der Knaben, dem Schlagbrett und Federballspiel (hagoita und oyobane) der Mädchen. Auch die ambulierenden Künstler in den Strassen, welche früher Alt und Jung erheiterten, haben der
II. Ethnographie.
hohe, gebeugte Alter, die yusuri-Zweige, bei welchen neue Blätter hervorschiessen, bevor noch die alten abgefallen sind, werden als Sinnbilder der durch Kinder und Kindeskinder fortdauernden Familie gedeutet. Selten fehlt dem shime-nawa der Schmuck eines oder mehrerer Zweige der immergrünen Nandina mit ihren herrlichen Fruchttrauben voll rother Beeren, noch weniger der schönen kleinen Orangen, Daidai (Citrus bigaradia Duham.), welche man auch oft an den Zweigen des Bambusrohres anbringt. Hiermit sind die Decora- tionsobjecte in der Regel noch nicht erschöpft, doch haben alle übrigen jedenfalls weit geringere Bedeutung.
Am Neujahrstage oder Guwan-jitsu selbst soll der Japaner wachend, gewaschen und festlich geschmückt die aufgehende Sonne begrüssen, dann den Göttern des Himmels und der Erde seinen Dank abstatten, hierauf sich vor den ihai (Täfelchen) seiner Ahnen am Hausaltar verneigen und nun erst seine Aufmerksamkeit den Leben- den zuwenden. Man begrüsst sich und wünscht sich »man-zai-raku, zehntausendjähriges Glück«. Dabei verlangt die Sitte fröhliche Ge- sichter und bietet zu deren Förderung Speise und Trank. Zoni, ein gekochtes Gemisch aus Fisch, glutinösem Reis und Gemüsen, das nur am Neujahrstage vorkommt, wird gereicht und toso, ein mit Gewürzen versetzter sake, dazu getrunken.
Mancherlei sonstige Sitten und viel Aberglauben zeichnen das Neu- jahrsfest aus. Man macht sich an demselben gegenseitige Geschenke und sucht sich auf verschiedene Weise das in den Begrüssungen aus- gesprochene Glück zu sichern. Das Haus darf nicht gekehrt werden, damit dieses Glück nicht fortgejagt wird. Das bekannte takara- bune (Glücksschiff), ein Bild, welches die sieben Glücksgötter (siehe Religionen) in einem Boote auf dem Meere darstellt, wird unter das makura (den Kopfschemel) beim Schlafengehen gelegt, weil dies eben- falls Glück und angenehme Träume für das ganze Jahr bedeutet etc.
Die Adoptierung unseres Kalenders und Verlegung des Guwan- jitsu von Mitte oder Ende Februar auf den ersten Januar war ein gewaltiger Schlag gegen den alten Aberglauben und mancherlei, viele Jahrhunderte hindurch befolgte Sitten, welche mit dem Neujahr ver- bunden waren. Nicht mehr passt die Benennung Rissin (Frühlings- erwachen) für die ersten Wochen des jetzigen japanischen neuen Jahres, an dem das Wetter sich selten zu den altgewohnten Ver- gnügungen in freier Luft eignet, dem Drachensteigen und Pfeil- und Bogen-Spiel der Knaben, dem Schlagbrett und Federballspiel (hagoita und oyobane) der Mädchen. Auch die ambulierenden Künstler in den Strassen, welche früher Alt und Jung erheiterten, haben der
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II. Ethnographie.
hohe, gebeugte Alter, die yusuri-Zweige, bei welchen neue Blätter
hervorschiessen, bevor noch die alten abgefallen sind, werden als
Sinnbilder der durch Kinder und Kindeskinder fortdauernden Familie
gedeutet. Selten fehlt dem shime-nawa der Schmuck eines oder
mehrerer Zweige der immergrünen Nandina mit ihren herrlichen
Fruchttrauben voll rother Beeren, noch weniger der schönen kleinen
Orangen, Daidai (Citrus bigaradia Duham.), welche man auch oft an
den Zweigen des Bambusrohres anbringt. Hiermit sind die Decora-
tionsobjecte in der Regel noch nicht erschöpft, doch haben alle übrigen
jedenfalls weit geringere Bedeutung.
Am Neujahrstage oder Guwan-jitsu selbst soll der Japaner
wachend, gewaschen und festlich geschmückt die aufgehende Sonne
begrüssen, dann den Göttern des Himmels und der Erde seinen Dank
abstatten, hierauf sich vor den ihai (Täfelchen) seiner Ahnen am
Hausaltar verneigen und nun erst seine Aufmerksamkeit den Leben-
den zuwenden. Man begrüsst sich und wünscht sich »man-zai-raku,
zehntausendjähriges Glück«. Dabei verlangt die Sitte fröhliche Ge-
sichter und bietet zu deren Förderung Speise und Trank. Zoni,
ein gekochtes Gemisch aus Fisch, glutinösem Reis und Gemüsen, das
nur am Neujahrstage vorkommt, wird gereicht und toso, ein mit
Gewürzen versetzter sake, dazu getrunken.
Mancherlei sonstige Sitten und viel Aberglauben zeichnen das Neu-
jahrsfest aus. Man macht sich an demselben gegenseitige Geschenke
und sucht sich auf verschiedene Weise das in den Begrüssungen aus-
gesprochene Glück zu sichern. Das Haus darf nicht gekehrt werden,
damit dieses Glück nicht fortgejagt wird. Das bekannte takara-
bune (Glücksschiff), ein Bild, welches die sieben Glücksgötter (siehe
Religionen) in einem Boote auf dem Meere darstellt, wird unter das
makura (den Kopfschemel) beim Schlafengehen gelegt, weil dies eben-
falls Glück und angenehme Träume für das ganze Jahr bedeutet etc.
Die Adoptierung unseres Kalenders und Verlegung des Guwan-
jitsu von Mitte oder Ende Februar auf den ersten Januar war ein
gewaltiger Schlag gegen den alten Aberglauben und mancherlei, viele
Jahrhunderte hindurch befolgte Sitten, welche mit dem Neujahr ver-
bunden waren. Nicht mehr passt die Benennung Rissin (Frühlings-
erwachen) für die ersten Wochen des jetzigen japanischen neuen
Jahres, an dem das Wetter sich selten zu den altgewohnten Ver-
gnügungen in freier Luft eignet, dem Drachensteigen und Pfeil- und
Bogen-Spiel der Knaben, dem Schlagbrett und Federballspiel (hagoita
und oyobane) der Mädchen. Auch die ambulierenden Künstler in
den Strassen, welche früher Alt und Jung erheiterten, haben der
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/542>, abgerufen am 25.11.2024.
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