5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc.
Go-sekku finden am ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten Tage des ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten Monats be- ziehungsweise statt und werden desshalb auch als sho-guwatsu-no- sekku, san-guwatsu-no-sekku, go-guwatsu-no-sekku, shichi-guwatsu- no-sekku und ku-guwatsu-no-sekku bezeichnet. Am elften Tage des elften Monats ist kein Volksfest und im ganzen Monat auch kein Tempelfest, weil um diese Zeit einem alten Glauben nach die Kami- oder Shinto-Götter des Landes sich alle zur Berathung in Idzumo versammeln.
Unter allen Festen des Jahres steht, was Ausdehnung und all- gemeine Theilnahme betrifft, das Fest am ersten Tage des ersten Monats, das gan-jitsu (eigentlich guwan-jitsu) oder der Funda- mental-Tag, oben an. Zu Neujahr ruht alle Arbeit, selbst bei den Chinesen. Mancher feiert gleich den Boers in Transvaal 14 Tage lang Neujahr; an den drei ersten Tagen, den san-ga-nichi, aber lässt Jedermann die Arbeit ruhen.
Das herannahende Fest kündet sich allenthalben schon äusserlich an. Wie der Norddeutsche seine Thür zu Pfingsten mit frischen Maien schmückt und damit seiner Freude über das Wiedererwachen der Natur Ausdruck gibt, so ziert jeder Japaner, wenn auch aus anderen Beweggründen, seinen Hauseingang mit verschiedenen immer- grünen Lieblingen seines Landes. Bei dieser Decoration, shime- kazari genannt, ragen besonders matsu (Kiefern), take (Bambusrohr), urashiro (Polypodium dichotomum und Pteris-Arten) und nanten (Nan- dina domestica) hervor. Diese Gewächse haben alle eine symbolische Bedeutung. Das schlanke Bambusrohr mit seinen vielen Knoten und die den Stürmen trotzende matsu sollen langes, gesundes Leben an- zeigen. Man postiert rechts am Eingange eine rothstämmige me-matsu (Pinus densiflora), links eine schwarze o-matsu (Pinus Massoniana). Jene bezeichnet das weibliche (me) Princip, diese das männliche (o), und so symbolisieren sie zugleich eine glückliche Ehe. Dicht am Hause erheben sich die schlanken Bambusrohre mit ihren zierlichen Aesten und Blättern. Das shime-nawa (Decorations-Strohseil), welches als eine Art Guirlande über dem Eingange hinführt, verbindet dieselben beiderseits. Es wird aus 7, 5 oder 3 Enden geflochten, soll, wie beim Torii der Shintotempel, das Reine vom Unreinen schei- den und diesem dem Eingang wehren, welches auch die Bedeutung eines Stückes Kohle ist, das unter anderen Emblemen dem shime- nawa beigefügt ist. Zu diesen weiteren Sinnbildern gehört nament- lich ein gekochter yebisu (Heuschreckenkrebs) in der Mitte, umgeben mit Zweigen des yusuri (Melia japonica). Der Krebs bezeichnet das
5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc.
Go-sekku finden am ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten Tage des ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten Monats be- ziehungsweise statt und werden desshalb auch als shô-guwatsu-no- sekku, san-guwatsu-no-sekku, go-guwatsu-no-sekku, shichi-guwatsu- no-sekku und ku-guwatsu-no-sekku bezeichnet. Am elften Tage des elften Monats ist kein Volksfest und im ganzen Monat auch kein Tempelfest, weil um diese Zeit einem alten Glauben nach die Kami- oder Shintô-Götter des Landes sich alle zur Berathung in Idzumo versammeln.
Unter allen Festen des Jahres steht, was Ausdehnung und all- gemeine Theilnahme betrifft, das Fest am ersten Tage des ersten Monats, das gan-jitsu (eigentlich guwan-jitsu) oder der Funda- mental-Tag, oben an. Zu Neujahr ruht alle Arbeit, selbst bei den Chinesen. Mancher feiert gleich den Boers in Transvaal 14 Tage lang Neujahr; an den drei ersten Tagen, den san-ga-nichi, aber lässt Jedermann die Arbeit ruhen.
Das herannahende Fest kündet sich allenthalben schon äusserlich an. Wie der Norddeutsche seine Thür zu Pfingsten mit frischen Maien schmückt und damit seiner Freude über das Wiedererwachen der Natur Ausdruck gibt, so ziert jeder Japaner, wenn auch aus anderen Beweggründen, seinen Hauseingang mit verschiedenen immer- grünen Lieblingen seines Landes. Bei dieser Decoration, shime- kazari genannt, ragen besonders matsu (Kiefern), take (Bambusrohr), urashiro (Polypodium dichotomum und Pteris-Arten) und nanten (Nan- dina domestica) hervor. Diese Gewächse haben alle eine symbolische Bedeutung. Das schlanke Bambusrohr mit seinen vielen Knoten und die den Stürmen trotzende matsu sollen langes, gesundes Leben an- zeigen. Man postiert rechts am Eingange eine rothstämmige me-matsu (Pinus densiflora), links eine schwarze o-matsu (Pinus Massoniana). Jene bezeichnet das weibliche (me) Princip, diese das männliche (o), und so symbolisieren sie zugleich eine glückliche Ehe. Dicht am Hause erheben sich die schlanken Bambusrohre mit ihren zierlichen Aesten und Blättern. Das shime-nawa (Decorations-Strohseil), welches als eine Art Guirlande über dem Eingange hinführt, verbindet dieselben beiderseits. Es wird aus 7, 5 oder 3 Enden geflochten, soll, wie beim Torii der Shintôtempel, das Reine vom Unreinen schei- den und diesem dem Eingang wehren, welches auch die Bedeutung eines Stückes Kohle ist, das unter anderen Emblemen dem shime- nawa beigefügt ist. Zu diesen weiteren Sinnbildern gehört nament- lich ein gekochter yebisu (Heuschreckenkrebs) in der Mitte, umgeben mit Zweigen des yusuri (Melia japonica). Der Krebs bezeichnet das
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5. Kalender und Volksfeste. Sexagesimal-Cyclus etc.
Go-sekku finden am ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten
Tage des ersten, dritten, fünften, siebenten und neunten Monats be-
ziehungsweise statt und werden desshalb auch als shô-guwatsu-no-
sekku, san-guwatsu-no-sekku, go-guwatsu-no-sekku, shichi-guwatsu-
no-sekku und ku-guwatsu-no-sekku bezeichnet. Am elften Tage des
elften Monats ist kein Volksfest und im ganzen Monat auch kein
Tempelfest, weil um diese Zeit einem alten Glauben nach die Kami-
oder Shintô-Götter des Landes sich alle zur Berathung in Idzumo
versammeln.
Unter allen Festen des Jahres steht, was Ausdehnung und all-
gemeine Theilnahme betrifft, das Fest am ersten Tage des ersten
Monats, das gan-jitsu (eigentlich guwan-jitsu) oder der Funda-
mental-Tag, oben an. Zu Neujahr ruht alle Arbeit, selbst bei den
Chinesen. Mancher feiert gleich den Boers in Transvaal 14 Tage lang
Neujahr; an den drei ersten Tagen, den san-ga-nichi, aber lässt
Jedermann die Arbeit ruhen.
Das herannahende Fest kündet sich allenthalben schon äusserlich
an. Wie der Norddeutsche seine Thür zu Pfingsten mit frischen
Maien schmückt und damit seiner Freude über das Wiedererwachen
der Natur Ausdruck gibt, so ziert jeder Japaner, wenn auch aus
anderen Beweggründen, seinen Hauseingang mit verschiedenen immer-
grünen Lieblingen seines Landes. Bei dieser Decoration, shime-
kazari genannt, ragen besonders matsu (Kiefern), take (Bambusrohr),
urashiro (Polypodium dichotomum und Pteris-Arten) und nanten (Nan-
dina domestica) hervor. Diese Gewächse haben alle eine symbolische
Bedeutung. Das schlanke Bambusrohr mit seinen vielen Knoten und
die den Stürmen trotzende matsu sollen langes, gesundes Leben an-
zeigen. Man postiert rechts am Eingange eine rothstämmige me-matsu
(Pinus densiflora), links eine schwarze o-matsu (Pinus Massoniana).
Jene bezeichnet das weibliche (me) Princip, diese das männliche (o),
und so symbolisieren sie zugleich eine glückliche Ehe. Dicht am
Hause erheben sich die schlanken Bambusrohre mit ihren zierlichen
Aesten und Blättern. Das shime-nawa (Decorations-Strohseil),
welches als eine Art Guirlande über dem Eingange hinführt, verbindet
dieselben beiderseits. Es wird aus 7, 5 oder 3 Enden geflochten,
soll, wie beim Torii der Shintôtempel, das Reine vom Unreinen schei-
den und diesem dem Eingang wehren, welches auch die Bedeutung
eines Stückes Kohle ist, das unter anderen Emblemen dem shime-
nawa beigefügt ist. Zu diesen weiteren Sinnbildern gehört nament-
lich ein gekochter yebisu (Heuschreckenkrebs) in der Mitte, umgeben
mit Zweigen des yusuri (Melia japonica). Der Krebs bezeichnet das
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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