Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc. zu ihren Eltern ausübte. Die Scheidungsgründe, welche schonConfucius aufgestellt hatte, waren: Ungehorsam der Frau gegen ihre Schwiegereltern, Unfruchtbarkeit, lose Reden und Trunksucht, Eifer- sucht, unflätige Krankheiten, Diebstahl und -- Schwatzhaftigkeit. Doch kam dieses grosse Vorrecht selten in Anwendung, zumal wenn die Ehe mit Kindern gesegnet war. Erziehung und Sitte verlangten, dass die Frau besonders dann mit Güte und Achtung behandelt wurde. So stand und steht sie unter allen Frauen asiatischer Völker doch am freiesten und angesehensten da und spielt auch in der Landes- geschichte eine ehrenvolle Rolle. Ihre Aufgabe ist, dem Manne das Leben zu erheitern. Sie erstrebt dies durch ein heiteres Temperament, grosse Reinlichkeit in Kleidung und Haus, wird eine sorgsame Haus- frau und eine liebevolle, zärtliche Mutter und findet in dieser Stellung ihre wahre Würde. Die Sitte gebot ihr bis vor kurzem, durch das Abrasieren der Augenbrauen und Schwärzen der Zähne dem Streben, nach aussen zu gefallen, ganz zu entsagen, denn nach Iyeyasu sind ihre Pflichten nach innen, die Aufgaben des Mannes aber nach aussen gerichtet. Die japanische Frau ist die erste Dienerin des Hauses. Schon Polygamie war im alten Japan eine weit verbreitete Sitte. Iye- Das Bekanntwerden mit den europäischen Sitten und Gesetzen, 4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc. zu ihren Eltern ausübte. Die Scheidungsgründe, welche schonConfucius aufgestellt hatte, waren: Ungehorsam der Frau gegen ihre Schwiegereltern, Unfruchtbarkeit, lose Reden und Trunksucht, Eifer- sucht, unflätige Krankheiten, Diebstahl und — Schwatzhaftigkeit. Doch kam dieses grosse Vorrecht selten in Anwendung, zumal wenn die Ehe mit Kindern gesegnet war. Erziehung und Sitte verlangten, dass die Frau besonders dann mit Güte und Achtung behandelt wurde. So stand und steht sie unter allen Frauen asiatischer Völker doch am freiesten und angesehensten da und spielt auch in der Landes- geschichte eine ehrenvolle Rolle. Ihre Aufgabe ist, dem Manne das Leben zu erheitern. Sie erstrebt dies durch ein heiteres Temperament, grosse Reinlichkeit in Kleidung und Haus, wird eine sorgsame Haus- frau und eine liebevolle, zärtliche Mutter und findet in dieser Stellung ihre wahre Würde. Die Sitte gebot ihr bis vor kurzem, durch das Abrasieren der Augenbrauen und Schwärzen der Zähne dem Streben, nach aussen zu gefallen, ganz zu entsagen, denn nach Iyeyasu sind ihre Pflichten nach innen, die Aufgaben des Mannes aber nach aussen gerichtet. Die japanische Frau ist die erste Dienerin des Hauses. Schon Polygamie war im alten Japan eine weit verbreitete Sitte. Iye- Das Bekanntwerden mit den europäischen Sitten und Gesetzen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0527" n="493"/><fw place="top" type="header">4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc.</fw><lb/> zu ihren Eltern ausübte. Die Scheidungsgründe, welche schon<lb/> Confucius aufgestellt hatte, waren: Ungehorsam der Frau gegen ihre<lb/> Schwiegereltern, Unfruchtbarkeit, lose Reden und Trunksucht, Eifer-<lb/> sucht, unflätige Krankheiten, Diebstahl und — Schwatzhaftigkeit.<lb/> Doch kam dieses grosse Vorrecht selten in Anwendung, zumal wenn<lb/> die Ehe mit Kindern gesegnet war. Erziehung und Sitte verlangten,<lb/> dass die Frau besonders dann mit Güte und Achtung behandelt wurde.<lb/> So stand und steht sie unter allen Frauen asiatischer Völker doch<lb/> am freiesten und angesehensten da und spielt auch in der Landes-<lb/> geschichte eine ehrenvolle Rolle. Ihre Aufgabe ist, dem Manne das<lb/> Leben zu erheitern. 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4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc.
zu ihren Eltern ausübte. Die Scheidungsgründe, welche schon
Confucius aufgestellt hatte, waren: Ungehorsam der Frau gegen ihre
Schwiegereltern, Unfruchtbarkeit, lose Reden und Trunksucht, Eifer-
sucht, unflätige Krankheiten, Diebstahl und — Schwatzhaftigkeit.
Doch kam dieses grosse Vorrecht selten in Anwendung, zumal wenn
die Ehe mit Kindern gesegnet war. Erziehung und Sitte verlangten,
dass die Frau besonders dann mit Güte und Achtung behandelt wurde.
So stand und steht sie unter allen Frauen asiatischer Völker doch
am freiesten und angesehensten da und spielt auch in der Landes-
geschichte eine ehrenvolle Rolle. Ihre Aufgabe ist, dem Manne das
Leben zu erheitern. Sie erstrebt dies durch ein heiteres Temperament,
grosse Reinlichkeit in Kleidung und Haus, wird eine sorgsame Haus-
frau und eine liebevolle, zärtliche Mutter und findet in dieser Stellung
ihre wahre Würde. Die Sitte gebot ihr bis vor kurzem, durch das
Abrasieren der Augenbrauen und Schwärzen der Zähne dem Streben,
nach aussen zu gefallen, ganz zu entsagen, denn nach Iyeyasu sind
ihre Pflichten nach innen, die Aufgaben des Mannes aber nach aussen
gerichtet.
Die japanische Frau ist die erste Dienerin des Hauses. Schon
beim Hochzeitsmahle muss sie in demüthiger Haltung ihrem Manne
die Speisen vorsetzen. Mann und Frau nehmen keine gemeinschaft-
lichen Mahlzeiten, noch bewegen sie sich zusammen im öffentlichen
Leben, wenigstens nicht solche aus den höheren Ständen. Im Hause
aber ist sie Nio-bo, die Frau des Hauses, Oku-sama, Herrin
des Innern, vor allem aber O kami-san, die ehrbare Herrin, wie
sie gewöhnlich angeredet wird. Als solche steht sie auch über den
Mekake oder Concubinen und deren Kindern.
Polygamie war im alten Japan eine weit verbreitete Sitte. Iye-
yasu spricht in seinen Gesetzen dem Mikado das Recht zu, sich ein
Dutzend Nebenfrauen zu nehmen, den Daimio und Hatamoto auf acht
Concubinen und den gewöhnlichen Samurai auf zwei. Aber nur in
seltenen Fällen machten diese davon Gebrauch, und dann geschah es
wohl, dass die Frau, welche ihre Kinder selbst und lange säugt und
verhältnissmässig früh alt wird, dem Manne selbst eine mekake zuführte.
Das Bekanntwerden mit den europäischen Sitten und Gesetzen,
mit den hohen Begriffen, welche die europäische Civilisation vom
Ehe- und Familienleben hegt, hat auch in den gebildeteren Ständen
Japans den lebhaften Wunsch wachgerufen, ihr Eheleben auf gleiche
Höhe zu bringen. Dem entsprechend wurde schon im Jahre 1870
ein Erlass publiciert, wonach zu jedem Ehebündniss die obrigkeitliche
Kenntniss und Genehmigung erforderlich ist. Im folgenden Jahre
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