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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
Regen und Sonnenschein durch ein korbähnliches Geflecht aus Weiden,
Bambusrohr oder Rotang zu schützen, den kasa. Mit diesem Worte
wird auch der Regenschirm aus geöltem Papier bezeichnet. Den
Körper schützt man gegen Regen durch das itodate, ein Stück
Matte, das man an einer Schnur um den Hals hängt, oder durch die
Kappa (vom spanischen capa abgeleitet), einen Regenmantel aus
geöltem Papiere, der, wie der Name andeutet, eine neuere Einführung
ist und nicht so viel gebraucht wird, wie der uralte mino oder Regen-
mantel aus geflochtenem Stroh. Uebrigens erfreut sich der europäische
Regenschirm mit Recht einer wachsenden Beliebtheit, da er alle die
ungenügenden und schwerfälligen japanischen Vorrichtungen gegen
den Regen ersetzt und zugleich -- ein wirklicher en tout cas -- auch
gegen die Sonne schützen kann.

Eine besondere Sorgfalt verwenden die Japaner auf die Pflege
und Tracht ihres Kopfhaares. Frauen jedes Alters und Standes be-
dienen sich, um das schöne rabenschwarze, aber steife Haar, welches
oft bis zu den Fersen herunterreicht, glänzend und geschmeidig zu
machen, des fetten Oeles aus den Samen der Camellie oder des Thee-
strauches. Ihre Coiffuren sind so kunst- und geschmackvoll, dass
sich keine europäische Salondame derselben zu schämen brauchte.
Die Hauptmasse bildet einen Chignon, den eine oder mehrere lange
Nadeln aus Schildpat oder einem billigeren Material, sowie Holz-
kämme zusammenhalten und ausserdem eingeflochtene Streifen eines
eigenthümlichen rothen oder blauen Kreppgewebes zieren.

Zu den sonstigen Cosmetica japanischer Frauen gehört vor allem
das oshiro, ein breiiges Präparat aus unreinem Bleiweiss und Stärke,
womit Gesicht und Hals der Mädchen eingerieben werden, um eine
zarte, weisse Haut zu schaffen, sowie Carthamin (beni) zum Röthen
der Lippen. Verheirathete Frauen rasieren sich die Augenbrauen ab
und färben sich die Zähne durch eine Art Tinte schwarz. Es ge-
schieht dies durch successives Einreiben der Zähne mit einer Eisen-
lösung in Branntweinessig und mit Galläpfelpulver, doch ist es in
manchen Gegenden auch bei Mädchen Sitte, das Röthen der Lippen
mit dem Schwärzen der Zähne zu vertauschen, sobald sie das zwan-
zigste Lebensjahr überschritten und die Hoffnung, sich zu verheirathen,
aufgegeben haben.

Nach alter Sitte rasierte man den Kopf der Kinder bis auf drei
Locken über Scheitel und Schläfen oder bis auf einen Kranz Haare
um die grosse Tonsur. Wenn die Mädchen 5 Jahre alt waren, hörte
dies auf. Bei Knaben trat mit vollendetem 14. (nach japanischer
Rechnung 15.) Jahre ein Wechsel ein. Man feierte das Gembuku,

3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc.
Regen und Sonnenschein durch ein korbähnliches Geflecht aus Weiden,
Bambusrohr oder Rotang zu schützen, den kasa. Mit diesem Worte
wird auch der Regenschirm aus geöltem Papier bezeichnet. Den
Körper schützt man gegen Regen durch das itodate, ein Stück
Matte, das man an einer Schnur um den Hals hängt, oder durch die
Kappa (vom spanischen capa abgeleitet), einen Regenmantel aus
geöltem Papiere, der, wie der Name andeutet, eine neuere Einführung
ist und nicht so viel gebraucht wird, wie der uralte mino oder Regen-
mantel aus geflochtenem Stroh. Uebrigens erfreut sich der europäische
Regenschirm mit Recht einer wachsenden Beliebtheit, da er alle die
ungenügenden und schwerfälligen japanischen Vorrichtungen gegen
den Regen ersetzt und zugleich — ein wirklicher en tout cas — auch
gegen die Sonne schützen kann.

Eine besondere Sorgfalt verwenden die Japaner auf die Pflege
und Tracht ihres Kopfhaares. Frauen jedes Alters und Standes be-
dienen sich, um das schöne rabenschwarze, aber steife Haar, welches
oft bis zu den Fersen herunterreicht, glänzend und geschmeidig zu
machen, des fetten Oeles aus den Samen der Camellie oder des Thee-
strauches. Ihre Coiffuren sind so kunst- und geschmackvoll, dass
sich keine europäische Salondame derselben zu schämen brauchte.
Die Hauptmasse bildet einen Chignon, den eine oder mehrere lange
Nadeln aus Schildpat oder einem billigeren Material, sowie Holz-
kämme zusammenhalten und ausserdem eingeflochtene Streifen eines
eigenthümlichen rothen oder blauen Kreppgewebes zieren.

Zu den sonstigen Cosmetica japanischer Frauen gehört vor allem
das oshiro, ein breiiges Präparat aus unreinem Bleiweiss und Stärke,
womit Gesicht und Hals der Mädchen eingerieben werden, um eine
zarte, weisse Haut zu schaffen, sowie Carthamin (beni) zum Röthen
der Lippen. Verheirathete Frauen rasieren sich die Augenbrauen ab
und färben sich die Zähne durch eine Art Tinte schwarz. Es ge-
schieht dies durch successives Einreiben der Zähne mit einer Eisen-
lösung in Branntweinessig und mit Galläpfelpulver, doch ist es in
manchen Gegenden auch bei Mädchen Sitte, das Röthen der Lippen
mit dem Schwärzen der Zähne zu vertauschen, sobald sie das zwan-
zigste Lebensjahr überschritten und die Hoffnung, sich zu verheirathen,
aufgegeben haben.

Nach alter Sitte rasierte man den Kopf der Kinder bis auf drei
Locken über Scheitel und Schläfen oder bis auf einen Kranz Haare
um die grosse Tonsur. Wenn die Mädchen 5 Jahre alt waren, hörte
dies auf. Bei Knaben trat mit vollendetem 14. (nach japanischer
Rechnung 15.) Jahre ein Wechsel ein. Man feierte das Gembuku,

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[475/0509] 3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc. Regen und Sonnenschein durch ein korbähnliches Geflecht aus Weiden, Bambusrohr oder Rotang zu schützen, den kasa. Mit diesem Worte wird auch der Regenschirm aus geöltem Papier bezeichnet. Den Körper schützt man gegen Regen durch das itodate, ein Stück Matte, das man an einer Schnur um den Hals hängt, oder durch die Kappa (vom spanischen capa abgeleitet), einen Regenmantel aus geöltem Papiere, der, wie der Name andeutet, eine neuere Einführung ist und nicht so viel gebraucht wird, wie der uralte mino oder Regen- mantel aus geflochtenem Stroh. Uebrigens erfreut sich der europäische Regenschirm mit Recht einer wachsenden Beliebtheit, da er alle die ungenügenden und schwerfälligen japanischen Vorrichtungen gegen den Regen ersetzt und zugleich — ein wirklicher en tout cas — auch gegen die Sonne schützen kann. Eine besondere Sorgfalt verwenden die Japaner auf die Pflege und Tracht ihres Kopfhaares. Frauen jedes Alters und Standes be- dienen sich, um das schöne rabenschwarze, aber steife Haar, welches oft bis zu den Fersen herunterreicht, glänzend und geschmeidig zu machen, des fetten Oeles aus den Samen der Camellie oder des Thee- strauches. Ihre Coiffuren sind so kunst- und geschmackvoll, dass sich keine europäische Salondame derselben zu schämen brauchte. Die Hauptmasse bildet einen Chignon, den eine oder mehrere lange Nadeln aus Schildpat oder einem billigeren Material, sowie Holz- kämme zusammenhalten und ausserdem eingeflochtene Streifen eines eigenthümlichen rothen oder blauen Kreppgewebes zieren. Zu den sonstigen Cosmetica japanischer Frauen gehört vor allem das oshiro, ein breiiges Präparat aus unreinem Bleiweiss und Stärke, womit Gesicht und Hals der Mädchen eingerieben werden, um eine zarte, weisse Haut zu schaffen, sowie Carthamin (beni) zum Röthen der Lippen. Verheirathete Frauen rasieren sich die Augenbrauen ab und färben sich die Zähne durch eine Art Tinte schwarz. Es ge- schieht dies durch successives Einreiben der Zähne mit einer Eisen- lösung in Branntweinessig und mit Galläpfelpulver, doch ist es in manchen Gegenden auch bei Mädchen Sitte, das Röthen der Lippen mit dem Schwärzen der Zähne zu vertauschen, sobald sie das zwan- zigste Lebensjahr überschritten und die Hoffnung, sich zu verheirathen, aufgegeben haben. Nach alter Sitte rasierte man den Kopf der Kinder bis auf drei Locken über Scheitel und Schläfen oder bis auf einen Kranz Haare um die grosse Tonsur. Wenn die Mädchen 5 Jahre alt waren, hörte dies auf. Bei Knaben trat mit vollendetem 14. (nach japanischer Rechnung 15.) Jahre ein Wechsel ein. Man feierte das Gembuku,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/509>, abgerufen am 22.11.2024.