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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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1. Ainos und Japaner, Ursprung, Körperbeschaffenheit etc.
Japan vollzogen hatte, trat Jimmu-Tenno auf. Der Gründung und
Erweiterung des Mikadoreiches durch ihn und seine Nachfolger reiht
sich dann zu Anfang des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
die theilweise Eroberung von Korea durch die Kaiserin Jingu-Kongo
an. Eine theils freiwillige, theils gezwungene Einwanderung von
Koreanern -- später auch von Chinesen, wiewohl in geringerem
Grade -- folgt diesem Ereigniss und wiederholt sich im Laufe der
nächsten 8--10 Jahrhunderte von Zeit zu Zeit, während Emishi aus
dem Norden ebenfalls unter die mehr südlichen Provinzen vertheilt
werden. Diese verschiedenartigen fremden Elemente gingen allmäh-
lich im japanischen Volke auf und trugen wesentlich dazu bei, seinen
ursprünglichen Charakter mehr und mehr zu verwischen.

Indess treten uns noch jetzt in den verschiedensten Theilen
Japans zwei leicht erkennbare Typen entgegen, deren einer sich, ab-
gesehen vom Bartwuchse, dem der Ainos nähert und ein viel ausge-
sprocheneres Mongolengesicht zeigt, als der andere. Eine dunklere
Hautfarbe, welche an die malayische erinnert, gedrungenere, derbere
Gestalt mit starkem Knochen- und Gliederbau zeichnet ihn aus. Das
kurze flache Gesicht weist unter einer niedrigen Stirn fast gerad-
liegende grosse Augen, hervortretende Backenknochen und eine flache
Stumpfnase mit dicken weiten Flügeln auf. Der grosse Mund ist
meist etwas geöffnet, die Geberden sind linkisch. Dieser Typus ist
im Norden und Nordwesten mehr vertreten als im Süden und gehört
vornehmlich der an die Scholle gebundenen Landbevölkerung an,
obgleich seine Vertreter zum Theil bis in die höchsten Gesellschafts-
kreise hinaufragen. Hellere, gelblich weisse Hautfarbe, eine schlankere
Gestalt, mehr Ebenmaass in allen Körpertheilen und zarterer Glie-
derbau sind bemerkenswerthe Kennzeichen des zweiten Typus. Der
brachycephale Kopf zeigt ein prognathes ovales Gesicht und eine höhere
Stirn. Die grossen Augen erscheinen durch starke Lider verschleiert,
geschlitzt und zur Nase mehr oder weniger schief (geneigt) gestellt,
ausserdem von hohen Augenbrauen überragt. Die Backenknochen
treten nicht merklich hervor, noch auch der Mund, wohl aber die
feine, leicht gekrümmte Nase. Somit vertritt dieser Typus die edleren,
regelmässigen Züge, und da er vor allem in der höheren Gesellschafts-
klasse und im Süden mehr als im Norden vertreten ist, so liegt die
Annahme nahe, dass er mehr das eingewanderte Element, die Er-
oberer des Landes, repräsentiert. Das stereotype ovale Frauengesicht
japanischer Maler mit seinen übertrieben schrägliegenden Schlitzaugen,
der feinen Adlernase und den kleinen rothen Lippen, obwohl nur
eine Carricatur und nicht im entferntesten ein Maassstab der japani-

1. Ainos und Japaner, Ursprung, Körperbeschaffenheit etc.
Japan vollzogen hatte, trat Jimmu-Tennô auf. Der Gründung und
Erweiterung des Mikadoreiches durch ihn und seine Nachfolger reiht
sich dann zu Anfang des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
die theilweise Eroberung von Korea durch die Kaiserin Jingu-Kôngô
an. Eine theils freiwillige, theils gezwungene Einwanderung von
Koreanern — später auch von Chinesen, wiewohl in geringerem
Grade — folgt diesem Ereigniss und wiederholt sich im Laufe der
nächsten 8—10 Jahrhunderte von Zeit zu Zeit, während Emishi aus
dem Norden ebenfalls unter die mehr südlichen Provinzen vertheilt
werden. Diese verschiedenartigen fremden Elemente gingen allmäh-
lich im japanischen Volke auf und trugen wesentlich dazu bei, seinen
ursprünglichen Charakter mehr und mehr zu verwischen.

Indess treten uns noch jetzt in den verschiedensten Theilen
Japans zwei leicht erkennbare Typen entgegen, deren einer sich, ab-
gesehen vom Bartwuchse, dem der Ainos nähert und ein viel ausge-
sprocheneres Mongolengesicht zeigt, als der andere. Eine dunklere
Hautfarbe, welche an die malayische erinnert, gedrungenere, derbere
Gestalt mit starkem Knochen- und Gliederbau zeichnet ihn aus. Das
kurze flache Gesicht weist unter einer niedrigen Stirn fast gerad-
liegende grosse Augen, hervortretende Backenknochen und eine flache
Stumpfnase mit dicken weiten Flügeln auf. Der grosse Mund ist
meist etwas geöffnet, die Geberden sind linkisch. Dieser Typus ist
im Norden und Nordwesten mehr vertreten als im Süden und gehört
vornehmlich der an die Scholle gebundenen Landbevölkerung an,
obgleich seine Vertreter zum Theil bis in die höchsten Gesellschafts-
kreise hinaufragen. Hellere, gelblich weisse Hautfarbe, eine schlankere
Gestalt, mehr Ebenmaass in allen Körpertheilen und zarterer Glie-
derbau sind bemerkenswerthe Kennzeichen des zweiten Typus. Der
brachycephale Kopf zeigt ein prognathes ovales Gesicht und eine höhere
Stirn. Die grossen Augen erscheinen durch starke Lider verschleiert,
geschlitzt und zur Nase mehr oder weniger schief (geneigt) gestellt,
ausserdem von hohen Augenbrauen überragt. Die Backenknochen
treten nicht merklich hervor, noch auch der Mund, wohl aber die
feine, leicht gekrümmte Nase. Somit vertritt dieser Typus die edleren,
regelmässigen Züge, und da er vor allem in der höheren Gesellschafts-
klasse und im Süden mehr als im Norden vertreten ist, so liegt die
Annahme nahe, dass er mehr das eingewanderte Element, die Er-
oberer des Landes, repräsentiert. Das stereotype ovale Frauengesicht
japanischer Maler mit seinen übertrieben schrägliegenden Schlitzaugen,
der feinen Adlernase und den kleinen rothen Lippen, obwohl nur
eine Carricatur und nicht im entferntesten ein Maassstab der japani-

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[453/0485] 1. Ainos und Japaner, Ursprung, Körperbeschaffenheit etc. Japan vollzogen hatte, trat Jimmu-Tennô auf. Der Gründung und Erweiterung des Mikadoreiches durch ihn und seine Nachfolger reiht sich dann zu Anfang des dritten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung die theilweise Eroberung von Korea durch die Kaiserin Jingu-Kôngô an. Eine theils freiwillige, theils gezwungene Einwanderung von Koreanern — später auch von Chinesen, wiewohl in geringerem Grade — folgt diesem Ereigniss und wiederholt sich im Laufe der nächsten 8—10 Jahrhunderte von Zeit zu Zeit, während Emishi aus dem Norden ebenfalls unter die mehr südlichen Provinzen vertheilt werden. Diese verschiedenartigen fremden Elemente gingen allmäh- lich im japanischen Volke auf und trugen wesentlich dazu bei, seinen ursprünglichen Charakter mehr und mehr zu verwischen. Indess treten uns noch jetzt in den verschiedensten Theilen Japans zwei leicht erkennbare Typen entgegen, deren einer sich, ab- gesehen vom Bartwuchse, dem der Ainos nähert und ein viel ausge- sprocheneres Mongolengesicht zeigt, als der andere. Eine dunklere Hautfarbe, welche an die malayische erinnert, gedrungenere, derbere Gestalt mit starkem Knochen- und Gliederbau zeichnet ihn aus. Das kurze flache Gesicht weist unter einer niedrigen Stirn fast gerad- liegende grosse Augen, hervortretende Backenknochen und eine flache Stumpfnase mit dicken weiten Flügeln auf. Der grosse Mund ist meist etwas geöffnet, die Geberden sind linkisch. Dieser Typus ist im Norden und Nordwesten mehr vertreten als im Süden und gehört vornehmlich der an die Scholle gebundenen Landbevölkerung an, obgleich seine Vertreter zum Theil bis in die höchsten Gesellschafts- kreise hinaufragen. Hellere, gelblich weisse Hautfarbe, eine schlankere Gestalt, mehr Ebenmaass in allen Körpertheilen und zarterer Glie- derbau sind bemerkenswerthe Kennzeichen des zweiten Typus. Der brachycephale Kopf zeigt ein prognathes ovales Gesicht und eine höhere Stirn. Die grossen Augen erscheinen durch starke Lider verschleiert, geschlitzt und zur Nase mehr oder weniger schief (geneigt) gestellt, ausserdem von hohen Augenbrauen überragt. Die Backenknochen treten nicht merklich hervor, noch auch der Mund, wohl aber die feine, leicht gekrümmte Nase. Somit vertritt dieser Typus die edleren, regelmässigen Züge, und da er vor allem in der höheren Gesellschafts- klasse und im Süden mehr als im Norden vertreten ist, so liegt die Annahme nahe, dass er mehr das eingewanderte Element, die Er- oberer des Landes, repräsentiert. Das stereotype ovale Frauengesicht japanischer Maler mit seinen übertrieben schrägliegenden Schlitzaugen, der feinen Adlernase und den kleinen rothen Lippen, obwohl nur eine Carricatur und nicht im entferntesten ein Maassstab der japani-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/485>, abgerufen am 02.10.2024.