Der Aufstand von Saga in Hizen wurde vom vormaligen Staats- rathe Yeto, dem Bruder des früheren Ministers der auswärtigen An- gelegenheiten Sogeshima, angeregt und geleitet. Krieg mit Korea, Restauration der Daimioherrschaften und Vertreibung der Fremden war das Begehr der Revolutionäre, deren Besiegung nur 10 Tage erforderte, da die Regierung den Telegraphen, Dampfschiffe und ein geschultes Heer zu ihrer Verfügung hatte und die anderen Unzufrie- denen aus verschiedenerlei Bedenken sich ruhig verhielten. Dennoch gingen 40 Ortschaften durch diesen Aufstand in Flammen auf; ausser- dem verloren 500 Mann, Aufständische und Soldaten, dabei ihr Leben.
Die Regierung erkannte aus diesem Vorgange und manchen ande- ren Erscheinungen, dass sie etwas thun müsse, um die Gedanken der unthätigen, unzufriedenen und ruhmsüchtigen Samurai von den heimathlichen Angelegenheiten ab auf ein fremdes Gebiet zu lenken. So beschloss sie im Einverständniss mit dem reactionären Shimadzu Saburo eine Expedition nach Formosa, angeblich um die wilden Stämme im Nordosten dieser Insel dafür zu züchtigen, dass sie wiederholt schiffbrüchige Seeleute aus Japan und den Riukiu-Inseln ermordet hatten, wohl aber mit dem Hintergedanken, das Gebiet derselben und, wenn möglich, die ganze Insel zu annectieren. Im Mai 1874 segelte die Expedition von 3000 Mann unter General Saigo Yori- michi, dem jüngeren Bruder von Saigo Kichinosuke, von Nagasaki ab und schlug bald darauf die wilden Ureinwohner vom nordwest- lichen Formosa in mehreren Treffen. Nunmehr regten sich jedoch die von Europäern aufgestachelten Chinesen, beanspruchten ein Hoheits- recht über die ganze Insel und bedrohten Japan mit Krieg, wenn es sich nicht zurückziehe. In Folge dieser veränderten Haltung Chinas ging Okubo an den Hof nach Peking und vereinbarte einen für Japan ehrenvollen Frieden, insofern er eine Geldentschädigung für die von Japan gehabten Unkosten erwirkte, welche freilich der Höhe der letzteren lange nicht gleich kam. Im folgenden Jahre bewirkte der japanische Gesandte Enomoto in Petersburg den Abschluss eines Ver- trages zwischen Japan und Russland bezüglich der Insel Sachalin oder Karafto, um deren Besitz man sich lange diplomatisch gestritten hatte. Die Rechtstitel beider Mächte an diese Insel waren von glei- chem Werthe, indem von Norden her die Russen, von Süden die Japaner hauptsächlich des Fischfangs wegen allmählich vorgedrungen waren. Japan vertauschte endlich seinen Antheil gegen 18 bis dahin zu Russland zählende, unbewohnte und uncultivierbare Kurilen, die nur für den Fischfang von Werth sind, und dehnte seine Grenze dadurch bis Cap Lopatka aus. Im Jahre 1876 bewirkte der japa-
7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
Der Aufstand von Saga in Hizen wurde vom vormaligen Staats- rathe Yeto, dem Bruder des früheren Ministers der auswärtigen An- gelegenheiten Sogeshima, angeregt und geleitet. Krieg mit Korea, Restauration der Daimioherrschaften und Vertreibung der Fremden war das Begehr der Revolutionäre, deren Besiegung nur 10 Tage erforderte, da die Regierung den Telegraphen, Dampfschiffe und ein geschultes Heer zu ihrer Verfügung hatte und die anderen Unzufrie- denen aus verschiedenerlei Bedenken sich ruhig verhielten. Dennoch gingen 40 Ortschaften durch diesen Aufstand in Flammen auf; ausser- dem verloren 500 Mann, Aufständische und Soldaten, dabei ihr Leben.
Die Regierung erkannte aus diesem Vorgange und manchen ande- ren Erscheinungen, dass sie etwas thun müsse, um die Gedanken der unthätigen, unzufriedenen und ruhmsüchtigen Samurai von den heimathlichen Angelegenheiten ab auf ein fremdes Gebiet zu lenken. So beschloss sie im Einverständniss mit dem reactionären Shimadzu Saburo eine Expedition nach Formosa, angeblich um die wilden Stämme im Nordosten dieser Insel dafür zu züchtigen, dass sie wiederholt schiffbrüchige Seeleute aus Japan und den Riukiu-Inseln ermordet hatten, wohl aber mit dem Hintergedanken, das Gebiet derselben und, wenn möglich, die ganze Insel zu annectieren. Im Mai 1874 segelte die Expedition von 3000 Mann unter General Saigô Yori- michi, dem jüngeren Bruder von Saigô Kichinosuke, von Nagasaki ab und schlug bald darauf die wilden Ureinwohner vom nordwest- lichen Formosa in mehreren Treffen. Nunmehr regten sich jedoch die von Europäern aufgestachelten Chinesen, beanspruchten ein Hoheits- recht über die ganze Insel und bedrohten Japan mit Krieg, wenn es sich nicht zurückziehe. In Folge dieser veränderten Haltung Chinas ging Ôkubo an den Hof nach Peking und vereinbarte einen für Japan ehrenvollen Frieden, insofern er eine Geldentschädigung für die von Japan gehabten Unkosten erwirkte, welche freilich der Höhe der letzteren lange nicht gleich kam. Im folgenden Jahre bewirkte der japanische Gesandte Enomoto in Petersburg den Abschluss eines Ver- trages zwischen Japan und Russland bezüglich der Insel Sachalin oder Karafto, um deren Besitz man sich lange diplomatisch gestritten hatte. Die Rechtstitel beider Mächte an diese Insel waren von glei- chem Werthe, indem von Norden her die Russen, von Süden die Japaner hauptsächlich des Fischfangs wegen allmählich vorgedrungen waren. Japan vertauschte endlich seinen Antheil gegen 18 bis dahin zu Russland zählende, unbewohnte und uncultivierbare Kurilen, die nur für den Fischfang von Werth sind, und dehnte seine Grenze dadurch bis Cap Lopatka aus. Im Jahre 1876 bewirkte der japa-
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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
Der Aufstand von Saga in Hizen wurde vom vormaligen Staats-
rathe Yeto, dem Bruder des früheren Ministers der auswärtigen An-
gelegenheiten Sogeshima, angeregt und geleitet. Krieg mit Korea,
Restauration der Daimioherrschaften und Vertreibung der Fremden
war das Begehr der Revolutionäre, deren Besiegung nur 10 Tage
erforderte, da die Regierung den Telegraphen, Dampfschiffe und ein
geschultes Heer zu ihrer Verfügung hatte und die anderen Unzufrie-
denen aus verschiedenerlei Bedenken sich ruhig verhielten. Dennoch
gingen 40 Ortschaften durch diesen Aufstand in Flammen auf; ausser-
dem verloren 500 Mann, Aufständische und Soldaten, dabei ihr Leben.
Die Regierung erkannte aus diesem Vorgange und manchen ande-
ren Erscheinungen, dass sie etwas thun müsse, um die Gedanken
der unthätigen, unzufriedenen und ruhmsüchtigen Samurai von den
heimathlichen Angelegenheiten ab auf ein fremdes Gebiet zu lenken.
So beschloss sie im Einverständniss mit dem reactionären Shimadzu
Saburo eine Expedition nach Formosa, angeblich um die wilden Stämme
im Nordosten dieser Insel dafür zu züchtigen, dass sie wiederholt
schiffbrüchige Seeleute aus Japan und den Riukiu-Inseln ermordet
hatten, wohl aber mit dem Hintergedanken, das Gebiet derselben
und, wenn möglich, die ganze Insel zu annectieren. Im Mai 1874
segelte die Expedition von 3000 Mann unter General Saigô Yori-
michi, dem jüngeren Bruder von Saigô Kichinosuke, von Nagasaki
ab und schlug bald darauf die wilden Ureinwohner vom nordwest-
lichen Formosa in mehreren Treffen. Nunmehr regten sich jedoch
die von Europäern aufgestachelten Chinesen, beanspruchten ein Hoheits-
recht über die ganze Insel und bedrohten Japan mit Krieg, wenn es
sich nicht zurückziehe. In Folge dieser veränderten Haltung Chinas
ging Ôkubo an den Hof nach Peking und vereinbarte einen für Japan
ehrenvollen Frieden, insofern er eine Geldentschädigung für die von
Japan gehabten Unkosten erwirkte, welche freilich der Höhe der
letzteren lange nicht gleich kam. Im folgenden Jahre bewirkte der
japanische Gesandte Enomoto in Petersburg den Abschluss eines Ver-
trages zwischen Japan und Russland bezüglich der Insel Sachalin
oder Karafto, um deren Besitz man sich lange diplomatisch gestritten
hatte. Die Rechtstitel beider Mächte an diese Insel waren von glei-
chem Werthe, indem von Norden her die Russen, von Süden die
Japaner hauptsächlich des Fischfangs wegen allmählich vorgedrungen
waren. Japan vertauschte endlich seinen Antheil gegen 18 bis dahin
zu Russland zählende, unbewohnte und uncultivierbare Kurilen,
die nur für den Fischfang von Werth sind, und dehnte seine Grenze
dadurch bis Cap Lopatka aus. Im Jahre 1876 bewirkte der japa-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/455>, abgerufen am 25.11.2024.
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