erfreut. Obgleich ich meiner Vorfahren Amt bekleide, so sind doch die Regierung und das Criminalgesetz vielfach schlecht gehandhabt worden, und das Resultat ist der jetzige Zustand. Mir scheint es, dass die Gesetze bei den täglich wachsenden fremden Beziehungen nicht aufrecht erhalten werden können, es sei denn, dass ein Kopf die Regierung leite, daher bin ich bereit, die Regierungsgewalt in die Hände des kaiserlichen Hofes zurückzugeben. Dies ist das Beste, was ich in diesem Augenblick für die Wohlfahrt des Reiches thun kann, und ich fordere euch Alle auf, mir eure Meinung über die Zweckmässigkeit dieses Verfahrens kund zu geben."
Obgleich nun keiner der unmittelbaren Vasallen offen opponierte, erregte dieser Entschluss doch grosse Unzufriedenheit unter vielen derselben, konnte jedoch nicht verhindert werden. Am 19. November 1867 sandte der Shogun dem Mikado ein Memorandum mit seiner Resignation ein. Sie wurde in erkenntlicher Form angenommen, doch liess der Mikado den Ex-Shogun oder Tokugawa Naifu *), wie er jetzt viel genannt wurde, bitten, die Verwaltung einstweilen noch weiter zu führen, mit Ausnahme der Verhaltungsmassregeln gegen die Daimio, über welche sich der Hof demnächst nach Anhörung einer Versammlung derselben und des Fürsten von Kaga schlüssig machen wolle.
b. Beseitigung des Shogunats und Restauration der Mikado- Herrschaft. Der Bürgerkrieg im Jahre 1868. Der Mikado verlegt seine Residenz und Regierung nach Yedo (Tokio). Expedition gegen Yezo.
Der Daimio von Aidzu hatte mit seinen ihm und den Tokugawa blind ergebenen Truppen seit Jahren die ehrenvolle Aufgabe, in Kioto beim kaiserlichen Schloss den Wachtdienst zu versehen, und war der- selben gewissenhaft nachgekommen, namentlich auch bei den Zu- sammenstössen mit Ronin aus Choshiu und der Verbannung der sieben Kuge. Dies und der grosse Einfluss, welchen der Aidzu-clan stets zu Gunsten des Shogun und Bakufu in Kioto übte, hatten ihn bei den Choshiu-Samurai und vielen anderen Clanen des Südens verhasst gemacht. Jetzt nun, wo der Süden täglich mehr Einfluss auf den Hof gewann, kam die Zeit, Aidzu den Zorn fühlen zu lassen. Am 3. Januar 1868 erliess der Hof plötzlich einen Befehl, wodurch dem Aidzu-clan jene Wache an den Schlossthoren genommen und damit die Truppen von Satsuma, Tosa und Geishiu (Aki) betraut wurden,
*) Naifu oder Naidaijin war der Titel, welchen Shitotsubashi bei Hofe führte.
I. Geschichte des japanischen Volkes.
erfreut. Obgleich ich meiner Vorfahren Amt bekleide, so sind doch die Regierung und das Criminalgesetz vielfach schlecht gehandhabt worden, und das Resultat ist der jetzige Zustand. Mir scheint es, dass die Gesetze bei den täglich wachsenden fremden Beziehungen nicht aufrecht erhalten werden können, es sei denn, dass ein Kopf die Regierung leite, daher bin ich bereit, die Regierungsgewalt in die Hände des kaiserlichen Hofes zurückzugeben. Dies ist das Beste, was ich in diesem Augenblick für die Wohlfahrt des Reiches thun kann, und ich fordere euch Alle auf, mir eure Meinung über die Zweckmässigkeit dieses Verfahrens kund zu geben.«
Obgleich nun keiner der unmittelbaren Vasallen offen opponierte, erregte dieser Entschluss doch grosse Unzufriedenheit unter vielen derselben, konnte jedoch nicht verhindert werden. Am 19. November 1867 sandte der Shôgun dem Mikado ein Memorandum mit seiner Resignation ein. Sie wurde in erkenntlicher Form angenommen, doch liess der Mikado den Ex-Shôgun oder Tokugawa Naifu *), wie er jetzt viel genannt wurde, bitten, die Verwaltung einstweilen noch weiter zu führen, mit Ausnahme der Verhaltungsmassregeln gegen die Daimio, über welche sich der Hof demnächst nach Anhörung einer Versammlung derselben und des Fürsten von Kaga schlüssig machen wolle.
b. Beseitigung des Shôgunats und Restauration der Mikado- Herrschaft. Der Bürgerkrieg im Jahre 1868. Der Mikado verlegt seine Residenz und Regierung nach Yedo (Tôkiô). Expedition gegen Yezo.
Der Daimio von Aidzu hatte mit seinen ihm und den Tokugawa blind ergebenen Truppen seit Jahren die ehrenvolle Aufgabe, in Kiôto beim kaiserlichen Schloss den Wachtdienst zu versehen, und war der- selben gewissenhaft nachgekommen, namentlich auch bei den Zu- sammenstössen mit Rônin aus Chôshiu und der Verbannung der sieben Kuge. Dies und der grosse Einfluss, welchen der Aidzu-clan stets zu Gunsten des Shôgun und Bakufu in Kioto übte, hatten ihn bei den Chôshiu-Samurai und vielen anderen Clanen des Südens verhasst gemacht. Jetzt nun, wo der Süden täglich mehr Einfluss auf den Hof gewann, kam die Zeit, Aidzu den Zorn fühlen zu lassen. Am 3. Januar 1868 erliess der Hof plötzlich einen Befehl, wodurch dem Aidzu-clan jene Wache an den Schlossthoren genommen und damit die Truppen von Satsuma, Tosa und Geishiu (Aki) betraut wurden,
*) Naifu oder Naidaijin war der Titel, welchen Shitotsubashi bei Hofe führte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0438"n="410"/><fwplace="top"type="header">I. Geschichte des japanischen Volkes.</fw><lb/>
erfreut. Obgleich ich meiner Vorfahren Amt bekleide, so sind doch<lb/>
die Regierung und das Criminalgesetz vielfach schlecht gehandhabt<lb/>
worden, und das Resultat ist der jetzige Zustand. Mir scheint es,<lb/>
dass die Gesetze bei den täglich wachsenden fremden Beziehungen<lb/>
nicht aufrecht erhalten werden können, es sei denn, dass ein Kopf<lb/>
die Regierung leite, daher bin ich bereit, die Regierungsgewalt in<lb/>
die Hände des kaiserlichen Hofes zurückzugeben. Dies ist das<lb/>
Beste, was ich in diesem Augenblick für die Wohlfahrt des Reiches<lb/>
thun kann, und ich fordere euch Alle auf, mir eure Meinung über die<lb/>
Zweckmässigkeit dieses Verfahrens kund zu geben.«</p><lb/><p>Obgleich nun keiner der unmittelbaren Vasallen offen opponierte,<lb/>
erregte dieser Entschluss doch grosse Unzufriedenheit unter vielen<lb/>
derselben, konnte jedoch nicht verhindert werden. Am 19. November<lb/>
1867 sandte der Shôgun dem Mikado ein Memorandum mit seiner<lb/>
Resignation ein. Sie wurde in erkenntlicher Form angenommen, doch<lb/>
liess der Mikado den Ex-Shôgun oder Tokugawa Naifu <noteplace="foot"n="*)">Naifu oder Naidaijin war der Titel, welchen Shitotsubashi bei Hofe führte.</note>, wie er<lb/>
jetzt viel genannt wurde, bitten, die Verwaltung einstweilen noch weiter<lb/>
zu führen, mit Ausnahme der Verhaltungsmassregeln gegen die<lb/>
Daimio, über welche sich der Hof demnächst nach Anhörung einer<lb/>
Versammlung derselben und des Fürsten von Kaga schlüssig machen<lb/>
wolle.</p></div><lb/><divn="4"><head>b. <hirendition="#g">Beseitigung des Shôgunats und Restauration der Mikado-<lb/>
Herrschaft. Der Bürgerkrieg im Jahre</hi> 1868. <hirendition="#g">Der Mikado verlegt<lb/>
seine Residenz und Regierung nach Yedo (Tôkiô). Expedition<lb/>
gegen Yezo</hi>.</head><lb/><p>Der Daimio von Aidzu hatte mit seinen ihm und den Tokugawa<lb/>
blind ergebenen Truppen seit Jahren die ehrenvolle Aufgabe, in Kiôto<lb/>
beim kaiserlichen Schloss den Wachtdienst zu versehen, und war der-<lb/>
selben gewissenhaft nachgekommen, namentlich auch bei den Zu-<lb/>
sammenstössen mit Rônin aus Chôshiu und der Verbannung der sieben<lb/>
Kuge. Dies und der grosse Einfluss, welchen der Aidzu-clan stets<lb/>
zu Gunsten des Shôgun und Bakufu in Kioto übte, hatten ihn bei<lb/>
den Chôshiu-Samurai und vielen anderen Clanen des Südens verhasst<lb/>
gemacht. Jetzt nun, wo der Süden täglich mehr Einfluss auf den<lb/>
Hof gewann, kam die Zeit, Aidzu den Zorn fühlen zu lassen. Am<lb/>
3. Januar 1868 erliess der Hof plötzlich einen Befehl, wodurch dem<lb/>
Aidzu-clan jene Wache an den Schlossthoren genommen und damit<lb/>
die Truppen von Satsuma, Tosa und Geishiu (Aki) betraut wurden,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[410/0438]
I. Geschichte des japanischen Volkes.
erfreut. Obgleich ich meiner Vorfahren Amt bekleide, so sind doch
die Regierung und das Criminalgesetz vielfach schlecht gehandhabt
worden, und das Resultat ist der jetzige Zustand. Mir scheint es,
dass die Gesetze bei den täglich wachsenden fremden Beziehungen
nicht aufrecht erhalten werden können, es sei denn, dass ein Kopf
die Regierung leite, daher bin ich bereit, die Regierungsgewalt in
die Hände des kaiserlichen Hofes zurückzugeben. Dies ist das
Beste, was ich in diesem Augenblick für die Wohlfahrt des Reiches
thun kann, und ich fordere euch Alle auf, mir eure Meinung über die
Zweckmässigkeit dieses Verfahrens kund zu geben.«
Obgleich nun keiner der unmittelbaren Vasallen offen opponierte,
erregte dieser Entschluss doch grosse Unzufriedenheit unter vielen
derselben, konnte jedoch nicht verhindert werden. Am 19. November
1867 sandte der Shôgun dem Mikado ein Memorandum mit seiner
Resignation ein. Sie wurde in erkenntlicher Form angenommen, doch
liess der Mikado den Ex-Shôgun oder Tokugawa Naifu *), wie er
jetzt viel genannt wurde, bitten, die Verwaltung einstweilen noch weiter
zu führen, mit Ausnahme der Verhaltungsmassregeln gegen die
Daimio, über welche sich der Hof demnächst nach Anhörung einer
Versammlung derselben und des Fürsten von Kaga schlüssig machen
wolle.
b. Beseitigung des Shôgunats und Restauration der Mikado-
Herrschaft. Der Bürgerkrieg im Jahre 1868. Der Mikado verlegt
seine Residenz und Regierung nach Yedo (Tôkiô). Expedition
gegen Yezo.
Der Daimio von Aidzu hatte mit seinen ihm und den Tokugawa
blind ergebenen Truppen seit Jahren die ehrenvolle Aufgabe, in Kiôto
beim kaiserlichen Schloss den Wachtdienst zu versehen, und war der-
selben gewissenhaft nachgekommen, namentlich auch bei den Zu-
sammenstössen mit Rônin aus Chôshiu und der Verbannung der sieben
Kuge. Dies und der grosse Einfluss, welchen der Aidzu-clan stets
zu Gunsten des Shôgun und Bakufu in Kioto übte, hatten ihn bei
den Chôshiu-Samurai und vielen anderen Clanen des Südens verhasst
gemacht. Jetzt nun, wo der Süden täglich mehr Einfluss auf den
Hof gewann, kam die Zeit, Aidzu den Zorn fühlen zu lassen. Am
3. Januar 1868 erliess der Hof plötzlich einen Befehl, wodurch dem
Aidzu-clan jene Wache an den Schlossthoren genommen und damit
die Truppen von Satsuma, Tosa und Geishiu (Aki) betraut wurden,
*) Naifu oder Naidaijin war der Titel, welchen Shitotsubashi bei Hofe führte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/438>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.