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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen.
zur See abfallende Küsten, während zwischen denselben an den Innen-
rändern der Buchten und insbesondere an den grösseren Flussmündungen
sich flache Gestade mit viel Dünensand ausbreiten. --

Das Meer spielt bei jener Gesammtheit von meteorologischen
Erscheinungen eines Ortes oder Gebietes, welche wir dessen Klima
nennen, eine sehr wichtige Rolle. Ist es doch als das grosse Reservoir
anzusehen, aus welchem das atmosphärische Wasser nicht blos zur
Wolken- und Regenbildung vornehmlich emporsteigt, sondern woselbst
sich alle Niederschläge am Ende wieder sammeln. Aber mit dem
Wasser sammelt sich im Meer auch ein grosser Theil der Wärme,
welche das feste Land durch Insolation empfing, und wird für kältere
Zeiten und Klimate aufgespeichert und denselben durch Strömungen
und Winde zugeführt. Eine genaue Kenntniss der Reliefverhältnisse
des Meeres, seiner horizontalen Gliederung, seiner Temperaturver-
hältnisse und Bewegungen muss zum Verständniss der Witterungs-
erscheinungen eines Inselreiches wie Japan wesentlich beitragen und
damit auch beitragen zum Verständniss der Eigenthümlichkeiten, welche
die Fauna und Flora, sowie endlich der Charakter und die Lebens-
weise der Bewohner so zahlreich aufweisen.

Nachdem eine gedrängte Darstellung der Gliederung des Meeres
an den japanischen Küsten vorausgegangen ist, mag desshalb eine
Besprechung seiner bemerkenswerthesten Bewegungen hier folgen.

Ueber die Gezeiten lässt sich bislang wenig sagen. Es fehlen
die näheren Untersuchungen über die Hafenzeiten der meisten Küsten-
orte von Bedeutung, oder wenigstens zugängige Berichte darüber,
ohne welche sich keine allgemeinen Schlüsse über diese Bewegung
ziehen lassen. Die Fluthhöhe wechselt zwar begreiflicherweise mit
der Jahreszeit und ist verschieden je nach der Breite und Beschaffen-
heit der Küste, doch ist sie im Allgemeinen nicht sehr beträchtlich
und hält sich zwischen 3 und 7 Fuss.

Unter den permanenten Strömungen in den japanischen Meeren
ist diejenige des Kuro-shiwo (schwarze Strömung) oder Japanischen
Golfstroms weitaus die auffallendste und wichtigste. Der Kuro-shiwo
beginnt zwischen Luzon und Formosa bei den Bashee-Inseln nördlich
vom 20. Breitengrad, fliesst von hier auf der Ostseite von Formosa
hin, den südlichen Riukiu entlang bis etwa zum 26. Parallel, wo eine
Gabelung eintritt, indem der Hauptstrom sich nordostwärts wendet und
die Südostseiten der grossen japanischen Inseln Kiushiu, Shikoku und
Honshiu der Reihe nach bestreicht, während ein kleiner Arm die
nördliche Richtung beibehält, den Westen von Kiushiu und die Goto
umspült und östlich von Tsushima durch die Krusensternstrasse

II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen.
zur See abfallende Küsten, während zwischen denselben an den Innen-
rändern der Buchten und insbesondere an den grösseren Flussmündungen
sich flache Gestade mit viel Dünensand ausbreiten. —

Das Meer spielt bei jener Gesammtheit von meteorologischen
Erscheinungen eines Ortes oder Gebietes, welche wir dessen Klima
nennen, eine sehr wichtige Rolle. Ist es doch als das grosse Reservoir
anzusehen, aus welchem das atmosphärische Wasser nicht blos zur
Wolken- und Regenbildung vornehmlich emporsteigt, sondern woselbst
sich alle Niederschläge am Ende wieder sammeln. Aber mit dem
Wasser sammelt sich im Meer auch ein grosser Theil der Wärme,
welche das feste Land durch Insolation empfing, und wird für kältere
Zeiten und Klimate aufgespeichert und denselben durch Strömungen
und Winde zugeführt. Eine genaue Kenntniss der Reliefverhältnisse
des Meeres, seiner horizontalen Gliederung, seiner Temperaturver-
hältnisse und Bewegungen muss zum Verständniss der Witterungs-
erscheinungen eines Inselreiches wie Japan wesentlich beitragen und
damit auch beitragen zum Verständniss der Eigenthümlichkeiten, welche
die Fauna und Flora, sowie endlich der Charakter und die Lebens-
weise der Bewohner so zahlreich aufweisen.

Nachdem eine gedrängte Darstellung der Gliederung des Meeres
an den japanischen Küsten vorausgegangen ist, mag desshalb eine
Besprechung seiner bemerkenswerthesten Bewegungen hier folgen.

Ueber die Gezeiten lässt sich bislang wenig sagen. Es fehlen
die näheren Untersuchungen über die Hafenzeiten der meisten Küsten-
orte von Bedeutung, oder wenigstens zugängige Berichte darüber,
ohne welche sich keine allgemeinen Schlüsse über diese Bewegung
ziehen lassen. Die Fluthhöhe wechselt zwar begreiflicherweise mit
der Jahreszeit und ist verschieden je nach der Breite und Beschaffen-
heit der Küste, doch ist sie im Allgemeinen nicht sehr beträchtlich
und hält sich zwischen 3 und 7 Fuss.

Unter den permanenten Strömungen in den japanischen Meeren
ist diejenige des Kuro-shiwo (schwarze Strömung) oder Japanischen
Golfstroms weitaus die auffallendste und wichtigste. Der Kuro-shiwo
beginnt zwischen Luzon und Formosa bei den Bashee-Inseln nördlich
vom 20. Breitengrad, fliesst von hier auf der Ostseite von Formosa
hin, den südlichen Riukiu entlang bis etwa zum 26. Parallel, wo eine
Gabelung eintritt, indem der Hauptstrom sich nordostwärts wendet und
die Südostseiten der grossen japanischen Inseln Kiushiu, Shikoku und
Honshiu der Reihe nach bestreicht, während ein kleiner Arm die
nördliche Richtung beibehält, den Westen von Kiushiu und die Gotô
umspült und östlich von Tsushima durch die Krusensternstrasse

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[23/0043] II. Küstengestaltung, Meerestheile, Strömungen. zur See abfallende Küsten, während zwischen denselben an den Innen- rändern der Buchten und insbesondere an den grösseren Flussmündungen sich flache Gestade mit viel Dünensand ausbreiten. — Das Meer spielt bei jener Gesammtheit von meteorologischen Erscheinungen eines Ortes oder Gebietes, welche wir dessen Klima nennen, eine sehr wichtige Rolle. Ist es doch als das grosse Reservoir anzusehen, aus welchem das atmosphärische Wasser nicht blos zur Wolken- und Regenbildung vornehmlich emporsteigt, sondern woselbst sich alle Niederschläge am Ende wieder sammeln. Aber mit dem Wasser sammelt sich im Meer auch ein grosser Theil der Wärme, welche das feste Land durch Insolation empfing, und wird für kältere Zeiten und Klimate aufgespeichert und denselben durch Strömungen und Winde zugeführt. Eine genaue Kenntniss der Reliefverhältnisse des Meeres, seiner horizontalen Gliederung, seiner Temperaturver- hältnisse und Bewegungen muss zum Verständniss der Witterungs- erscheinungen eines Inselreiches wie Japan wesentlich beitragen und damit auch beitragen zum Verständniss der Eigenthümlichkeiten, welche die Fauna und Flora, sowie endlich der Charakter und die Lebens- weise der Bewohner so zahlreich aufweisen. Nachdem eine gedrängte Darstellung der Gliederung des Meeres an den japanischen Küsten vorausgegangen ist, mag desshalb eine Besprechung seiner bemerkenswerthesten Bewegungen hier folgen. Ueber die Gezeiten lässt sich bislang wenig sagen. Es fehlen die näheren Untersuchungen über die Hafenzeiten der meisten Küsten- orte von Bedeutung, oder wenigstens zugängige Berichte darüber, ohne welche sich keine allgemeinen Schlüsse über diese Bewegung ziehen lassen. Die Fluthhöhe wechselt zwar begreiflicherweise mit der Jahreszeit und ist verschieden je nach der Breite und Beschaffen- heit der Küste, doch ist sie im Allgemeinen nicht sehr beträchtlich und hält sich zwischen 3 und 7 Fuss. Unter den permanenten Strömungen in den japanischen Meeren ist diejenige des Kuro-shiwo (schwarze Strömung) oder Japanischen Golfstroms weitaus die auffallendste und wichtigste. Der Kuro-shiwo beginnt zwischen Luzon und Formosa bei den Bashee-Inseln nördlich vom 20. Breitengrad, fliesst von hier auf der Ostseite von Formosa hin, den südlichen Riukiu entlang bis etwa zum 26. Parallel, wo eine Gabelung eintritt, indem der Hauptstrom sich nordostwärts wendet und die Südostseiten der grossen japanischen Inseln Kiushiu, Shikoku und Honshiu der Reihe nach bestreicht, während ein kleiner Arm die nördliche Richtung beibehält, den Westen von Kiushiu und die Gotô umspült und östlich von Tsushima durch die Krusensternstrasse

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/43>, abgerufen am 27.11.2024.