zumal der Fremden, einstehen konnte. Solches zeigte sich bereits bei dem nächtlichen Ueberfall der englischen Legation im Tempel Tozenji von Takanawa, der südlichen Vorstadt von Yedo, am 5. Juli 1861. Derselbe fand um Mitternacht statt, während die japanische Wache schlief. Mehrere Engländer wurden niedergehauen oder ver- wundet, die übrigen vertrieben die Mörder mit ihren Revolvern. Man nahm an, dass auch dieser Ausbruch des Fremdenhasses vom Ex- Daimio von Mito ausging, der um jene Zeit ohne Zweifel die Führer- schaft der feindlichen Bewegung hatte, obgleich die meisten direct betheiligten Ronin, soweit man erfahren konnte, zum Tsushima- Clane gehörten.
Diesen Mordanfällen waren verschiedene andere schon voraus- gegangen; eine weit grössere Zahl sollte nachfolgen. Der letzte galt unserem harmlosen Landsmann, dem Consul Haber in Hakodate, welchen 1874 mitten am Tage ein junger Samurai mit seinem Schwerte rücklings niederschlug, der ihn gar nicht kannte und nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Allgemeiner Fremdenhass, dann der Glaube, dem Lande einen Dienst und den Göttern (Kami) einen Ge- fallen zu erweisen, waren die gewöhnlichen und noch einigermaassen entschuldbaren Motive, doch gab es unter den Mördern auch viele schlechte, lebensmüde Gesellen, welche, auf die allgemeine Stimmung rechnend, durch das Hinschlachten eines Ausländers mit dem Scheine einer ritterlichen, patriotischen That ihr Leben beschliessen wollten. Die Art des Ueberfalls war fast immer eine sehr feige, hinterlistige, so viel Muth und Todesverachtung die Uebelthäter nachher auch be- kunden mochten.
Unter solchen Umständen war die Lage der Fremden und ihrer Vertreter um das Jahr 1860 und noch einige Jahre weiter hinaus eine sehr precäre. Muth, Geschick und Ausdauer bewiesen die meisten fremden Diplomaten in nicht geringem Grade. Sie verdienen dafür volles Lob; denn nur mit solchen Eigenschaften konnte es endlich gelingen, bessere Zustände schaffen und Japan in andere Bahnen überführen zu helfen. Im Vordergrunde erscheinen unter diesen Pionieren die diplomatischen Vertreter Amerikas, Englands und Preussens: Harris, Alcock und von Brandt. Sir Rutherford Alcock, jetzt einer der Vicepräsidenten der Royal Geographical Society, hat ungeachtet der grossen Lebensgefahr, in welcher er mehrmals schwebte, ausgehalten, sich auch nicht gescheut, schon 1860 eine grössere Reise ins Innere des Landes, einschliesslich einer Bestei- gung des Fuji-san zu unternehmen.
Wir sind hier den Ereignissen etwas vorausgeeilt und wollen
Rein, Japan I. 26
7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
zumal der Fremden, einstehen konnte. Solches zeigte sich bereits bei dem nächtlichen Ueberfall der englischen Legation im Tempel Tozenji von Takanawa, der südlichen Vorstadt von Yedo, am 5. Juli 1861. Derselbe fand um Mitternacht statt, während die japanische Wache schlief. Mehrere Engländer wurden niedergehauen oder ver- wundet, die übrigen vertrieben die Mörder mit ihren Revolvern. Man nahm an, dass auch dieser Ausbruch des Fremdenhasses vom Ex- Daimio von Mito ausging, der um jene Zeit ohne Zweifel die Führer- schaft der feindlichen Bewegung hatte, obgleich die meisten direct betheiligten Rônin, soweit man erfahren konnte, zum Tsushima- Clane gehörten.
Diesen Mordanfällen waren verschiedene andere schon voraus- gegangen; eine weit grössere Zahl sollte nachfolgen. Der letzte galt unserem harmlosen Landsmann, dem Consul Haber in Hakodate, welchen 1874 mitten am Tage ein junger Samurai mit seinem Schwerte rücklings niederschlug, der ihn gar nicht kannte und nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Allgemeiner Fremdenhass, dann der Glaube, dem Lande einen Dienst und den Göttern (Kami) einen Ge- fallen zu erweisen, waren die gewöhnlichen und noch einigermaassen entschuldbaren Motive, doch gab es unter den Mördern auch viele schlechte, lebensmüde Gesellen, welche, auf die allgemeine Stimmung rechnend, durch das Hinschlachten eines Ausländers mit dem Scheine einer ritterlichen, patriotischen That ihr Leben beschliessen wollten. Die Art des Ueberfalls war fast immer eine sehr feige, hinterlistige, so viel Muth und Todesverachtung die Uebelthäter nachher auch be- kunden mochten.
Unter solchen Umständen war die Lage der Fremden und ihrer Vertreter um das Jahr 1860 und noch einige Jahre weiter hinaus eine sehr precäre. Muth, Geschick und Ausdauer bewiesen die meisten fremden Diplomaten in nicht geringem Grade. Sie verdienen dafür volles Lob; denn nur mit solchen Eigenschaften konnte es endlich gelingen, bessere Zustände schaffen und Japan in andere Bahnen überführen zu helfen. Im Vordergrunde erscheinen unter diesen Pionieren die diplomatischen Vertreter Amerikas, Englands und Preussens: Harris, Alcock und von Brandt. Sir Rutherford Alcock, jetzt einer der Vicepräsidenten der Royal Geographical Society, hat ungeachtet der grossen Lebensgefahr, in welcher er mehrmals schwebte, ausgehalten, sich auch nicht gescheut, schon 1860 eine grössere Reise ins Innere des Landes, einschliesslich einer Bestei- gung des Fuji-san zu unternehmen.
Wir sind hier den Ereignissen etwas vorausgeeilt und wollen
Rein, Japan I. 26
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7. Periode. Japan seit dem Jahre 1854.
zumal der Fremden, einstehen konnte. Solches zeigte sich bereits
bei dem nächtlichen Ueberfall der englischen Legation im Tempel
Tozenji von Takanawa, der südlichen Vorstadt von Yedo, am 5. Juli
1861. Derselbe fand um Mitternacht statt, während die japanische
Wache schlief. Mehrere Engländer wurden niedergehauen oder ver-
wundet, die übrigen vertrieben die Mörder mit ihren Revolvern. Man
nahm an, dass auch dieser Ausbruch des Fremdenhasses vom Ex-
Daimio von Mito ausging, der um jene Zeit ohne Zweifel die Führer-
schaft der feindlichen Bewegung hatte, obgleich die meisten direct
betheiligten Rônin, soweit man erfahren konnte, zum Tsushima-
Clane gehörten.
Diesen Mordanfällen waren verschiedene andere schon voraus-
gegangen; eine weit grössere Zahl sollte nachfolgen. Der letzte galt
unserem harmlosen Landsmann, dem Consul Haber in Hakodate,
welchen 1874 mitten am Tage ein junger Samurai mit seinem Schwerte
rücklings niederschlug, der ihn gar nicht kannte und nie ein Wort
mit ihm gewechselt hatte. Allgemeiner Fremdenhass, dann der
Glaube, dem Lande einen Dienst und den Göttern (Kami) einen Ge-
fallen zu erweisen, waren die gewöhnlichen und noch einigermaassen
entschuldbaren Motive, doch gab es unter den Mördern auch viele
schlechte, lebensmüde Gesellen, welche, auf die allgemeine Stimmung
rechnend, durch das Hinschlachten eines Ausländers mit dem Scheine
einer ritterlichen, patriotischen That ihr Leben beschliessen wollten.
Die Art des Ueberfalls war fast immer eine sehr feige, hinterlistige,
so viel Muth und Todesverachtung die Uebelthäter nachher auch be-
kunden mochten.
Unter solchen Umständen war die Lage der Fremden und ihrer
Vertreter um das Jahr 1860 und noch einige Jahre weiter hinaus eine
sehr precäre. Muth, Geschick und Ausdauer bewiesen die meisten
fremden Diplomaten in nicht geringem Grade. Sie verdienen dafür
volles Lob; denn nur mit solchen Eigenschaften konnte es endlich
gelingen, bessere Zustände schaffen und Japan in andere Bahnen
überführen zu helfen. Im Vordergrunde erscheinen unter diesen
Pionieren die diplomatischen Vertreter Amerikas, Englands und
Preussens: Harris, Alcock und von Brandt. Sir Rutherford
Alcock, jetzt einer der Vicepräsidenten der Royal Geographical Society,
hat ungeachtet der grossen Lebensgefahr, in welcher er mehrmals
schwebte, ausgehalten, sich auch nicht gescheut, schon 1860 eine
grössere Reise ins Innere des Landes, einschliesslich einer Bestei-
gung des Fuji-san zu unternehmen.
Wir sind hier den Ereignissen etwas vorausgeeilt und wollen
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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