Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.I. Geschichte des japanischen Volkes. holländische Industrieerzeugnisse, wie Barometer und Thermometer,Uhren und andere Gegenstände mehr hier und da boten. Dann erst begann das Studium der holländischen Sprache und die Verbreitung holländischer Bücher, doch kam erst in diesem Jahrhundert mit einer laxeren Praxis in der Handhabung der alten Verordnungen gegen das Fremde mehr Leben in die Sache. Mit unendlichen Schwierigkeiten kämpften diejenigen, in welchen zuerst das Bedürf- niss nach fremder, geistiger Nahrung wieder erwachte, in einer Zeit, wo selbst die in Deshima beschäftigten Dolmetscher nicht wagten, sich der holländischen Schrift zu bedienen, und kein Buch mit fremden Typen geduldet wurde. Dann kamen holländische Bücher und Illustra- tionen meist medicinischen und technischen Inhalts spärlich da und dort hin und brachten fremde Gedanken den denkenden und streb- samen Japanern, namentlich verschiedenen Aerzten. Mit Eifer stu- dierte man Anatomie, lernte durch die Holländer zur Ader lassen, das Linne'sche und andere Pflanzensysteme durch v. Siebold und manches Andere. Mehr und mehr gewann das Studium des Hollän- dischen warme Freunde. Eine Menge Fortschritte waren in seinem Gefolge. So legte man nach holländischen Zeichnungen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Hohöfen und Mühlen an und führte manche andere gewerbliche Verbesserung ein. Die Buchdruckerkunst ver- dankt dem Verkehr mit den Holländern die Einführung beweglicher Lettern, und selbst Dampfmaschinen, Telegraph und andere Erzeug- nisse der modernen Cultur wurden dem Lande der aufgehenden Sonne auf diesem Wege zuerst bekannt. Als endlich das alte System er- lahmt war, die Geister wieder zu selbständigem politischen Denken erwachten und ihre Gedanken auch gegenseitig auszusprechen wagten, da fand es sich, dass der Sauerteig, welchen die holländischen Bücher in viele Köpfe gebracht hatten, kein geringes Gährungsmittel war. Unter den einflussreichsten Persönlichkeiten, welche die neue Zeit einleiteten, erschienen Leute, die, wie Terashima, der Minister des Auswärtigen, oder Yanagawa, der Begründer der japanischen Jour- nalistik, ihren Geist durch die Lectüre holländischer Werke gebildet hatten. I. Geschichte des japanischen Volkes. holländische Industrieerzeugnisse, wie Barometer und Thermometer,Uhren und andere Gegenstände mehr hier und da boten. Dann erst begann das Studium der holländischen Sprache und die Verbreitung holländischer Bücher, doch kam erst in diesem Jahrhundert mit einer laxeren Praxis in der Handhabung der alten Verordnungen gegen das Fremde mehr Leben in die Sache. Mit unendlichen Schwierigkeiten kämpften diejenigen, in welchen zuerst das Bedürf- niss nach fremder, geistiger Nahrung wieder erwachte, in einer Zeit, wo selbst die in Deshima beschäftigten Dolmetscher nicht wagten, sich der holländischen Schrift zu bedienen, und kein Buch mit fremden Typen geduldet wurde. Dann kamen holländische Bücher und Illustra- tionen meist medicinischen und technischen Inhalts spärlich da und dort hin und brachten fremde Gedanken den denkenden und streb- samen Japanern, namentlich verschiedenen Aerzten. Mit Eifer stu- dierte man Anatomie, lernte durch die Holländer zur Ader lassen, das Linné’sche und andere Pflanzensysteme durch v. Siebold und manches Andere. Mehr und mehr gewann das Studium des Hollän- dischen warme Freunde. Eine Menge Fortschritte waren in seinem Gefolge. So legte man nach holländischen Zeichnungen in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Hohöfen und Mühlen an und führte manche andere gewerbliche Verbesserung ein. Die Buchdruckerkunst ver- dankt dem Verkehr mit den Holländern die Einführung beweglicher Lettern, und selbst Dampfmaschinen, Telegraph und andere Erzeug- nisse der modernen Cultur wurden dem Lande der aufgehenden Sonne auf diesem Wege zuerst bekannt. Als endlich das alte System er- lahmt war, die Geister wieder zu selbständigem politischen Denken erwachten und ihre Gedanken auch gegenseitig auszusprechen wagten, da fand es sich, dass der Sauerteig, welchen die holländischen Bücher in viele Köpfe gebracht hatten, kein geringes Gährungsmittel war. Unter den einflussreichsten Persönlichkeiten, welche die neue Zeit einleiteten, erschienen Leute, die, wie Terashima, der Minister des Auswärtigen, oder Yanagawa, der Begründer der japanischen Jour- nalistik, ihren Geist durch die Lectüre holländischer Werke gebildet hatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0420" n="392"/><fw place="top" type="header">I. Geschichte des japanischen Volkes.</fw><lb/> holländische Industrieerzeugnisse, wie Barometer und Thermometer,<lb/> Uhren und andere Gegenstände mehr hier und da boten. Dann erst<lb/> begann das Studium der holländischen Sprache und die Verbreitung<lb/> holländischer Bücher, doch kam erst in diesem Jahrhundert mit<lb/> einer laxeren Praxis in der Handhabung der alten Verordnungen<lb/> gegen das Fremde mehr Leben in die Sache. Mit unendlichen<lb/> Schwierigkeiten kämpften diejenigen, in welchen zuerst das Bedürf-<lb/> niss nach fremder, geistiger Nahrung wieder erwachte, in einer Zeit,<lb/> wo selbst die in Deshima beschäftigten Dolmetscher nicht wagten,<lb/> sich der holländischen Schrift zu bedienen, und kein Buch mit fremden<lb/> Typen geduldet wurde. Dann kamen holländische Bücher und Illustra-<lb/> tionen meist medicinischen und technischen Inhalts spärlich da und<lb/> dort hin und brachten fremde Gedanken den denkenden und streb-<lb/> samen Japanern, namentlich verschiedenen Aerzten. Mit Eifer stu-<lb/> dierte man Anatomie, lernte durch die Holländer zur Ader lassen,<lb/> das Linné’sche und andere Pflanzensysteme durch v. Siebold und<lb/> manches Andere. Mehr und mehr gewann das Studium des Hollän-<lb/> dischen warme Freunde. Eine Menge Fortschritte waren in seinem<lb/> Gefolge. So legte man nach holländischen Zeichnungen in der ersten<lb/> Hälfte dieses Jahrhunderts Hohöfen und Mühlen an und führte manche<lb/> andere gewerbliche Verbesserung ein. Die Buchdruckerkunst ver-<lb/> dankt dem Verkehr mit den Holländern die Einführung beweglicher<lb/> Lettern, und selbst Dampfmaschinen, Telegraph und andere Erzeug-<lb/> nisse der modernen Cultur wurden dem Lande der aufgehenden Sonne<lb/> auf diesem Wege zuerst bekannt. Als endlich das alte System er-<lb/> lahmt war, die Geister wieder zu selbständigem politischen Denken<lb/> erwachten und ihre Gedanken auch gegenseitig auszusprechen wagten,<lb/> da fand es sich, dass der Sauerteig, welchen die holländischen Bücher<lb/> in viele Köpfe gebracht hatten, kein geringes Gährungsmittel war.<lb/> Unter den einflussreichsten Persönlichkeiten, welche die neue Zeit<lb/> einleiteten, erschienen Leute, die, wie Terashima, der Minister des<lb/> Auswärtigen, oder Yanagawa, der Begründer der japanischen Jour-<lb/> nalistik, ihren Geist durch die Lectüre holländischer Werke gebildet<lb/> hatten.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [392/0420]
I. Geschichte des japanischen Volkes.
holländische Industrieerzeugnisse, wie Barometer und Thermometer,
Uhren und andere Gegenstände mehr hier und da boten. Dann erst
begann das Studium der holländischen Sprache und die Verbreitung
holländischer Bücher, doch kam erst in diesem Jahrhundert mit
einer laxeren Praxis in der Handhabung der alten Verordnungen
gegen das Fremde mehr Leben in die Sache. Mit unendlichen
Schwierigkeiten kämpften diejenigen, in welchen zuerst das Bedürf-
niss nach fremder, geistiger Nahrung wieder erwachte, in einer Zeit,
wo selbst die in Deshima beschäftigten Dolmetscher nicht wagten,
sich der holländischen Schrift zu bedienen, und kein Buch mit fremden
Typen geduldet wurde. Dann kamen holländische Bücher und Illustra-
tionen meist medicinischen und technischen Inhalts spärlich da und
dort hin und brachten fremde Gedanken den denkenden und streb-
samen Japanern, namentlich verschiedenen Aerzten. Mit Eifer stu-
dierte man Anatomie, lernte durch die Holländer zur Ader lassen,
das Linné’sche und andere Pflanzensysteme durch v. Siebold und
manches Andere. Mehr und mehr gewann das Studium des Hollän-
dischen warme Freunde. Eine Menge Fortschritte waren in seinem
Gefolge. So legte man nach holländischen Zeichnungen in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts Hohöfen und Mühlen an und führte manche
andere gewerbliche Verbesserung ein. Die Buchdruckerkunst ver-
dankt dem Verkehr mit den Holländern die Einführung beweglicher
Lettern, und selbst Dampfmaschinen, Telegraph und andere Erzeug-
nisse der modernen Cultur wurden dem Lande der aufgehenden Sonne
auf diesem Wege zuerst bekannt. Als endlich das alte System er-
lahmt war, die Geister wieder zu selbständigem politischen Denken
erwachten und ihre Gedanken auch gegenseitig auszusprechen wagten,
da fand es sich, dass der Sauerteig, welchen die holländischen Bücher
in viele Köpfe gebracht hatten, kein geringes Gährungsmittel war.
Unter den einflussreichsten Persönlichkeiten, welche die neue Zeit
einleiteten, erschienen Leute, die, wie Terashima, der Minister des
Auswärtigen, oder Yanagawa, der Begründer der japanischen Jour-
nalistik, ihren Geist durch die Lectüre holländischer Werke gebildet
hatten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |