Dieser hatte bald ausgespielt. Das ausschweifende Leben, dem er sich in den letzten Jahren mehr und mehr hingegeben hatte, zer- rüttete seine Gesundheit. Eine Dysenterie, welche sich Ende Juni 1598 bei ihm einstellte und nicht mehr wich, führte seinen Tod her- bei, der im September 1598 eintrat. Die Zeit seiner Krankheit be- nutzte er zum Theil zu Vorbereitungen, um seinem sechsjährigen Kinde Hideyori sein Erbe zu sichern. Zunächst versammelte er alle seine Vasallen, soweit dieselben nicht bei der Armee in Korea waren, und liess sie seinem Sohne und Hause Treue schwören. Indem er dann in Gedanken bei den übrigen Fürsten des Landes Umschau hielt, fand er besonders einen, den er noch näher an sein Haus fesseln und seinen Interessen dienstbar machen musste, wenn die- selben Bestand haben sollten. Dies war Tokugawa Iyeyasu (Gieiaso, wie die Jesuiten schrieben), der Herr des Kuwanto, den er als den mächtigsten, tapfersten, edelsten, geachtetsten und von seinen Unter- gebenen am meisten geliebten Fürsten des Landes ansah. Denselben lud er zu sich ein nach Fushimi, hielt ihm in Gegenwart des ver- sammelten Hofes und aller seiner grossen Würdenträger eine Lobrede, bat ihn dann, seinem Sohne beizustehen, während dessen Minder- jährigkeit die Geschäfte des Landes zu leiten und ihm dann die Verwaltung zurückzugeben. Damit die Sache für beide Theile mehr Sicherheit und Befriedigung gewinne, proponierte ihm Taiko-sama eine Heirath zwischen Hideyori und Iyesasu's Grosstochter, die auch, obgleich beide noch unmündige Kinder waren, schon kurze Zeit darauf feierlich vollzogen wurde *). Iyeyasu war durch dies Alles scheinbar sehr gerührt. Er erinnerte Taiko-sama daran, wie er, der Herr des Kuwanto, beim Tode seines Schwagers Nobunaga nur die Provinz Mikawa besessen, dann aber bald durch seines Freundes Hülfe noch drei weitere Provinzen erworben habe. Schon kurze Zeit darauf habe ihm Taiko-sama's Güte die acht Provinzen des Kuwanto zuge- wandt. Bei so viel Gunst sei es natürlich seine und seiner Nachfolger Pflicht, Taiko-sama's Sohn treu zu dienen und sich des grossen Ver- trauens würdig zu erweisen, das jetzt wieder in ihn gesetzt werde **).
*) Iyeyasu hatte eine Schwester des Taiko-sama geheirathet, sein Sohn Iye- sada eine Adoptivtochter desselben, die Schwester von Hideyoshi's Frau Azai. Durch die neue Heirath zwischen Hideyori und der Tochter des Iyesada wurde die Verwandtschaft beider Häuser noch enger geknüpft. Die Geschichte Japans weist übrigens hunderte von Beispielen auf, dass solche Verwandtschaftsbe- ziehungen gegenüber anderen Interessen von sehr geringer Bedeutung waren.
**) Nach anderen Angaben war Iyeyasu keineswegs so gefügig, wie er hier nach der Geschichte der Kirche hingestellt wird.
I. Geschichte des japanischen Volkes.
Dieser hatte bald ausgespielt. Das ausschweifende Leben, dem er sich in den letzten Jahren mehr und mehr hingegeben hatte, zer- rüttete seine Gesundheit. Eine Dysenterie, welche sich Ende Juni 1598 bei ihm einstellte und nicht mehr wich, führte seinen Tod her- bei, der im September 1598 eintrat. Die Zeit seiner Krankheit be- nutzte er zum Theil zu Vorbereitungen, um seinem sechsjährigen Kinde Hideyori sein Erbe zu sichern. Zunächst versammelte er alle seine Vasallen, soweit dieselben nicht bei der Armee in Korea waren, und liess sie seinem Sohne und Hause Treue schwören. Indem er dann in Gedanken bei den übrigen Fürsten des Landes Umschau hielt, fand er besonders einen, den er noch näher an sein Haus fesseln und seinen Interessen dienstbar machen musste, wenn die- selben Bestand haben sollten. Dies war Tokugawa Iyeyasu (Gieiaso, wie die Jesuiten schrieben), der Herr des Kuwantô, den er als den mächtigsten, tapfersten, edelsten, geachtetsten und von seinen Unter- gebenen am meisten geliebten Fürsten des Landes ansah. Denselben lud er zu sich ein nach Fushimi, hielt ihm in Gegenwart des ver- sammelten Hofes und aller seiner grossen Würdenträger eine Lobrede, bat ihn dann, seinem Sohne beizustehen, während dessen Minder- jährigkeit die Geschäfte des Landes zu leiten und ihm dann die Verwaltung zurückzugeben. Damit die Sache für beide Theile mehr Sicherheit und Befriedigung gewinne, proponierte ihm Taikô-sama eine Heirath zwischen Hideyori und Iyesasu’s Grosstochter, die auch, obgleich beide noch unmündige Kinder waren, schon kurze Zeit darauf feierlich vollzogen wurde *). Iyeyasu war durch dies Alles scheinbar sehr gerührt. Er erinnerte Taikô-sama daran, wie er, der Herr des Kuwantô, beim Tode seines Schwagers Nobunaga nur die Provinz Mikawa besessen, dann aber bald durch seines Freundes Hülfe noch drei weitere Provinzen erworben habe. Schon kurze Zeit darauf habe ihm Taikô-sama’s Güte die acht Provinzen des Kuwantô zuge- wandt. Bei so viel Gunst sei es natürlich seine und seiner Nachfolger Pflicht, Taikô-sama’s Sohn treu zu dienen und sich des grossen Ver- trauens würdig zu erweisen, das jetzt wieder in ihn gesetzt werde **).
*) Iyeyasu hatte eine Schwester des Taikô-sama geheirathet, sein Sohn Iye- sada eine Adoptivtochter desselben, die Schwester von Hideyoshi’s Frau Azai. Durch die neue Heirath zwischen Hideyori und der Tochter des Iyesada wurde die Verwandtschaft beider Häuser noch enger geknüpft. Die Geschichte Japans weist übrigens hunderte von Beispielen auf, dass solche Verwandtschaftsbe- ziehungen gegenüber anderen Interessen von sehr geringer Bedeutung waren.
**) Nach anderen Angaben war Iyeyasu keineswegs so gefügig, wie er hier nach der Geschichte der Kirche hingestellt wird.
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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Dieser hatte bald ausgespielt. Das ausschweifende Leben, dem
er sich in den letzten Jahren mehr und mehr hingegeben hatte, zer-
rüttete seine Gesundheit. Eine Dysenterie, welche sich Ende Juni
1598 bei ihm einstellte und nicht mehr wich, führte seinen Tod her-
bei, der im September 1598 eintrat. Die Zeit seiner Krankheit be-
nutzte er zum Theil zu Vorbereitungen, um seinem sechsjährigen
Kinde Hideyori sein Erbe zu sichern. Zunächst versammelte er alle
seine Vasallen, soweit dieselben nicht bei der Armee in Korea waren,
und liess sie seinem Sohne und Hause Treue schwören. Indem er
dann in Gedanken bei den übrigen Fürsten des Landes Umschau
hielt, fand er besonders einen, den er noch näher an sein Haus
fesseln und seinen Interessen dienstbar machen musste, wenn die-
selben Bestand haben sollten. Dies war Tokugawa Iyeyasu (Gieiaso,
wie die Jesuiten schrieben), der Herr des Kuwantô, den er als den
mächtigsten, tapfersten, edelsten, geachtetsten und von seinen Unter-
gebenen am meisten geliebten Fürsten des Landes ansah. Denselben
lud er zu sich ein nach Fushimi, hielt ihm in Gegenwart des ver-
sammelten Hofes und aller seiner grossen Würdenträger eine Lobrede,
bat ihn dann, seinem Sohne beizustehen, während dessen Minder-
jährigkeit die Geschäfte des Landes zu leiten und ihm dann die
Verwaltung zurückzugeben. Damit die Sache für beide Theile mehr
Sicherheit und Befriedigung gewinne, proponierte ihm Taikô-sama
eine Heirath zwischen Hideyori und Iyesasu’s Grosstochter, die auch,
obgleich beide noch unmündige Kinder waren, schon kurze Zeit
darauf feierlich vollzogen wurde *). Iyeyasu war durch dies Alles
scheinbar sehr gerührt. Er erinnerte Taikô-sama daran, wie er, der
Herr des Kuwantô, beim Tode seines Schwagers Nobunaga nur die
Provinz Mikawa besessen, dann aber bald durch seines Freundes Hülfe
noch drei weitere Provinzen erworben habe. Schon kurze Zeit darauf
habe ihm Taikô-sama’s Güte die acht Provinzen des Kuwantô zuge-
wandt. Bei so viel Gunst sei es natürlich seine und seiner Nachfolger
Pflicht, Taikô-sama’s Sohn treu zu dienen und sich des grossen Ver-
trauens würdig zu erweisen, das jetzt wieder in ihn gesetzt werde **).
*) Iyeyasu hatte eine Schwester des Taikô-sama geheirathet, sein Sohn Iye-
sada eine Adoptivtochter desselben, die Schwester von Hideyoshi’s Frau Azai.
Durch die neue Heirath zwischen Hideyori und der Tochter des Iyesada wurde
die Verwandtschaft beider Häuser noch enger geknüpft. Die Geschichte Japans
weist übrigens hunderte von Beispielen auf, dass solche Verwandtschaftsbe-
ziehungen gegenüber anderen Interessen von sehr geringer Bedeutung waren.
**) Nach anderen Angaben war Iyeyasu keineswegs so gefügig, wie er hier
nach der Geschichte der Kirche hingestellt wird.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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