mussten. Dieses Ereigniss gab den Koreanern neuen Muth. Ueberall regte sich nun ihr Widerstand gegen den Eindringling.
Die erste Niederlage der Chinesen zu Pingshang veranlasste sie zu neuen Rüstungen, dazwischen aber zu einem Versuche, mit Konishi Frieden zu schliessen. Ein Abgesandter von Peking, Namens Chin Ikei, dessen Vollmacht, mit Konishi zu unterhandeln, zweifelhafter Art war, erlangte von den Japanern einen Waffenstillstand von fünfzig Tagen. Auf seinem Rückwege nach der chinesischen Hauptstadt traf er auf eine Armee von 40000 Mann, welche im Begriff war, den Koreanern zu Hülfe zu kommen. Ihr Führer, Ri Josho, wird als ein prahlerischer, feiger Mensch geschildert, der Verrath und andere verwerfliche Mittel dem offenen Kampfe vorzog. Als er gegen Ende 1592 mit seinem Heere Shunan in der Provinz Kionshan (Pjöngan) erreicht hatte, liess er Konishi wissen, Ikei sei angekommen und bereit, weiter mit ihm zu unterhandeln. Der japanische Heerführer sandte alsbald eine Escorte von 20--30 Mann, um Ikei abzuholen und in das japanische Lager zu begleiten. Ri (Li) Josho, der chine- sische Commandant, von dessen nahendem Heere die Japaner keine Ahnung hatten, liess diese Escorte durch einen Hinterhalt plötzlich überfallen und niedermachen, so dass nur Wenige entkamen, um Konishi Bericht über das Vorgefallene abzustatten.
Die japanische Besatzung von Ping-shang (Pean in der Histoire de l'Eglise) befand sich um diese Zeit in einer sehr üblen Lage. Unbekannt mit den Bewegungen des Feindes, der die meisten ihrer Spione ergriffen und hingerichtet hatte und seinerseits von allen Vor- gängen in der Festung wohl unterrichtet war, ohne Verstärkung vom Mutterlande zu erhalten, hatte sie viel durch Krankheit und Mangel zu leiden und hielt sich nur durch ihre gute Disciplin und ihren her- vorragenden Muth. Ihre Proviantcolonnen wurden wiederholt von den Koreanern, die Alles ringsum verwüstet hatten, überfallen und nieder- gemacht, so dass sich Jedermann nach endlicher Erlösung aus diesem Zustande sehnte, wie nur der Friede sie bringen konnte. Bald stiess das chinesische Heer, verstärkt durch koreanische Truppen, bei Ping- shang auf die Japaner. Letztere bewährten ihre alte Tapferkeit, mussten jedoch ungeachtet der Niederlage, welche sie dem Feinde bereiteten, sich in die Stadt zurückziehen, wurden hier von neuem angegriffen und in die Festung geworfen. Zwar gelang es Konishi, den Feind nochmals aus der Stadt zu vertreiben, doch war dies nur ein vorübergehender Erfolg. Die dreitägigen Kämpfe hatten sein Heer so reduciert, dass er nicht mehr Stand halten konnte. Eilig zog er im strengen Winter ab nach der nächsten südlicheren Festung,
I. Geschichte des japanischen Volkes.
mussten. Dieses Ereigniss gab den Koreanern neuen Muth. Ueberall regte sich nun ihr Widerstand gegen den Eindringling.
Die erste Niederlage der Chinesen zu Pingshang veranlasste sie zu neuen Rüstungen, dazwischen aber zu einem Versuche, mit Konishi Frieden zu schliessen. Ein Abgesandter von Peking, Namens Chin Ikei, dessen Vollmacht, mit Konishi zu unterhandeln, zweifelhafter Art war, erlangte von den Japanern einen Waffenstillstand von fünfzig Tagen. Auf seinem Rückwege nach der chinesischen Hauptstadt traf er auf eine Armee von 40000 Mann, welche im Begriff war, den Koreanern zu Hülfe zu kommen. Ihr Führer, Ri Joshô, wird als ein prahlerischer, feiger Mensch geschildert, der Verrath und andere verwerfliche Mittel dem offenen Kampfe vorzog. Als er gegen Ende 1592 mit seinem Heere Shunan in der Provinz Kionshan (Pjöngan) erreicht hatte, liess er Konishi wissen, Ikei sei angekommen und bereit, weiter mit ihm zu unterhandeln. Der japanische Heerführer sandte alsbald eine Escorte von 20—30 Mann, um Ikei abzuholen und in das japanische Lager zu begleiten. Ri (Li) Joshô, der chine- sische Commandant, von dessen nahendem Heere die Japaner keine Ahnung hatten, liess diese Escorte durch einen Hinterhalt plötzlich überfallen und niedermachen, so dass nur Wenige entkamen, um Konishi Bericht über das Vorgefallene abzustatten.
Die japanische Besatzung von Ping-shang (Pean in der Histoire de l’Eglise) befand sich um diese Zeit in einer sehr üblen Lage. Unbekannt mit den Bewegungen des Feindes, der die meisten ihrer Spione ergriffen und hingerichtet hatte und seinerseits von allen Vor- gängen in der Festung wohl unterrichtet war, ohne Verstärkung vom Mutterlande zu erhalten, hatte sie viel durch Krankheit und Mangel zu leiden und hielt sich nur durch ihre gute Disciplin und ihren her- vorragenden Muth. Ihre Proviantcolonnen wurden wiederholt von den Koreanern, die Alles ringsum verwüstet hatten, überfallen und nieder- gemacht, so dass sich Jedermann nach endlicher Erlösung aus diesem Zustande sehnte, wie nur der Friede sie bringen konnte. Bald stiess das chinesische Heer, verstärkt durch koreanische Truppen, bei Ping- shang auf die Japaner. Letztere bewährten ihre alte Tapferkeit, mussten jedoch ungeachtet der Niederlage, welche sie dem Feinde bereiteten, sich in die Stadt zurückziehen, wurden hier von neuem angegriffen und in die Festung geworfen. Zwar gelang es Konishi, den Feind nochmals aus der Stadt zu vertreiben, doch war dies nur ein vorübergehender Erfolg. Die dreitägigen Kämpfe hatten sein Heer so reduciert, dass er nicht mehr Stand halten konnte. Eilig zog er im strengen Winter ab nach der nächsten südlicheren Festung,
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I. Geschichte des japanischen Volkes.
mussten. Dieses Ereigniss gab den Koreanern neuen Muth. Ueberall
regte sich nun ihr Widerstand gegen den Eindringling.
Die erste Niederlage der Chinesen zu Pingshang veranlasste sie
zu neuen Rüstungen, dazwischen aber zu einem Versuche, mit Konishi
Frieden zu schliessen. Ein Abgesandter von Peking, Namens Chin
Ikei, dessen Vollmacht, mit Konishi zu unterhandeln, zweifelhafter
Art war, erlangte von den Japanern einen Waffenstillstand von fünfzig
Tagen. Auf seinem Rückwege nach der chinesischen Hauptstadt traf
er auf eine Armee von 40000 Mann, welche im Begriff war, den
Koreanern zu Hülfe zu kommen. Ihr Führer, Ri Joshô, wird als
ein prahlerischer, feiger Mensch geschildert, der Verrath und andere
verwerfliche Mittel dem offenen Kampfe vorzog. Als er gegen Ende
1592 mit seinem Heere Shunan in der Provinz Kionshan (Pjöngan)
erreicht hatte, liess er Konishi wissen, Ikei sei angekommen und
bereit, weiter mit ihm zu unterhandeln. Der japanische Heerführer
sandte alsbald eine Escorte von 20—30 Mann, um Ikei abzuholen
und in das japanische Lager zu begleiten. Ri (Li) Joshô, der chine-
sische Commandant, von dessen nahendem Heere die Japaner keine
Ahnung hatten, liess diese Escorte durch einen Hinterhalt plötzlich
überfallen und niedermachen, so dass nur Wenige entkamen, um
Konishi Bericht über das Vorgefallene abzustatten.
Die japanische Besatzung von Ping-shang (Pean in der Histoire
de l’Eglise) befand sich um diese Zeit in einer sehr üblen Lage.
Unbekannt mit den Bewegungen des Feindes, der die meisten ihrer
Spione ergriffen und hingerichtet hatte und seinerseits von allen Vor-
gängen in der Festung wohl unterrichtet war, ohne Verstärkung vom
Mutterlande zu erhalten, hatte sie viel durch Krankheit und Mangel
zu leiden und hielt sich nur durch ihre gute Disciplin und ihren her-
vorragenden Muth. Ihre Proviantcolonnen wurden wiederholt von den
Koreanern, die Alles ringsum verwüstet hatten, überfallen und nieder-
gemacht, so dass sich Jedermann nach endlicher Erlösung aus diesem
Zustande sehnte, wie nur der Friede sie bringen konnte. Bald stiess
das chinesische Heer, verstärkt durch koreanische Truppen, bei Ping-
shang auf die Japaner. Letztere bewährten ihre alte Tapferkeit,
mussten jedoch ungeachtet der Niederlage, welche sie dem Feinde
bereiteten, sich in die Stadt zurückziehen, wurden hier von neuem
angegriffen und in die Festung geworfen. Zwar gelang es Konishi,
den Feind nochmals aus der Stadt zu vertreiben, doch war dies nur
ein vorübergehender Erfolg. Die dreitägigen Kämpfe hatten sein
Heer so reduciert, dass er nicht mehr Stand halten konnte. Eilig
zog er im strengen Winter ab nach der nächsten südlicheren Festung,
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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