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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
schon vollbracht. Sein Stolz war dadurch in hohem Grade verletzt
und sein Hass gegen Konishi und die Christen fand neue Nahrung.

Auf verschiedenen Wegen marschierten beide Heere gegen die
Hauptstadt. Nirgends fanden sie ernsten Widerstand. Einer der
Haupterfolge des Konishi war die Einnahme der Stadt Shang-chiu
(Shonju) in der Provinz Kiung-shang (Kion-shan). Hier fand man
unter den Gefangenen einen, welcher Japanisch konnte. Diesen
sandte Konishi nach der Hauptstadt mit einem Briefe des Hideyoshi
und einer Mittheilung von ihm selbst an den Minister der auswärtigen
Angelegenheiten. Sein Schreiben lautete: "Der in Torai zum Ge-
fangenen gemachte Gouverneur von Urusan wurde frei gegeben, da-
mit er einen Brief an seine Regierung überbringe, auf den noch keine
Antwort erfolgt ist *). Wenn die Koreaner den Frieden wünschen,
so mögen sie den Ri Tokukei (ein gewisser Beamter) nach Tiaung-
chiu schicken, damit er mich dort am 28. d. M. treffe". Die Koreaner,
zum Frieden geneigt, sandten den verlangten Unterhändler mit Urusan,
dem Dolmetscher. Dieser fiel aber unterwegs der Armee des Kato
in die Hände und wurde als Spion hingerichtet. In Folge dessen
gab Tokukei seine Mission auf und kehrte zur Hauptstadt zurück.
Tiaung-chiu am oberen Kang-kiang wurde als eine der stärksten
Festungen des Königreiches angesehen, so dass die Nachricht von
ihrem Falle in der Hauptstadt grossen Schrecken verbreitete. Alles,
was konnte, floh nordwärts gegen die chinesische Grenze, selbst die
königliche Familie. Solches geschah 17 Tage nach Konishi's Landung.
Drei Tage später kamen die beiden feindlichen Heerführer in der
offenen Hauptstadt Hanshon (Han-Tshing oder Kjöng) an, vereinigten
ihre Armeen und rückten weiter nordwärts vor bis zum Rinchinkiang,
wo ihnen ein koreanisches Heer den Weg verlegte. Man simulierte
Flucht, lockte dadurch einen grossen Theil der Koreaner über den
Fluss, fiel dann über sie her und schlug sie vollständig. Da in-
dess die Disharmonie zwischen Konishi und Kato wuchs, beschlossen
sie, ihre Heere wieder zu trennen, und entschieden durch das Loos
(ein bei den Japanern aller Stände noch heutiges Tages beliebtes
Verfahren), welche Route jeder von ihnen weiter einschlagen sollte.
Kato fiel die nordöstliche Provinz Hankion (Hankiung-to) zu, welche
sich am Japanischen Meere hinzieht. Er durchzog die ganze Provinz,
hatte manchen harten Kampf zu bestehen, machte zwei Prinzen und

*) Der Gouverneur hatte sich gescheut, als befreiter Gefangener in der
Hauptstadt zu erscheinen, vorgegeben, dass er entkommen sei, und dem ent-
sprechend den Brief unterschlagen.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
schon vollbracht. Sein Stolz war dadurch in hohem Grade verletzt
und sein Hass gegen Konishi und die Christen fand neue Nahrung.

Auf verschiedenen Wegen marschierten beide Heere gegen die
Hauptstadt. Nirgends fanden sie ernsten Widerstand. Einer der
Haupterfolge des Konishi war die Einnahme der Stadt Shang-chiu
(Shonju) in der Provinz Kiung-shang (Kion-shan). Hier fand man
unter den Gefangenen einen, welcher Japanisch konnte. Diesen
sandte Konishi nach der Hauptstadt mit einem Briefe des Hideyoshi
und einer Mittheilung von ihm selbst an den Minister der auswärtigen
Angelegenheiten. Sein Schreiben lautete: »Der in Tôrai zum Ge-
fangenen gemachte Gouverneur von Urusan wurde frei gegeben, da-
mit er einen Brief an seine Regierung überbringe, auf den noch keine
Antwort erfolgt ist *). Wenn die Koreaner den Frieden wünschen,
so mögen sie den Ri Tokukei (ein gewisser Beamter) nach Tiûng-
chiu schicken, damit er mich dort am 28. d. M. treffe«. Die Koreaner,
zum Frieden geneigt, sandten den verlangten Unterhändler mit Urusan,
dem Dolmetscher. Dieser fiel aber unterwegs der Armee des Katô
in die Hände und wurde als Spion hingerichtet. In Folge dessen
gab Tokukei seine Mission auf und kehrte zur Hauptstadt zurück.
Tiûng-chiu am oberen Kang-kiang wurde als eine der stärksten
Festungen des Königreiches angesehen, so dass die Nachricht von
ihrem Falle in der Hauptstadt grossen Schrecken verbreitete. Alles,
was konnte, floh nordwärts gegen die chinesische Grenze, selbst die
königliche Familie. Solches geschah 17 Tage nach Konishi’s Landung.
Drei Tage später kamen die beiden feindlichen Heerführer in der
offenen Hauptstadt Hanshon (Han-Tshing oder Kjöng) an, vereinigten
ihre Armeen und rückten weiter nordwärts vor bis zum Rinchinkiang,
wo ihnen ein koreanisches Heer den Weg verlegte. Man simulierte
Flucht, lockte dadurch einen grossen Theil der Koreaner über den
Fluss, fiel dann über sie her und schlug sie vollständig. Da in-
dess die Disharmonie zwischen Konishi und Katô wuchs, beschlossen
sie, ihre Heere wieder zu trennen, und entschieden durch das Loos
(ein bei den Japanern aller Stände noch heutiges Tages beliebtes
Verfahren), welche Route jeder von ihnen weiter einschlagen sollte.
Katô fiel die nordöstliche Provinz Hankion (Hankiung-tô) zu, welche
sich am Japanischen Meere hinzieht. Er durchzog die ganze Provinz,
hatte manchen harten Kampf zu bestehen, machte zwei Prinzen und

*) Der Gouverneur hatte sich gescheut, als befreiter Gefangener in der
Hauptstadt zu erscheinen, vorgegeben, dass er entkommen sei, und dem ent-
sprechend den Brief unterschlagen.
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[328/0354] I. Geschichte des japanischen Volkes. schon vollbracht. Sein Stolz war dadurch in hohem Grade verletzt und sein Hass gegen Konishi und die Christen fand neue Nahrung. Auf verschiedenen Wegen marschierten beide Heere gegen die Hauptstadt. Nirgends fanden sie ernsten Widerstand. Einer der Haupterfolge des Konishi war die Einnahme der Stadt Shang-chiu (Shonju) in der Provinz Kiung-shang (Kion-shan). Hier fand man unter den Gefangenen einen, welcher Japanisch konnte. Diesen sandte Konishi nach der Hauptstadt mit einem Briefe des Hideyoshi und einer Mittheilung von ihm selbst an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Sein Schreiben lautete: »Der in Tôrai zum Ge- fangenen gemachte Gouverneur von Urusan wurde frei gegeben, da- mit er einen Brief an seine Regierung überbringe, auf den noch keine Antwort erfolgt ist *). Wenn die Koreaner den Frieden wünschen, so mögen sie den Ri Tokukei (ein gewisser Beamter) nach Tiûng- chiu schicken, damit er mich dort am 28. d. M. treffe«. Die Koreaner, zum Frieden geneigt, sandten den verlangten Unterhändler mit Urusan, dem Dolmetscher. Dieser fiel aber unterwegs der Armee des Katô in die Hände und wurde als Spion hingerichtet. In Folge dessen gab Tokukei seine Mission auf und kehrte zur Hauptstadt zurück. Tiûng-chiu am oberen Kang-kiang wurde als eine der stärksten Festungen des Königreiches angesehen, so dass die Nachricht von ihrem Falle in der Hauptstadt grossen Schrecken verbreitete. Alles, was konnte, floh nordwärts gegen die chinesische Grenze, selbst die königliche Familie. Solches geschah 17 Tage nach Konishi’s Landung. Drei Tage später kamen die beiden feindlichen Heerführer in der offenen Hauptstadt Hanshon (Han-Tshing oder Kjöng) an, vereinigten ihre Armeen und rückten weiter nordwärts vor bis zum Rinchinkiang, wo ihnen ein koreanisches Heer den Weg verlegte. Man simulierte Flucht, lockte dadurch einen grossen Theil der Koreaner über den Fluss, fiel dann über sie her und schlug sie vollständig. Da in- dess die Disharmonie zwischen Konishi und Katô wuchs, beschlossen sie, ihre Heere wieder zu trennen, und entschieden durch das Loos (ein bei den Japanern aller Stände noch heutiges Tages beliebtes Verfahren), welche Route jeder von ihnen weiter einschlagen sollte. Katô fiel die nordöstliche Provinz Hankion (Hankiung-tô) zu, welche sich am Japanischen Meere hinzieht. Er durchzog die ganze Provinz, hatte manchen harten Kampf zu bestehen, machte zwei Prinzen und *) Der Gouverneur hatte sich gescheut, als befreiter Gefangener in der Hauptstadt zu erscheinen, vorgegeben, dass er entkommen sei, und dem ent- sprechend den Brief unterschlagen.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/354>, abgerufen am 28.09.2024.