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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.

In Kiushiu hatte die einflussreiche Familie Kikuji gleich ver-
schiedenen anderen dieses Corsarenthum wesentlich unterstützt und
grossen Vortheil daraus gezogen. Ein Glied derselben, Namens Take-
masa, machte einen grossen Hof und lebte in fürstlicher Pracht.
Wiederholt empfing und entliess er mit reichen Geschenken und hohen
Versprechungen Gesandtschaften, welche die Höfe von China und
Korea nach Japan beordert hatten, um wegen dieses Räuberwesens
Vorstellungen und Beschwerden zu erheben, ohne dass dieselben ihr
Ziel erreicht und bis zur Regierung in Yoshino oder Kioto gelangt
wären. Eine neue koreanische Gesandtschaft drang endlich durch.
Yoshimitsu, der thatkräftige Shogun, vernahm ihre Klagen, und da
dies in die Zeit der Aussöhnung beider Dynastien fiel, konnte er auch
Abhülfe schaffen und unter anderem mehrere hundert Koreaner, welche
jene Seeräuber nach Kiushiu geschleppt hatten, ihrem Vaterlande zu-
rückgeben. China versäumte nicht, ihm hierfür seinen Dank abzu-
statten. Diese Ereignisse fallen in die erste Zeit der Ming. Nach-
dem diese Dynastie die Tatarenherrschaft abgeschüttelt und im Innern
Chinas wieder geordnete Zustände geschaffen hatte, warf sie ihren
Blick auf die Küsten und bemühte sich hier ebenfalls, die lang ent-
behrte Sicherheit wiederzuschaffen. Durch das Entgegenkommen und
die Mitwirkung Japans gelang dies auch. Für beide Länder erwuchs
daraus ein freundlicher gegenseitiger Verkehr, der indess verschieden
gedeutet wird. China war damals in den Augen der gebildeten Ja-
paner das mustergültige Land, und die grösste Staatsweisheit der-
selben bestand darin, dasselbe nachzuahmen. Freundliche Beziehungen
zu ihm sah man daher als einen grossen Vortheil für Japan an. Nun
scheint es aber, dass der Shogun Ashikaga-Yoshimitsu in seinem Be-
streben, solche zu schaffen, zu weit ging, indem er Japan in eine
Art Abhängigkeitsverhältniss zu China brachte. Um das Jahr 1400
nahm er, wie aus chinesischen und japanischen Annalen hervorgeht,
vom chinesischen Kaiser Sing-Sung-Hoan-ti den Titel Jippan-nang
(Nippon-o), König von Japan, an und verpflichtete sich zur Zahlung
eines jährlichen Tributs von 1000 Unzen Gold. Die Japaner, deren
Patriotismus dies ungern zugiebt, deuten dies so, dass jene Summe

Gesellschaft für Erdkunde, Berlin 1879, pag. 181 etc.: "Längs der Küste von
der Yang-tz'-Kiang-Mündung bis nach Kuang-Tung fällt (auf einer jener Karten)
der fünfmal wiederholte Name Hai-Woe (Meer-Japaner) auf, der sich auf die
zur Zeit der Ming geschehenen Landungen der Japaner bezieht. Noch heutzu-
tage sollen die Kinder in Tsho-Kiang mit dem Schreckensworte "Wo-schön-lai
(in dortiger Mundart Wo-ning-la), die Japaner kommen", zur Ruhe ermahnt
werden".
I. Geschichte des japanischen Volkes.

In Kiushiu hatte die einflussreiche Familie Kikuji gleich ver-
schiedenen anderen dieses Corsarenthum wesentlich unterstützt und
grossen Vortheil daraus gezogen. Ein Glied derselben, Namens Take-
masa, machte einen grossen Hof und lebte in fürstlicher Pracht.
Wiederholt empfing und entliess er mit reichen Geschenken und hohen
Versprechungen Gesandtschaften, welche die Höfe von China und
Korea nach Japan beordert hatten, um wegen dieses Räuberwesens
Vorstellungen und Beschwerden zu erheben, ohne dass dieselben ihr
Ziel erreicht und bis zur Regierung in Yoshino oder Kiôto gelangt
wären. Eine neue koreanische Gesandtschaft drang endlich durch.
Yoshimitsu, der thatkräftige Shôgun, vernahm ihre Klagen, und da
dies in die Zeit der Aussöhnung beider Dynastien fiel, konnte er auch
Abhülfe schaffen und unter anderem mehrere hundert Koreaner, welche
jene Seeräuber nach Kiushiu geschleppt hatten, ihrem Vaterlande zu-
rückgeben. China versäumte nicht, ihm hierfür seinen Dank abzu-
statten. Diese Ereignisse fallen in die erste Zeit der Ming. Nach-
dem diese Dynastie die Tatarenherrschaft abgeschüttelt und im Innern
Chinas wieder geordnete Zustände geschaffen hatte, warf sie ihren
Blick auf die Küsten und bemühte sich hier ebenfalls, die lang ent-
behrte Sicherheit wiederzuschaffen. Durch das Entgegenkommen und
die Mitwirkung Japans gelang dies auch. Für beide Länder erwuchs
daraus ein freundlicher gegenseitiger Verkehr, der indess verschieden
gedeutet wird. China war damals in den Augen der gebildeten Ja-
paner das mustergültige Land, und die grösste Staatsweisheit der-
selben bestand darin, dasselbe nachzuahmen. Freundliche Beziehungen
zu ihm sah man daher als einen grossen Vortheil für Japan an. Nun
scheint es aber, dass der Shôgun Ashikaga-Yoshimitsu in seinem Be-
streben, solche zu schaffen, zu weit ging, indem er Japan in eine
Art Abhängigkeitsverhältniss zu China brachte. Um das Jahr 1400
nahm er, wie aus chinesischen und japanischen Annalen hervorgeht,
vom chinesischen Kaiser Sing-Sung-Hoan-ti den Titel Jippan-nang
(Nippon-ô), König von Japan, an und verpflichtete sich zur Zahlung
eines jährlichen Tributs von 1000 Unzen Gold. Die Japaner, deren
Patriotismus dies ungern zugiebt, deuten dies so, dass jene Summe

Gesellschaft für Erdkunde, Berlin 1879, pag. 181 etc.: »Längs der Küste von
der Yang-tz’-Kiang-Mündung bis nach Kuang-Tung fällt (auf einer jener Karten)
der fünfmal wiederholte Name Hai-Woe (Meer-Japaner) auf, der sich auf die
zur Zeit der Ming geschehenen Landungen der Japaner bezieht. Noch heutzu-
tage sollen die Kinder in Tshô-Kiang mit dem Schreckensworte »Wo-schön-lai
(in dortiger Mundart Wo-ning-lâ), die Japaner kommen«, zur Ruhe ermahnt
werden«.
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[298/0324] I. Geschichte des japanischen Volkes. In Kiushiu hatte die einflussreiche Familie Kikuji gleich ver- schiedenen anderen dieses Corsarenthum wesentlich unterstützt und grossen Vortheil daraus gezogen. Ein Glied derselben, Namens Take- masa, machte einen grossen Hof und lebte in fürstlicher Pracht. Wiederholt empfing und entliess er mit reichen Geschenken und hohen Versprechungen Gesandtschaften, welche die Höfe von China und Korea nach Japan beordert hatten, um wegen dieses Räuberwesens Vorstellungen und Beschwerden zu erheben, ohne dass dieselben ihr Ziel erreicht und bis zur Regierung in Yoshino oder Kiôto gelangt wären. Eine neue koreanische Gesandtschaft drang endlich durch. Yoshimitsu, der thatkräftige Shôgun, vernahm ihre Klagen, und da dies in die Zeit der Aussöhnung beider Dynastien fiel, konnte er auch Abhülfe schaffen und unter anderem mehrere hundert Koreaner, welche jene Seeräuber nach Kiushiu geschleppt hatten, ihrem Vaterlande zu- rückgeben. China versäumte nicht, ihm hierfür seinen Dank abzu- statten. Diese Ereignisse fallen in die erste Zeit der Ming. Nach- dem diese Dynastie die Tatarenherrschaft abgeschüttelt und im Innern Chinas wieder geordnete Zustände geschaffen hatte, warf sie ihren Blick auf die Küsten und bemühte sich hier ebenfalls, die lang ent- behrte Sicherheit wiederzuschaffen. Durch das Entgegenkommen und die Mitwirkung Japans gelang dies auch. Für beide Länder erwuchs daraus ein freundlicher gegenseitiger Verkehr, der indess verschieden gedeutet wird. China war damals in den Augen der gebildeten Ja- paner das mustergültige Land, und die grösste Staatsweisheit der- selben bestand darin, dasselbe nachzuahmen. Freundliche Beziehungen zu ihm sah man daher als einen grossen Vortheil für Japan an. Nun scheint es aber, dass der Shôgun Ashikaga-Yoshimitsu in seinem Be- streben, solche zu schaffen, zu weit ging, indem er Japan in eine Art Abhängigkeitsverhältniss zu China brachte. Um das Jahr 1400 nahm er, wie aus chinesischen und japanischen Annalen hervorgeht, vom chinesischen Kaiser Sing-Sung-Hoan-ti den Titel Jippan-nang (Nippon-ô), König von Japan, an und verpflichtete sich zur Zahlung eines jährlichen Tributs von 1000 Unzen Gold. Die Japaner, deren Patriotismus dies ungern zugiebt, deuten dies so, dass jene Summe *) *) Gesellschaft für Erdkunde, Berlin 1879, pag. 181 etc.: »Längs der Küste von der Yang-tz’-Kiang-Mündung bis nach Kuang-Tung fällt (auf einer jener Karten) der fünfmal wiederholte Name Hai-Woe (Meer-Japaner) auf, der sich auf die zur Zeit der Ming geschehenen Landungen der Japaner bezieht. Noch heutzu- tage sollen die Kinder in Tshô-Kiang mit dem Schreckensworte »Wo-schön-lai (in dortiger Mundart Wo-ning-lâ), die Japaner kommen«, zur Ruhe ermahnt werden«.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/324>, abgerufen am 22.11.2024.