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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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4. Periode. Das Shogunat der Ashikaga vom Falle der Hojo etc.
eine Proclamation, worin er sich als den einzig rechtmässigen Erben
des göttlichen Vermächtnisses hinstellte und seine Gegner, die Usur-
patoren in Kioto, in die Acht erklärte (1337). Von jetzt ab hat Japan
56 Jahre lang zwei Dynastien neben einander, diejenige des Uda II.
(Go-Uda-Tenno) in Yoshino, welche auch Nancho oder Dynastie
des Südens genannt und als die legitime in der japanischen Geschichte
betrachtet wird, und die Dynastie des Nordens oder Hokucho,
welche von Fushimi abstammt, in Kioto. Man hat die inneren Kämpfe,
welche nunmehr von neuem über das Land hereinbrachen und die
trostlosesten Zustände schufen von allen, die Japan je kennen gelernt
hat, wohl auch nach Analogie des langen englischen Erbfolgekrieges
unter den beiden Rosen, den Krieg der Chrysanthemums genannt,
weil die Blüthe des Chrysanthemum indicum (jap. Kiku) gewisser-
massen das Sinnbild der Sonne und der kaiserlichen Autorität ist.

Takauji hatte neben manchen schlechten Eigenschaften, unter
denen seine Treulosigkeit erst gegen die Hojo und dann gegen den
Kaiser obenan stehen, auch viele gute Seiten. So war er gewinnend
freundlich und dankbar gegen Alle, die ihm zur Seite standen, wohl-
wollend, versöhnlich selbst gegen seine Feinde. Er hatte das Glück,
eine Reihe tüchtiger Männer an sich und seine Familie zu fesseln,
vornehmlich die Hosokawa, Akamatsu, Hatakeyama, Shiba und Uye-
sugi, seine Vasallen, unter denen wohl Hosokawa-Yoriyuki, ein
Vorfahr der späteren Daimiofamilie von Higo, Allen voranstand. Als
Tai-Shogun musste er seine Interessen in Kioto wahren, während
sein Sohn Yoshimori unter dem einfachen Titel Shogun in Kama-
kura residierte. Unter ihm führte ein Shikken (Premierminister) in
Kioto die Regierung über die westlichen Provinzen, während von
Kamakura aus ein Kuwan-rei (Gouverneur) unter dem Shogun die
Angelegenheiten der östlichen Provinzen leitete. Ashikaga-Tada-
tsune
stand im Innern des Landes, engagiert durch Kämpfe gegen
die Anhänger Go-Daigo-Tenno's in Echigo. Für dessen Sache kämpften
hier tapfer Fujiwara-no-Yoritomo und die beiden Nitta, wurden jedoch
endlich überwunden. Von Nitta-Yoshisada's Ende im Jahre 1338 er-
zählt die Geschichte Folgendes:

Als Yoshisada in der Nähe von Fuchiu, der Hauptstadt von
Echizen, mit etwa fünfzig Begleitern ohne Schild auf einer Recogno-
scierung begriffen war, wurden sie plötzlich in einem Hohlwege von
etwa 3000 Feinden angegriffen. Einige baten Nitta, zu entfliehen.
Er aber antwortete: "Es ist nicht mein Wunsch, meine erschlagenen
Gefährten zu überleben". Darauf kehrte er sein Pferd gegen den
Feind und vertheidigte sich mit seinem Schwerte, bis sein Pferd

4. Periode. Das Shôgunat der Ashikaga vom Falle der Hôjô etc.
eine Proclamation, worin er sich als den einzig rechtmässigen Erben
des göttlichen Vermächtnisses hinstellte und seine Gegner, die Usur-
patoren in Kiôto, in die Acht erklärte (1337). Von jetzt ab hat Japan
56 Jahre lang zwei Dynastien neben einander, diejenige des Uda II.
(Go-Uda-Tennô) in Yoshino, welche auch Nanchô oder Dynastie
des Südens genannt und als die legitime in der japanischen Geschichte
betrachtet wird, und die Dynastie des Nordens oder Hokuchô,
welche von Fushimi abstammt, in Kiôto. Man hat die inneren Kämpfe,
welche nunmehr von neuem über das Land hereinbrachen und die
trostlosesten Zustände schufen von allen, die Japan je kennen gelernt
hat, wohl auch nach Analogie des langen englischen Erbfolgekrieges
unter den beiden Rosen, den Krieg der Chrysanthemums genannt,
weil die Blüthe des Chrysanthemum indicum (jap. Kiku) gewisser-
massen das Sinnbild der Sonne und der kaiserlichen Autorität ist.

Takauji hatte neben manchen schlechten Eigenschaften, unter
denen seine Treulosigkeit erst gegen die Hôjô und dann gegen den
Kaiser obenan stehen, auch viele gute Seiten. So war er gewinnend
freundlich und dankbar gegen Alle, die ihm zur Seite standen, wohl-
wollend, versöhnlich selbst gegen seine Feinde. Er hatte das Glück,
eine Reihe tüchtiger Männer an sich und seine Familie zu fesseln,
vornehmlich die Hosokawa, Akamatsu, Hatakeyama, Shiba und Uye-
sugi, seine Vasallen, unter denen wohl Hosokawa-Yoriyuki, ein
Vorfahr der späteren Daimiofamilie von Higo, Allen voranstand. Als
Tai-Shôgun musste er seine Interessen in Kiôto wahren, während
sein Sohn Yoshimori unter dem einfachen Titel Shôgun in Kama-
kura residierte. Unter ihm führte ein Shikken (Premierminister) in
Kiôto die Regierung über die westlichen Provinzen, während von
Kamakura aus ein Kuwan-rei (Gouverneur) unter dem Shôgun die
Angelegenheiten der östlichen Provinzen leitete. Ashikaga-Tada-
tsune
stand im Innern des Landes, engagiert durch Kämpfe gegen
die Anhänger Go-Daigô-Tennô’s in Echigo. Für dessen Sache kämpften
hier tapfer Fujiwara-no-Yoritomo und die beiden Nitta, wurden jedoch
endlich überwunden. Von Nitta-Yoshisada’s Ende im Jahre 1338 er-
zählt die Geschichte Folgendes:

Als Yoshisada in der Nähe von Fuchiu, der Hauptstadt von
Echizen, mit etwa fünfzig Begleitern ohne Schild auf einer Recogno-
scierung begriffen war, wurden sie plötzlich in einem Hohlwege von
etwa 3000 Feinden angegriffen. Einige baten Nitta, zu entfliehen.
Er aber antwortete: »Es ist nicht mein Wunsch, meine erschlagenen
Gefährten zu überleben«. Darauf kehrte er sein Pferd gegen den
Feind und vertheidigte sich mit seinem Schwerte, bis sein Pferd

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[295/0321] 4. Periode. Das Shôgunat der Ashikaga vom Falle der Hôjô etc. eine Proclamation, worin er sich als den einzig rechtmässigen Erben des göttlichen Vermächtnisses hinstellte und seine Gegner, die Usur- patoren in Kiôto, in die Acht erklärte (1337). Von jetzt ab hat Japan 56 Jahre lang zwei Dynastien neben einander, diejenige des Uda II. (Go-Uda-Tennô) in Yoshino, welche auch Nanchô oder Dynastie des Südens genannt und als die legitime in der japanischen Geschichte betrachtet wird, und die Dynastie des Nordens oder Hokuchô, welche von Fushimi abstammt, in Kiôto. Man hat die inneren Kämpfe, welche nunmehr von neuem über das Land hereinbrachen und die trostlosesten Zustände schufen von allen, die Japan je kennen gelernt hat, wohl auch nach Analogie des langen englischen Erbfolgekrieges unter den beiden Rosen, den Krieg der Chrysanthemums genannt, weil die Blüthe des Chrysanthemum indicum (jap. Kiku) gewisser- massen das Sinnbild der Sonne und der kaiserlichen Autorität ist. Takauji hatte neben manchen schlechten Eigenschaften, unter denen seine Treulosigkeit erst gegen die Hôjô und dann gegen den Kaiser obenan stehen, auch viele gute Seiten. So war er gewinnend freundlich und dankbar gegen Alle, die ihm zur Seite standen, wohl- wollend, versöhnlich selbst gegen seine Feinde. Er hatte das Glück, eine Reihe tüchtiger Männer an sich und seine Familie zu fesseln, vornehmlich die Hosokawa, Akamatsu, Hatakeyama, Shiba und Uye- sugi, seine Vasallen, unter denen wohl Hosokawa-Yoriyuki, ein Vorfahr der späteren Daimiofamilie von Higo, Allen voranstand. Als Tai-Shôgun musste er seine Interessen in Kiôto wahren, während sein Sohn Yoshimori unter dem einfachen Titel Shôgun in Kama- kura residierte. Unter ihm führte ein Shikken (Premierminister) in Kiôto die Regierung über die westlichen Provinzen, während von Kamakura aus ein Kuwan-rei (Gouverneur) unter dem Shôgun die Angelegenheiten der östlichen Provinzen leitete. Ashikaga-Tada- tsune stand im Innern des Landes, engagiert durch Kämpfe gegen die Anhänger Go-Daigô-Tennô’s in Echigo. Für dessen Sache kämpften hier tapfer Fujiwara-no-Yoritomo und die beiden Nitta, wurden jedoch endlich überwunden. Von Nitta-Yoshisada’s Ende im Jahre 1338 er- zählt die Geschichte Folgendes: Als Yoshisada in der Nähe von Fuchiu, der Hauptstadt von Echizen, mit etwa fünfzig Begleitern ohne Schild auf einer Recogno- scierung begriffen war, wurden sie plötzlich in einem Hohlwege von etwa 3000 Feinden angegriffen. Einige baten Nitta, zu entfliehen. Er aber antwortete: »Es ist nicht mein Wunsch, meine erschlagenen Gefährten zu überleben«. Darauf kehrte er sein Pferd gegen den Feind und vertheidigte sich mit seinem Schwerte, bis sein Pferd

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/321>, abgerufen am 22.11.2024.