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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
Panzer tragen". Wiederum bat Hirotomo seinen Herrn, die Ceremonie
dann doch bei Tage vorzunehmen, worauf Nakaakira erwiederte:
"Es bei Lampenlicht zu thun ist alter Brauch". Als Sanetomo weg-
gehen wollte, liess er sich von Hada Kinuji sein Haar kämmen, zog
sich dann ein Haar aus und gab es demselben, indem er lächelnd
bemerkte: "Dieses vermache ich dir". Die hohen Staatsbeamten und
eine tausend Mann starke Eskorte begleiteten Sanetomo. Yoshitoki
war auch dabei, doch als die Procession in den Tempelhof eintrat,
entschuldigte er sich wegen Unwohlseins, übergab Nakaakira sein
Schwert und ging heim. Dann entliess Sanetomo seine ganze Eskorte
und behielt nur Nakaakira bei sich. Als er die Treppe hinunter
ging, sprang plötzlich ein Mann mit geschwungenem Schwert von der
Seite an ihn und Nakaakira heran und hieb beiden mit zwei wuch-
tigen Schlägen die Köpfe ab, dann entfloh er, indem er die Köpfe
mitnahm. Dunkle Nacht herrschte, während dies geschah. Das Ge-
folge gerieth in Bestürzung, denn Niemand wusste, wer die That
begangen hatte. Da rief Jemand mit lauter Stimme: "Ich bin Kugio!
ich habe Rache genommen an meines Vaters Mördern!" Nun wusste
man, dass Kugio es gethan hatte, und umstellte seine Wohnung.
Dieser aber hielt Sanetomo's Kopf in der Hand und begab sich un-
verzüglich in das Haus eines gewissen Bichiu, wo er Speise zu sich
nahm, ohne den Kopf aus der Hand zu lassen. Nun war der jüngste
Sohn von Miura Yoshimura ein Zögling des Kugio. Denselben sandte
dieser an dessen Vater Yoshimura, um sich Rath zu holen. Yoshi-
mura aber täuschte ihn, indem er ihm sagen liess, dass er mit Truppen
ihm entgegen kommen wolle, und benachrichtigte Yoshitoki, welcher
den Kugio sofort zu tödten befahl. Hierauf sandte Yoshimura den
Nagao Sadakage an der Spitze von fünf starken Kriegern zur Stelle.
Nachdem Kugio längere Zeit auf die zugesagten Truppen gewartet
hatte, überschritt er den Hügel beim Tempel auf dem Wege nach
dem Hause des Yoshimura. Hier begegneten ihm die Soldaten, gegen
die er sich tapfer zur Wehre setzte. Indessen gelang es Sadakage,
ihm den Kopf abzuhauen, mit dem er sich zu Yoshitoki begab. Am
folgenden Tage begrub man Sanetomo ohne den Kopf, der nicht auf-
zufinden war. Kugio zählte 19, Sanetomo 28 Jahre. So endete die
Hauptlinie der Minamoto.

Die einzigen Personen, mit welchen Yoshitoki nunmehr noch zu
rechnen hatte, waren Masago in Kamakura und Go-Toba (Toba II.)
in Kioto. Erstere war nicht gewillt, das Erbe ihres Mannes nun auch
im einzigen noch übrigen Theile, der Shogun-Würde, auf ihre männ-
lichen Geburtsverwandten, welche ihre eigenen Kinder und Enkel zu

I. Geschichte des japanischen Volkes.
Panzer tragen«. Wiederum bat Hirotomo seinen Herrn, die Ceremonie
dann doch bei Tage vorzunehmen, worauf Nakaakira erwiederte:
»Es bei Lampenlicht zu thun ist alter Brauch«. Als Sanetomo weg-
gehen wollte, liess er sich von Hada Kinuji sein Haar kämmen, zog
sich dann ein Haar aus und gab es demselben, indem er lächelnd
bemerkte: »Dieses vermache ich dir«. Die hohen Staatsbeamten und
eine tausend Mann starke Eskorte begleiteten Sanetomo. Yoshitoki
war auch dabei, doch als die Procession in den Tempelhof eintrat,
entschuldigte er sich wegen Unwohlseins, übergab Nakaakira sein
Schwert und ging heim. Dann entliess Sanetomo seine ganze Eskorte
und behielt nur Nakaakira bei sich. Als er die Treppe hinunter
ging, sprang plötzlich ein Mann mit geschwungenem Schwert von der
Seite an ihn und Nakaakira heran und hieb beiden mit zwei wuch-
tigen Schlägen die Köpfe ab, dann entfloh er, indem er die Köpfe
mitnahm. Dunkle Nacht herrschte, während dies geschah. Das Ge-
folge gerieth in Bestürzung, denn Niemand wusste, wer die That
begangen hatte. Da rief Jemand mit lauter Stimme: »Ich bin Kugiô!
ich habe Rache genommen an meines Vaters Mördern!« Nun wusste
man, dass Kugiô es gethan hatte, und umstellte seine Wohnung.
Dieser aber hielt Sanetomo’s Kopf in der Hand und begab sich un-
verzüglich in das Haus eines gewissen Bichiu, wo er Speise zu sich
nahm, ohne den Kopf aus der Hand zu lassen. Nun war der jüngste
Sohn von Miura Yoshimura ein Zögling des Kugiô. Denselben sandte
dieser an dessen Vater Yoshimura, um sich Rath zu holen. Yoshi-
mura aber täuschte ihn, indem er ihm sagen liess, dass er mit Truppen
ihm entgegen kommen wolle, und benachrichtigte Yoshitoki, welcher
den Kugiô sofort zu tödten befahl. Hierauf sandte Yoshimura den
Nagao Sadakage an der Spitze von fünf starken Kriegern zur Stelle.
Nachdem Kugiô längere Zeit auf die zugesagten Truppen gewartet
hatte, überschritt er den Hügel beim Tempel auf dem Wege nach
dem Hause des Yoshimura. Hier begegneten ihm die Soldaten, gegen
die er sich tapfer zur Wehre setzte. Indessen gelang es Sadakage,
ihm den Kopf abzuhauen, mit dem er sich zu Yoshitoki begab. Am
folgenden Tage begrub man Sanetomo ohne den Kopf, der nicht auf-
zufinden war. Kugiô zählte 19, Sanetomo 28 Jahre. So endete die
Hauptlinie der Minamoto.

Die einzigen Personen, mit welchen Yoshitoki nunmehr noch zu
rechnen hatte, waren Masago in Kamakura und Go-Toba (Toba II.)
in Kiôto. Erstere war nicht gewillt, das Erbe ihres Mannes nun auch
im einzigen noch übrigen Theile, der Shôgun-Würde, auf ihre männ-
lichen Geburtsverwandten, welche ihre eigenen Kinder und Enkel zu

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[282/0308] I. Geschichte des japanischen Volkes. Panzer tragen«. Wiederum bat Hirotomo seinen Herrn, die Ceremonie dann doch bei Tage vorzunehmen, worauf Nakaakira erwiederte: »Es bei Lampenlicht zu thun ist alter Brauch«. Als Sanetomo weg- gehen wollte, liess er sich von Hada Kinuji sein Haar kämmen, zog sich dann ein Haar aus und gab es demselben, indem er lächelnd bemerkte: »Dieses vermache ich dir«. Die hohen Staatsbeamten und eine tausend Mann starke Eskorte begleiteten Sanetomo. Yoshitoki war auch dabei, doch als die Procession in den Tempelhof eintrat, entschuldigte er sich wegen Unwohlseins, übergab Nakaakira sein Schwert und ging heim. Dann entliess Sanetomo seine ganze Eskorte und behielt nur Nakaakira bei sich. Als er die Treppe hinunter ging, sprang plötzlich ein Mann mit geschwungenem Schwert von der Seite an ihn und Nakaakira heran und hieb beiden mit zwei wuch- tigen Schlägen die Köpfe ab, dann entfloh er, indem er die Köpfe mitnahm. Dunkle Nacht herrschte, während dies geschah. Das Ge- folge gerieth in Bestürzung, denn Niemand wusste, wer die That begangen hatte. Da rief Jemand mit lauter Stimme: »Ich bin Kugiô! ich habe Rache genommen an meines Vaters Mördern!« Nun wusste man, dass Kugiô es gethan hatte, und umstellte seine Wohnung. Dieser aber hielt Sanetomo’s Kopf in der Hand und begab sich un- verzüglich in das Haus eines gewissen Bichiu, wo er Speise zu sich nahm, ohne den Kopf aus der Hand zu lassen. Nun war der jüngste Sohn von Miura Yoshimura ein Zögling des Kugiô. Denselben sandte dieser an dessen Vater Yoshimura, um sich Rath zu holen. Yoshi- mura aber täuschte ihn, indem er ihm sagen liess, dass er mit Truppen ihm entgegen kommen wolle, und benachrichtigte Yoshitoki, welcher den Kugiô sofort zu tödten befahl. Hierauf sandte Yoshimura den Nagao Sadakage an der Spitze von fünf starken Kriegern zur Stelle. Nachdem Kugiô längere Zeit auf die zugesagten Truppen gewartet hatte, überschritt er den Hügel beim Tempel auf dem Wege nach dem Hause des Yoshimura. Hier begegneten ihm die Soldaten, gegen die er sich tapfer zur Wehre setzte. Indessen gelang es Sadakage, ihm den Kopf abzuhauen, mit dem er sich zu Yoshitoki begab. Am folgenden Tage begrub man Sanetomo ohne den Kopf, der nicht auf- zufinden war. Kugiô zählte 19, Sanetomo 28 Jahre. So endete die Hauptlinie der Minamoto. Die einzigen Personen, mit welchen Yoshitoki nunmehr noch zu rechnen hatte, waren Masago in Kamakura und Go-Toba (Toba II.) in Kiôto. Erstere war nicht gewillt, das Erbe ihres Mannes nun auch im einzigen noch übrigen Theile, der Shôgun-Würde, auf ihre männ- lichen Geburtsverwandten, welche ihre eigenen Kinder und Enkel zu

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/308>, abgerufen am 25.11.2024.