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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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3. Periode. Von Yoritomo's Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
der nach Herrschaft strebende Grossvater dies Leben ebenfalls nicht
ungern sah. Masago, die Mutter des Yoriiye, war nach dem Tode
des Yoritomo, der Sitte jener Zeit entsprechend, Nonne geworden.
Dies hinderte jedoch die kluge und gewandte Frau nicht, an den
Staatsangelegenheiten den lebhaftesten Antheil zu nehmen. So wurde
auf ihren Betrieb aus den hervorragendsten Freunden ihres Mannes
unter dem Vorsitze ihres Vaters Hojo-Tokimasa ein Familienrath
gegründet, zu dem Oye-Hiromoto und Miura-Yoshinobu ge-
hörten *), um die Mittel zu berathen, durch welche man den schlechten
Gewohnheiten Yoriiye's am besten ein Ende machen könne. Man
schlug diesem vor, die Administration der östlichen Provinzen an
seinen jüngeren Bruder Sanetomo, der westlichen an seinen Sohn
Ichiman abzugeben. Da aber jener nur 12 Jahre zählte, dieser
noch in den Windeln lag, so hiess dies einfach die Regierung den
Hojo übergeben. Yoshikazu rieth seinem Schwiegersohne ab, darauf
einzugehen und zettelte eine Verschwörung an, durch die sich Yoriiye
der Hojo entledigen und dann seinen Sohn zum Nachfolger machen
sollte. Tokimasa schlug die Gegner und zögerte nun seinerseits nicht,
nicht blos Yoshikazu, sondern auch seinen eigenen Grossenkel Ichiman
ermorden zu lassen (1203). Hierauf wurde Yoriiye depossediert, nach
Idzu verbannt und dann ebenfalls heimlich ermordet. Zu seinem
Nachfolger machte man Sanetomo (1203). Hiermit war die Familie
Hojo auf den Gipfel ihrer Macht gelangt, indem sie factisch die Ge-
schicke des Landes in Händen hatte. Die Rolle, welche früher die
Fujiwara und dann die Taira am Hofe zu Kioto unter Frauen und
unmündigen Kindern so lange gespielt hatten, übernahmen nun die
Hojo in Kamakura den Erben Yoritomo's und des Shogunats gegen-
über und somit auch in Bezug auf den Hof in Kioto. Nie waren
sie in der Anwendung der verwerflichsten Mittel irgendwie scru-
pulös, ja übertrafen darin sogar alle ihre Vorbilder. Die Shogune
waren blose Puppen, vom Shogunat blieb nur die Form und der
Name, während die Hojo unter dem Titel Shukken das Land
regierten und in ihren ersten Gliedern einen Nepotismus entfalteten,
welcher ebenfalls den der Taira weit in den Schatten stellte. Mit
Recht nennt man daher diese lange Periode von 1199 bis 1334 die
Zeit der Schatten-Shogune oder der Regentschaft des Hauses Hojo.
Einzelne der zwölf auf einander folgenden Shukken (Tokimasa,

*) Die angesehene Familie Miura hatte den Minamoto stets treu zur Seite
gestanden und war auch wieder bei Yoritomo's Landung in Awa unter den ersten
erschienen, die sich um die weisse Fahne gesammelt hatten.

3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc.
der nach Herrschaft strebende Grossvater dies Leben ebenfalls nicht
ungern sah. Masago, die Mutter des Yoriiye, war nach dem Tode
des Yoritomo, der Sitte jener Zeit entsprechend, Nonne geworden.
Dies hinderte jedoch die kluge und gewandte Frau nicht, an den
Staatsangelegenheiten den lebhaftesten Antheil zu nehmen. So wurde
auf ihren Betrieb aus den hervorragendsten Freunden ihres Mannes
unter dem Vorsitze ihres Vaters Hôjô-Tokimasa ein Familienrath
gegründet, zu dem Oye-Hiromoto und Miura-Yoshinobu ge-
hörten *), um die Mittel zu berathen, durch welche man den schlechten
Gewohnheiten Yoriiye’s am besten ein Ende machen könne. Man
schlug diesem vor, die Administration der östlichen Provinzen an
seinen jüngeren Bruder Sanetomo, der westlichen an seinen Sohn
Ichiman abzugeben. Da aber jener nur 12 Jahre zählte, dieser
noch in den Windeln lag, so hiess dies einfach die Regierung den
Hôjô übergeben. Yoshikazu rieth seinem Schwiegersohne ab, darauf
einzugehen und zettelte eine Verschwörung an, durch die sich Yoriiye
der Hôjô entledigen und dann seinen Sohn zum Nachfolger machen
sollte. Tokimasa schlug die Gegner und zögerte nun seinerseits nicht,
nicht blos Yoshikazu, sondern auch seinen eigenen Grossenkel Ichiman
ermorden zu lassen (1203). Hierauf wurde Yoriiye depossediert, nach
Idzu verbannt und dann ebenfalls heimlich ermordet. Zu seinem
Nachfolger machte man Sanetomo (1203). Hiermit war die Familie
Hôjô auf den Gipfel ihrer Macht gelangt, indem sie factisch die Ge-
schicke des Landes in Händen hatte. Die Rolle, welche früher die
Fujiwara und dann die Taira am Hofe zu Kiôto unter Frauen und
unmündigen Kindern so lange gespielt hatten, übernahmen nun die
Hôjô in Kamakura den Erben Yoritomo’s und des Shôgunats gegen-
über und somit auch in Bezug auf den Hof in Kiôto. Nie waren
sie in der Anwendung der verwerflichsten Mittel irgendwie scru-
pulös, ja übertrafen darin sogar alle ihre Vorbilder. Die Shôgune
waren blose Puppen, vom Shôgunat blieb nur die Form und der
Name, während die Hôjô unter dem Titel Shukken das Land
regierten und in ihren ersten Gliedern einen Nepotismus entfalteten,
welcher ebenfalls den der Taira weit in den Schatten stellte. Mit
Recht nennt man daher diese lange Periode von 1199 bis 1334 die
Zeit der Schatten-Shôgune oder der Regentschaft des Hauses Hôjô.
Einzelne der zwölf auf einander folgenden Shukken (Tokimasa,

*) Die angesehene Familie Miura hatte den Minamoto stets treu zur Seite
gestanden und war auch wieder bei Yoritomo’s Landung in Awa unter den ersten
erschienen, die sich um die weisse Fahne gesammelt hatten.
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[279/0305] 3. Periode. Von Yoritomo’s Tod bis zur Dynastie der Ashikaga etc. der nach Herrschaft strebende Grossvater dies Leben ebenfalls nicht ungern sah. Masago, die Mutter des Yoriiye, war nach dem Tode des Yoritomo, der Sitte jener Zeit entsprechend, Nonne geworden. Dies hinderte jedoch die kluge und gewandte Frau nicht, an den Staatsangelegenheiten den lebhaftesten Antheil zu nehmen. So wurde auf ihren Betrieb aus den hervorragendsten Freunden ihres Mannes unter dem Vorsitze ihres Vaters Hôjô-Tokimasa ein Familienrath gegründet, zu dem Oye-Hiromoto und Miura-Yoshinobu ge- hörten *), um die Mittel zu berathen, durch welche man den schlechten Gewohnheiten Yoriiye’s am besten ein Ende machen könne. Man schlug diesem vor, die Administration der östlichen Provinzen an seinen jüngeren Bruder Sanetomo, der westlichen an seinen Sohn Ichiman abzugeben. Da aber jener nur 12 Jahre zählte, dieser noch in den Windeln lag, so hiess dies einfach die Regierung den Hôjô übergeben. Yoshikazu rieth seinem Schwiegersohne ab, darauf einzugehen und zettelte eine Verschwörung an, durch die sich Yoriiye der Hôjô entledigen und dann seinen Sohn zum Nachfolger machen sollte. Tokimasa schlug die Gegner und zögerte nun seinerseits nicht, nicht blos Yoshikazu, sondern auch seinen eigenen Grossenkel Ichiman ermorden zu lassen (1203). Hierauf wurde Yoriiye depossediert, nach Idzu verbannt und dann ebenfalls heimlich ermordet. Zu seinem Nachfolger machte man Sanetomo (1203). Hiermit war die Familie Hôjô auf den Gipfel ihrer Macht gelangt, indem sie factisch die Ge- schicke des Landes in Händen hatte. Die Rolle, welche früher die Fujiwara und dann die Taira am Hofe zu Kiôto unter Frauen und unmündigen Kindern so lange gespielt hatten, übernahmen nun die Hôjô in Kamakura den Erben Yoritomo’s und des Shôgunats gegen- über und somit auch in Bezug auf den Hof in Kiôto. Nie waren sie in der Anwendung der verwerflichsten Mittel irgendwie scru- pulös, ja übertrafen darin sogar alle ihre Vorbilder. Die Shôgune waren blose Puppen, vom Shôgunat blieb nur die Form und der Name, während die Hôjô unter dem Titel Shukken das Land regierten und in ihren ersten Gliedern einen Nepotismus entfalteten, welcher ebenfalls den der Taira weit in den Schatten stellte. Mit Recht nennt man daher diese lange Periode von 1199 bis 1334 die Zeit der Schatten-Shôgune oder der Regentschaft des Hauses Hôjô. Einzelne der zwölf auf einander folgenden Shukken (Tokimasa, *) Die angesehene Familie Miura hatte den Minamoto stets treu zur Seite gestanden und war auch wieder bei Yoritomo’s Landung in Awa unter den ersten erschienen, die sich um die weisse Fahne gesammelt hatten.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/305>, abgerufen am 22.11.2024.