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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
sorischer Regierung eingerichtet hatte, begrüsste den einrückenden
Sieger als Befreier und überhäufte ihn zum Lohne mit offiziellen
Titeln. Antoku wurde entthront und sein jüngerer Bruder Go-Toba-
Tenno
(Toba II.) zum Mikado gemacht (1183--1198).

Yoshinaka war jedoch weit entfernt, blos den gefügigen Diener
zu machen und die Macht, welche er einmal errungen hatte, wieder
aus der Hand zu geben. Seine Arroganz wurde unerträglich. Indem
er sich zum Sei-i-tai-Shogun *) ernennen liess, trat er zugleich
in Opposition zu Yoritomo, der während all dieser Vorgänge in Kama-
kura geblieben war und dasselbe zu seiner Residenz ausgebaut hatte.
Nachdem ein Versuch des Go-Shirakawa, den ihm lästigen Yoshinaka
durch Gift zu beseitigen, misslungen war, wandte er sich um Hülfe
an Yoritomo. Dieser sandte seine jüngeren Brüder Yoshitsune und
Noriyori an der Spitze eines Heeres nach Kioto. Yoshinaka zog
seinen Verwandten entgegen, wurde bei Seta-no-Karahashi am
Ausflusse des Biwasees von Yoshitsune geschlagen und nahm sich
hierauf das Leben (1184).

Yoshitsune wandte sich nun gegen Munemori und setzte, nach-
dem er den Palast der Taira zu Fukuwara von Grund aus zerstört
hatte, nach Sanuki über. Hier schlug er die Taira und verbrannte
ihre Burg zu Yashima. Munemori fand kaum Zeit zu entfliehen.
Mit Antoku-Tenno, den die Wittwe des Kiyomori in den Armen hielt,
schiffte er sich nach Kiushiu ein. Bei Dan-no-ura in der Nähe
von Shimonoseki kam es zum letzten verzweifelten Kampfe und zwar
auf dem Meere (1185). Die Anhänger der Taira aus Chingoku hatten
hier sich versammelt, um auf mehr denn fünfhundert Schiffen mit
ihrem Führer, ihren Frauen, Eltern und Säuglingen nach Kiushiu
überzusetzen. Yoshitsune war wie der Wind hinter ihnen her. In dem
heissen Kampfe, der sich nun entspann, wurden die meisten Gegner
niedergemacht. Nur ein kleiner Theil entkam nach Higo, wo noch
heutigen Tages die Bewohner einiger Gebirgsdörfer als Abkömmlinge
dieser Taira-Flüchtlinge betrachtet werden. Die Wittwe des Kiyomori,
seit dessen Tod eine Nonne Namens Nii-no-ama, war mit Antoku-
Tenno, einem fünfjährigen Kinde, in das Meer gesprungen und er-
trunken. Viele von denen, welche die Pfeile der Genji nicht erreicht
hatten, gaben sich selbst den Tod, stand ihnen doch kaum ein besseres
Loos in der Hand ihrer Feinde bevor. Die gänzliche Ausrottung,

*) Von sei, unterwerfen, i, Fremde (Barbaren), tai, gross, shogun, Ober-
general (taisho, grosser General). Aus Tai-Shogun haben die Europäer vielfach
Taikun gemacht. Gun bedeutet Armee, Krieg, Sho, General, Shogun also
Obergeneral.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
sorischer Regierung eingerichtet hatte, begrüsste den einrückenden
Sieger als Befreier und überhäufte ihn zum Lohne mit offiziellen
Titeln. Antoku wurde entthront und sein jüngerer Bruder Go-Toba-
Tennô
(Toba II.) zum Mikado gemacht (1183—1198).

Yoshinaka war jedoch weit entfernt, blos den gefügigen Diener
zu machen und die Macht, welche er einmal errungen hatte, wieder
aus der Hand zu geben. Seine Arroganz wurde unerträglich. Indem
er sich zum Sei-i-tai-Shôgun *) ernennen liess, trat er zugleich
in Opposition zu Yoritomo, der während all dieser Vorgänge in Kama-
kura geblieben war und dasselbe zu seiner Residenz ausgebaut hatte.
Nachdem ein Versuch des Gô-Shirakawa, den ihm lästigen Yoshinaka
durch Gift zu beseitigen, misslungen war, wandte er sich um Hülfe
an Yoritomo. Dieser sandte seine jüngeren Brüder Yoshitsune und
Noriyori an der Spitze eines Heeres nach Kiôto. Yoshinaka zog
seinen Verwandten entgegen, wurde bei Seta-no-Karahashi am
Ausflusse des Biwasees von Yoshitsune geschlagen und nahm sich
hierauf das Leben (1184).

Yoshitsune wandte sich nun gegen Munemori und setzte, nach-
dem er den Palast der Taira zu Fukuwara von Grund aus zerstört
hatte, nach Sanuki über. Hier schlug er die Taira und verbrannte
ihre Burg zu Yashima. Munemori fand kaum Zeit zu entfliehen.
Mit Antoku-Tennô, den die Wittwe des Kiyomori in den Armen hielt,
schiffte er sich nach Kiushiu ein. Bei Dan-no-ura in der Nähe
von Shimonoseki kam es zum letzten verzweifelten Kampfe und zwar
auf dem Meere (1185). Die Anhänger der Taira aus Chingoku hatten
hier sich versammelt, um auf mehr denn fünfhundert Schiffen mit
ihrem Führer, ihren Frauen, Eltern und Säuglingen nach Kiushiu
überzusetzen. Yoshitsune war wie der Wind hinter ihnen her. In dem
heissen Kampfe, der sich nun entspann, wurden die meisten Gegner
niedergemacht. Nur ein kleiner Theil entkam nach Higo, wo noch
heutigen Tages die Bewohner einiger Gebirgsdörfer als Abkömmlinge
dieser Taira-Flüchtlinge betrachtet werden. Die Wittwe des Kiyomori,
seit dessen Tod eine Nonne Namens Nii-no-ama, war mit Antoku-
Tennô, einem fünfjährigen Kinde, in das Meer gesprungen und er-
trunken. Viele von denen, welche die Pfeile der Genji nicht erreicht
hatten, gaben sich selbst den Tod, stand ihnen doch kaum ein besseres
Loos in der Hand ihrer Feinde bevor. Die gänzliche Ausrottung,

*) Von sei, unterwerfen, i, Fremde (Barbaren), tai, gross, shôgun, Ober-
general (taishô, grosser General). Aus Tai-Shôgun haben die Europäer vielfach
Taikún gemacht. Gun bedeutet Armee, Krieg, Shô, General, Shôgun also
Obergeneral.
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[272/0298] I. Geschichte des japanischen Volkes. sorischer Regierung eingerichtet hatte, begrüsste den einrückenden Sieger als Befreier und überhäufte ihn zum Lohne mit offiziellen Titeln. Antoku wurde entthront und sein jüngerer Bruder Go-Toba- Tennô (Toba II.) zum Mikado gemacht (1183—1198). Yoshinaka war jedoch weit entfernt, blos den gefügigen Diener zu machen und die Macht, welche er einmal errungen hatte, wieder aus der Hand zu geben. Seine Arroganz wurde unerträglich. Indem er sich zum Sei-i-tai-Shôgun *) ernennen liess, trat er zugleich in Opposition zu Yoritomo, der während all dieser Vorgänge in Kama- kura geblieben war und dasselbe zu seiner Residenz ausgebaut hatte. Nachdem ein Versuch des Gô-Shirakawa, den ihm lästigen Yoshinaka durch Gift zu beseitigen, misslungen war, wandte er sich um Hülfe an Yoritomo. Dieser sandte seine jüngeren Brüder Yoshitsune und Noriyori an der Spitze eines Heeres nach Kiôto. Yoshinaka zog seinen Verwandten entgegen, wurde bei Seta-no-Karahashi am Ausflusse des Biwasees von Yoshitsune geschlagen und nahm sich hierauf das Leben (1184). Yoshitsune wandte sich nun gegen Munemori und setzte, nach- dem er den Palast der Taira zu Fukuwara von Grund aus zerstört hatte, nach Sanuki über. Hier schlug er die Taira und verbrannte ihre Burg zu Yashima. Munemori fand kaum Zeit zu entfliehen. Mit Antoku-Tennô, den die Wittwe des Kiyomori in den Armen hielt, schiffte er sich nach Kiushiu ein. Bei Dan-no-ura in der Nähe von Shimonoseki kam es zum letzten verzweifelten Kampfe und zwar auf dem Meere (1185). Die Anhänger der Taira aus Chingoku hatten hier sich versammelt, um auf mehr denn fünfhundert Schiffen mit ihrem Führer, ihren Frauen, Eltern und Säuglingen nach Kiushiu überzusetzen. Yoshitsune war wie der Wind hinter ihnen her. In dem heissen Kampfe, der sich nun entspann, wurden die meisten Gegner niedergemacht. Nur ein kleiner Theil entkam nach Higo, wo noch heutigen Tages die Bewohner einiger Gebirgsdörfer als Abkömmlinge dieser Taira-Flüchtlinge betrachtet werden. Die Wittwe des Kiyomori, seit dessen Tod eine Nonne Namens Nii-no-ama, war mit Antoku- Tennô, einem fünfjährigen Kinde, in das Meer gesprungen und er- trunken. Viele von denen, welche die Pfeile der Genji nicht erreicht hatten, gaben sich selbst den Tod, stand ihnen doch kaum ein besseres Loos in der Hand ihrer Feinde bevor. Die gänzliche Ausrottung, *) Von sei, unterwerfen, i, Fremde (Barbaren), tai, gross, shôgun, Ober- general (taishô, grosser General). Aus Tai-Shôgun haben die Europäer vielfach Taikún gemacht. Gun bedeutet Armee, Krieg, Shô, General, Shôgun also Obergeneral.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/298>, abgerufen am 22.11.2024.