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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
entfaltete er zuerst im Kampfe mit gefürchteten Räubern seine Tapfer-
keit und sein wunderbares Geschick. Doch trieb ihn sein Freund
an, weiter nach Norden und aus dem unmittelbaren Bereich seiner
Feinde mit ihm zu wandern. So kamen sie endlich nach Mutsu zu
einem Fujiwara Namens Hidehira, der ihn freundlich aufnahm.
Hier verbrachte er seine Zeit bis zum 21. Lebensjahre mit militärischen
Uebungen, der Jagd und anderen männlichen Vergnügungen und er-
warb sich weit und breit den Ruhm eines tapferen Ritters, wie ihn
der japanische Samurai sich nicht vollkommener vorstellen konnte.

Yoritomo, der um 12 Jahre ältere Bruder des Yoshitsune, hatte
Masado, die Tochter seines Pflegers und Aufsehers Hojo Toki-
nasa
in Idzu, geheirathet und diesen insgeheim in alle seine Pläne,
seinen Vater zu rächen und das Land von den Taira zu befreien,
eingeweiht. Schlug auch der erste Versuch fehl, so trat er damit
doch als Führer seiner Familie und aller Gegner des Kiyomori offen
hervor. Nach kurzer Verborgenheit im Hakonegebirge schiffte er sich
nach der Halbinsel Awa ein, erklärte sich zum Herrn des Kuwanto
und sammelte alsbald Gesinnungsgenossen in grosser Zahl, welche
von allen Seiten der weissen Fahne des Minamoto zueilten. Hierauf
zog er über den Sumida-gawa nach Kamakura, das er zu seinem Sitz
erwählte und befestigte. Das Heer der Taira rückte unter seiner rothen
Fahne ihm entgegen. Wo der Tokaido den Fuji-gawa überschreitet,
begegneten sich die Feinde. Die Taira stellten sich am rechten Ufer,
gegenüber, am linken, die Minamoto auf. Wider alles Erwarten zogen
jene jedoch südwärts wieder ab, und es kam noch nicht zur Entschei-
dungsschlacht zwischen beiden Parteien.

Bald darauf starb Kiyomori in seinem Schlosse zu Fukuwara,
das er an der Stelle des heutigen Kobe sich hatte erbauen und mit
allem denkbaren Luxus ausstatten lassen. Dass ihm die Vernichtung
der Minamoto nicht gelungen war, quälte ihn noch auf seinem Sterbe-
lager. "Verrichtet, wenn ich sterbe," so soll er zu den Seinigen ge-
sagt haben, "nicht den gebräuchlichen buddhistischen Ritus und lasst
für mich keine Liturgien lesen, schlagt blos Minamoto-no-Yoritomo's
Kopf ab und pflanzt ihn auf vor meinem Grabe. Mögen alle meine
Nachkommen diesen Wunsch beherzigen und sich hüten, ihn zu ver-
gessen".

Das Erbe, welches Taira Kiyomori seinem ihn überlebenden
Sohne Munemori überliess, war kein beneidenswerthes. Die Familie
hatte sich im ganzen Lande durch grausame Unterdrückung und Ver-
folgung aller Gegner, sowie durch ihr Streben nach Luxus und Reich-
thümern verhasst gemacht. Shigemori, der einzige, dem sich die

I. Geschichte des japanischen Volkes.
entfaltete er zuerst im Kampfe mit gefürchteten Räubern seine Tapfer-
keit und sein wunderbares Geschick. Doch trieb ihn sein Freund
an, weiter nach Norden und aus dem unmittelbaren Bereich seiner
Feinde mit ihm zu wandern. So kamen sie endlich nach Mutsu zu
einem Fujiwara Namens Hidehira, der ihn freundlich aufnahm.
Hier verbrachte er seine Zeit bis zum 21. Lebensjahre mit militärischen
Uebungen, der Jagd und anderen männlichen Vergnügungen und er-
warb sich weit und breit den Ruhm eines tapferen Ritters, wie ihn
der japanische Samurai sich nicht vollkommener vorstellen konnte.

Yoritomo, der um 12 Jahre ältere Bruder des Yoshitsune, hatte
Masado, die Tochter seines Pflegers und Aufsehers Hôjô Toki-
nasa
in Idzu, geheirathet und diesen insgeheim in alle seine Pläne,
seinen Vater zu rächen und das Land von den Taira zu befreien,
eingeweiht. Schlug auch der erste Versuch fehl, so trat er damit
doch als Führer seiner Familie und aller Gegner des Kiyomori offen
hervor. Nach kurzer Verborgenheit im Hakonegebirge schiffte er sich
nach der Halbinsel Awa ein, erklärte sich zum Herrn des Kuwantô
und sammelte alsbald Gesinnungsgenossen in grosser Zahl, welche
von allen Seiten der weissen Fahne des Minamoto zueilten. Hierauf
zog er über den Sumida-gawa nach Kamakura, das er zu seinem Sitz
erwählte und befestigte. Das Heer der Taira rückte unter seiner rothen
Fahne ihm entgegen. Wo der Tokaidô den Fuji-gawa überschreitet,
begegneten sich die Feinde. Die Taira stellten sich am rechten Ufer,
gegenüber, am linken, die Minamoto auf. Wider alles Erwarten zogen
jene jedoch südwärts wieder ab, und es kam noch nicht zur Entschei-
dungsschlacht zwischen beiden Parteien.

Bald darauf starb Kiyomori in seinem Schlosse zu Fukuwara,
das er an der Stelle des heutigen Kobe sich hatte erbauen und mit
allem denkbaren Luxus ausstatten lassen. Dass ihm die Vernichtung
der Minamoto nicht gelungen war, quälte ihn noch auf seinem Sterbe-
lager. »Verrichtet, wenn ich sterbe,« so soll er zu den Seinigen ge-
sagt haben, »nicht den gebräuchlichen buddhistischen Ritus und lasst
für mich keine Liturgien lesen, schlagt blos Minamoto-no-Yoritomo’s
Kopf ab und pflanzt ihn auf vor meinem Grabe. Mögen alle meine
Nachkommen diesen Wunsch beherzigen und sich hüten, ihn zu ver-
gessen«.

Das Erbe, welches Taira Kiyomori seinem ihn überlebenden
Sohne Munemori überliess, war kein beneidenswerthes. Die Familie
hatte sich im ganzen Lande durch grausame Unterdrückung und Ver-
folgung aller Gegner, sowie durch ihr Streben nach Luxus und Reich-
thümern verhasst gemacht. Shigemori, der einzige, dem sich die

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[270/0296] I. Geschichte des japanischen Volkes. entfaltete er zuerst im Kampfe mit gefürchteten Räubern seine Tapfer- keit und sein wunderbares Geschick. Doch trieb ihn sein Freund an, weiter nach Norden und aus dem unmittelbaren Bereich seiner Feinde mit ihm zu wandern. So kamen sie endlich nach Mutsu zu einem Fujiwara Namens Hidehira, der ihn freundlich aufnahm. Hier verbrachte er seine Zeit bis zum 21. Lebensjahre mit militärischen Uebungen, der Jagd und anderen männlichen Vergnügungen und er- warb sich weit und breit den Ruhm eines tapferen Ritters, wie ihn der japanische Samurai sich nicht vollkommener vorstellen konnte. Yoritomo, der um 12 Jahre ältere Bruder des Yoshitsune, hatte Masado, die Tochter seines Pflegers und Aufsehers Hôjô Toki- nasa in Idzu, geheirathet und diesen insgeheim in alle seine Pläne, seinen Vater zu rächen und das Land von den Taira zu befreien, eingeweiht. Schlug auch der erste Versuch fehl, so trat er damit doch als Führer seiner Familie und aller Gegner des Kiyomori offen hervor. Nach kurzer Verborgenheit im Hakonegebirge schiffte er sich nach der Halbinsel Awa ein, erklärte sich zum Herrn des Kuwantô und sammelte alsbald Gesinnungsgenossen in grosser Zahl, welche von allen Seiten der weissen Fahne des Minamoto zueilten. Hierauf zog er über den Sumida-gawa nach Kamakura, das er zu seinem Sitz erwählte und befestigte. Das Heer der Taira rückte unter seiner rothen Fahne ihm entgegen. Wo der Tokaidô den Fuji-gawa überschreitet, begegneten sich die Feinde. Die Taira stellten sich am rechten Ufer, gegenüber, am linken, die Minamoto auf. Wider alles Erwarten zogen jene jedoch südwärts wieder ab, und es kam noch nicht zur Entschei- dungsschlacht zwischen beiden Parteien. Bald darauf starb Kiyomori in seinem Schlosse zu Fukuwara, das er an der Stelle des heutigen Kobe sich hatte erbauen und mit allem denkbaren Luxus ausstatten lassen. Dass ihm die Vernichtung der Minamoto nicht gelungen war, quälte ihn noch auf seinem Sterbe- lager. »Verrichtet, wenn ich sterbe,« so soll er zu den Seinigen ge- sagt haben, »nicht den gebräuchlichen buddhistischen Ritus und lasst für mich keine Liturgien lesen, schlagt blos Minamoto-no-Yoritomo’s Kopf ab und pflanzt ihn auf vor meinem Grabe. Mögen alle meine Nachkommen diesen Wunsch beherzigen und sich hüten, ihn zu ver- gessen«. Das Erbe, welches Taira Kiyomori seinem ihn überlebenden Sohne Munemori überliess, war kein beneidenswerthes. Die Familie hatte sich im ganzen Lande durch grausame Unterdrückung und Ver- folgung aller Gegner, sowie durch ihr Streben nach Luxus und Reich- thümern verhasst gemacht. Shigemori, der einzige, dem sich die

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/296>, abgerufen am 23.11.2024.