Tapferkeit, und da er ausserdem bei seinem Heere sehr beliebt war, erhielt er den Beinamen Hachiman-Taro (erstgeborener Sohn des Hachiman, des japanischen Mars, siehe auch pag. 107) und wurde gleich seinem Vater zum Shogun ernannt. Ein Bruder desselben, Namens Yoshikuni, wurde schon bei seiner Geburt zum Herrn von Ashikaga in Shimotsuke ernannt, wonach die Nachfolger desselben den Namen Ashikaga annahmen.
Die buddhistischen Klöster, zumal diejenigen des Hiyesan, hatten allmählich eine grosse Macht entfaltet und wiederholt den Gesetzen und Anordnungen der Regierung Trotz geboten. Unter Shirakawa- Tenno, dem devoten 72. Mikado (1073--1086), der übrigens den Fujiwara gegenüber grosse Selbständigkeit entwickelte, erreichte die Corruption und Arroganz jener Priester des Hiyesan eine solche Höhe, dass sie nicht blos bei Streitigkeiten mit anderen Klöstern und Secten zu den Waffen griffen, sondern sogar wohlbewaffnet in der Haupt- stadt einrückten, um ihren Forderungen bei der Regierung Gehör zu verschaffen. "Es gibt drei Dinge", so soll Shirakawa gesagt haben, "über welche ich keinerlei Macht habe: die Wasser des Kamo-gawa, die Würfel beim Spiele und die Priester".
Shirakawa trat den Thron an seinen achtjährigen Sohn Horikawa ab, leitete aber thatsächlich noch 15 Jahre weiter die Geschicke des Landes. Auf Horikawa folgte von 1108--1123 sein Sohn Toba- Tenno als 74. Mikado. Dieser war damals ein fünfjähriges Kind und erst 20 Jahre alt, als er, dem verderblichen Beispiele seiner Vor- fahren folgend, abdankte.
Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts tritt der Feudalismus und Militärdespotismus in den Vordergrund. Die Fujiwara haben nur noch einen Schatten von Einfluss bei Hofe und gar keinen in den Provinzen. Ein alter japanischer Geschichtsschreiber vergleicht die Autorität des Mikado um jene Zeit passend mit einer leeren Kasse, zu welcher die Fujiwara den Schlüssel führten. Das den Chinesen entlehnte Regierungssystem mit seiner ausgebildeten Hofetiquette und seinem Heer von Beamten hat sich überlebt. Wo früher die Hof- intrigue den Ausschlag gab und Regierungswechsel bewirkte, ent- scheidet von jetzt ab das Schwert, welches die Heerführer gegen einander kehren, während der Mikado ganz im Hintergrunde der politischen Ereignisse bleibt. Fünf Jahrhunderte hindurch dauern die Kämpfe um den jeweiligen Besitz der factischen Gewalt und verheeren das Land. Der bescheidene Landmann hat die Zeche zu zahlen. Verwüstete Felder, Druck und barsche Behandlung und eine allge- meine Verarmung sind seines Fleisses Lohn.
I. Geschichte des japanischen Volkes.
Tapferkeit, und da er ausserdem bei seinem Heere sehr beliebt war, erhielt er den Beinamen Hachiman-Taro (erstgeborener Sohn des Hachiman, des japanischen Mars, siehe auch pag. 107) und wurde gleich seinem Vater zum Shôgun ernannt. Ein Bruder desselben, Namens Yoshikuni, wurde schon bei seiner Geburt zum Herrn von Ashikaga in Shimotsuke ernannt, wonach die Nachfolger desselben den Namen Ashikaga annahmen.
Die buddhistischen Klöster, zumal diejenigen des Hiyesan, hatten allmählich eine grosse Macht entfaltet und wiederholt den Gesetzen und Anordnungen der Regierung Trotz geboten. Unter Shirakawa- Tennô, dem devoten 72. Mikado (1073—1086), der übrigens den Fujiwara gegenüber grosse Selbständigkeit entwickelte, erreichte die Corruption und Arroganz jener Priester des Hiyesan eine solche Höhe, dass sie nicht blos bei Streitigkeiten mit anderen Klöstern und Secten zu den Waffen griffen, sondern sogar wohlbewaffnet in der Haupt- stadt einrückten, um ihren Forderungen bei der Regierung Gehör zu verschaffen. »Es gibt drei Dinge«, so soll Shirakawa gesagt haben, »über welche ich keinerlei Macht habe: die Wasser des Kamo-gawa, die Würfel beim Spiele und die Priester«.
Shirakawa trat den Thron an seinen achtjährigen Sohn Horikawa ab, leitete aber thatsächlich noch 15 Jahre weiter die Geschicke des Landes. Auf Horikawa folgte von 1108—1123 sein Sohn Toba- Tennô als 74. Mikado. Dieser war damals ein fünfjähriges Kind und erst 20 Jahre alt, als er, dem verderblichen Beispiele seiner Vor- fahren folgend, abdankte.
Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts tritt der Feudalismus und Militärdespotismus in den Vordergrund. Die Fujiwara haben nur noch einen Schatten von Einfluss bei Hofe und gar keinen in den Provinzen. Ein alter japanischer Geschichtsschreiber vergleicht die Autorität des Mikado um jene Zeit passend mit einer leeren Kasse, zu welcher die Fujiwara den Schlüssel führten. Das den Chinesen entlehnte Regierungssystem mit seiner ausgebildeten Hofetiquette und seinem Heer von Beamten hat sich überlebt. Wo früher die Hof- intrigue den Ausschlag gab und Regierungswechsel bewirkte, ent- scheidet von jetzt ab das Schwert, welches die Heerführer gegen einander kehren, während der Mikado ganz im Hintergrunde der politischen Ereignisse bleibt. Fünf Jahrhunderte hindurch dauern die Kämpfe um den jeweiligen Besitz der factischen Gewalt und verheeren das Land. Der bescheidene Landmann hat die Zeche zu zahlen. Verwüstete Felder, Druck und barsche Behandlung und eine allge- meine Verarmung sind seines Fleisses Lohn.
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I. Geschichte des japanischen Volkes.
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Hachiman, des japanischen Mars, siehe auch pag. 107) und wurde
gleich seinem Vater zum Shôgun ernannt. Ein Bruder desselben,
Namens Yoshikuni, wurde schon bei seiner Geburt zum Herrn von
Ashikaga in Shimotsuke ernannt, wonach die Nachfolger desselben
den Namen Ashikaga annahmen.
Die buddhistischen Klöster, zumal diejenigen des Hiyesan, hatten
allmählich eine grosse Macht entfaltet und wiederholt den Gesetzen
und Anordnungen der Regierung Trotz geboten. Unter Shirakawa-
Tennô, dem devoten 72. Mikado (1073—1086), der übrigens den
Fujiwara gegenüber grosse Selbständigkeit entwickelte, erreichte die
Corruption und Arroganz jener Priester des Hiyesan eine solche Höhe,
dass sie nicht blos bei Streitigkeiten mit anderen Klöstern und Secten
zu den Waffen griffen, sondern sogar wohlbewaffnet in der Haupt-
stadt einrückten, um ihren Forderungen bei der Regierung Gehör zu
verschaffen. »Es gibt drei Dinge«, so soll Shirakawa gesagt haben,
ȟber welche ich keinerlei Macht habe: die Wasser des Kamo-gawa,
die Würfel beim Spiele und die Priester«.
Shirakawa trat den Thron an seinen achtjährigen Sohn Horikawa
ab, leitete aber thatsächlich noch 15 Jahre weiter die Geschicke des
Landes. Auf Horikawa folgte von 1108—1123 sein Sohn Toba-
Tennô als 74. Mikado. Dieser war damals ein fünfjähriges Kind und
erst 20 Jahre alt, als er, dem verderblichen Beispiele seiner Vor-
fahren folgend, abdankte.
Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts tritt der Feudalismus und
Militärdespotismus in den Vordergrund. Die Fujiwara haben nur
noch einen Schatten von Einfluss bei Hofe und gar keinen in den
Provinzen. Ein alter japanischer Geschichtsschreiber vergleicht die
Autorität des Mikado um jene Zeit passend mit einer leeren Kasse,
zu welcher die Fujiwara den Schlüssel führten. Das den Chinesen
entlehnte Regierungssystem mit seiner ausgebildeten Hofetiquette und
seinem Heer von Beamten hat sich überlebt. Wo früher die Hof-
intrigue den Ausschlag gab und Regierungswechsel bewirkte, ent-
scheidet von jetzt ab das Schwert, welches die Heerführer gegen
einander kehren, während der Mikado ganz im Hintergrunde der
politischen Ereignisse bleibt. Fünf Jahrhunderte hindurch dauern die
Kämpfe um den jeweiligen Besitz der factischen Gewalt und verheeren
das Land. Der bescheidene Landmann hat die Zeche zu zahlen.
Verwüstete Felder, Druck und barsche Behandlung und eine allge-
meine Verarmung sind seines Fleisses Lohn.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/290>, abgerufen am 24.11.2024.
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