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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
gezwungen, sein zehnjähriger Sohn Yozei-Tenno (877--884) als
57. Mikado auf den Thron gehoben und Fujiwara-Motatsune als
Regent proclamiert. Ein Verwandter des letzteren, der Gouverneur
in Akita, Fujiwara-Okio, erlitt eine schwere Niederlage durch die
revoltierenden Emishi. In den Fujiwara zeigte sich überhaupt wenig
kriegerisches Blut. Der Civildienst und die Hofintrigue waren ihre
Domäne, die sie später verloren, als die Taira und Minamoto sich
mit ihrer bisherigen Thätigkeit als Heerführer in den Provinzen nicht
mehr begnügten.

Als Yozey-Tenno volljährig geworden war, wurde auch er
entthront -- angeblich, weil er den Frauen zu sehr ergeben und un-
gerecht war --, und sein Sohn, wieder ein Knabe, auf den Thron
gehoben, dem es nicht besser erging. Gleich nach dem Regierungs-
antritte von Uda-Tenno, der als 59. Mikado eine Scheingewalt
(888--897) repräsentierte, nahm Fujiwara-Motatsune, der im Intri-
guieren und Mikadomachen alt gewordene Daijo-Daijin, die erbliche
Würde Kuwambaku (d. h. Wache der inneren Riegel) an und
brachte damit sich und seine Familie auf die höchste Stufe der Macht,
denn der Kuwambaku war der Regent des Landes, der Mikado in
der Regel nur eine Puppe, sein willenloses Spielzeug. Dem Regenten
aber kam es zu, jede Verbindung mit dem Mikado zu vermitteln und
die Berichte der übrigen Civil- und Militärbeamten zu übergeben.

Um diese Zeit suchten Piraten von Shiraki die Küsten von Kiushiu
und von Tsushima heim, wurden aber von den Japanern geschlagen.
Nach der Anzahl der Schiffe (45), welche koreanischerseits dabei
betheiligt waren, scheint die Sache weniger ein privater Raubzug,
als eine vom Staate Shiraki ausgegangene Invasion gewesen zu sein,
von ganz analogem Charakter, wie die früher von den Japanern nach
Korea unternommenen.

Gegen Ende der Regierungszeit des Uda-Tenno erwuchs den
Fujiwara ein einflussreicher Rivale in der Person von Sugawara-
Michizune
, den sie unter allen Umständen aus dem Felde schlagen
mussten. Derselbe war seiner grossen Gelehrsamkeit wegen berühmt,
ein Mann, der vom einfachen Lehrer des Uda-Tenno zum Freunde
und Minister desselben emporstieg und einen heilsamen Einfluss auf
den Fürsten übte. Da galt es auch diesen gut beanlagten und edel-
denkenden Herrscher zur Abdiction zu zwingen und ein scheinbar
gefügigeres Werkzeug, den zwölfjährigen Sohn desselben auf den
Thron zu setzen. Es gelang, im Jahre 898 wurde Daigo-Tenno
der 60. Mikado und regierte bis 930. Sein Vater überliess ihm Suga-
wara-Michizune als Minister, den jedoch der Kuwambaku Tokihira

I. Geschichte des japanischen Volkes.
gezwungen, sein zehnjähriger Sohn Yozei-Tennô (877—884) als
57. Mikado auf den Thron gehoben und Fujiwara-Motatsune als
Regent proclamiert. Ein Verwandter des letzteren, der Gouverneur
in Akita, Fujiwara-Okio, erlitt eine schwere Niederlage durch die
revoltierenden Emishi. In den Fujiwara zeigte sich überhaupt wenig
kriegerisches Blut. Der Civildienst und die Hofintrigue waren ihre
Domäne, die sie später verloren, als die Taira und Minamoto sich
mit ihrer bisherigen Thätigkeit als Heerführer in den Provinzen nicht
mehr begnügten.

Als Yozey-Tennô volljährig geworden war, wurde auch er
entthront — angeblich, weil er den Frauen zu sehr ergeben und un-
gerecht war —, und sein Sohn, wieder ein Knabe, auf den Thron
gehoben, dem es nicht besser erging. Gleich nach dem Regierungs-
antritte von Uda-Tennô, der als 59. Mikado eine Scheingewalt
(888—897) repräsentierte, nahm Fujiwara-Motatsune, der im Intri-
guieren und Mikadomachen alt gewordene Daijô-Daijin, die erbliche
Würde Kuwambaku (d. h. Wache der inneren Riegel) an und
brachte damit sich und seine Familie auf die höchste Stufe der Macht,
denn der Kuwambaku war der Regent des Landes, der Mikado in
der Regel nur eine Puppe, sein willenloses Spielzeug. Dem Regenten
aber kam es zu, jede Verbindung mit dem Mikado zu vermitteln und
die Berichte der übrigen Civil- und Militärbeamten zu übergeben.

Um diese Zeit suchten Piraten von Shiraki die Küsten von Kiushiu
und von Tsushima heim, wurden aber von den Japanern geschlagen.
Nach der Anzahl der Schiffe (45), welche koreanischerseits dabei
betheiligt waren, scheint die Sache weniger ein privater Raubzug,
als eine vom Staate Shiraki ausgegangene Invasion gewesen zu sein,
von ganz analogem Charakter, wie die früher von den Japanern nach
Korea unternommenen.

Gegen Ende der Regierungszeit des Uda-Tennô erwuchs den
Fujiwara ein einflussreicher Rivale in der Person von Sugawara-
Michizune
, den sie unter allen Umständen aus dem Felde schlagen
mussten. Derselbe war seiner grossen Gelehrsamkeit wegen berühmt,
ein Mann, der vom einfachen Lehrer des Uda-Tennô zum Freunde
und Minister desselben emporstieg und einen heilsamen Einfluss auf
den Fürsten übte. Da galt es auch diesen gut beanlagten und edel-
denkenden Herrscher zur Abdiction zu zwingen und ein scheinbar
gefügigeres Werkzeug, den zwölfjährigen Sohn desselben auf den
Thron zu setzen. Es gelang, im Jahre 898 wurde Daigo-Tennô
der 60. Mikado und regierte bis 930. Sein Vater überliess ihm Suga-
wara-Michizune als Minister, den jedoch der Kuwambaku Tokihira

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[260/0286] I. Geschichte des japanischen Volkes. gezwungen, sein zehnjähriger Sohn Yozei-Tennô (877—884) als 57. Mikado auf den Thron gehoben und Fujiwara-Motatsune als Regent proclamiert. Ein Verwandter des letzteren, der Gouverneur in Akita, Fujiwara-Okio, erlitt eine schwere Niederlage durch die revoltierenden Emishi. In den Fujiwara zeigte sich überhaupt wenig kriegerisches Blut. Der Civildienst und die Hofintrigue waren ihre Domäne, die sie später verloren, als die Taira und Minamoto sich mit ihrer bisherigen Thätigkeit als Heerführer in den Provinzen nicht mehr begnügten. Als Yozey-Tennô volljährig geworden war, wurde auch er entthront — angeblich, weil er den Frauen zu sehr ergeben und un- gerecht war —, und sein Sohn, wieder ein Knabe, auf den Thron gehoben, dem es nicht besser erging. Gleich nach dem Regierungs- antritte von Uda-Tennô, der als 59. Mikado eine Scheingewalt (888—897) repräsentierte, nahm Fujiwara-Motatsune, der im Intri- guieren und Mikadomachen alt gewordene Daijô-Daijin, die erbliche Würde Kuwambaku (d. h. Wache der inneren Riegel) an und brachte damit sich und seine Familie auf die höchste Stufe der Macht, denn der Kuwambaku war der Regent des Landes, der Mikado in der Regel nur eine Puppe, sein willenloses Spielzeug. Dem Regenten aber kam es zu, jede Verbindung mit dem Mikado zu vermitteln und die Berichte der übrigen Civil- und Militärbeamten zu übergeben. Um diese Zeit suchten Piraten von Shiraki die Küsten von Kiushiu und von Tsushima heim, wurden aber von den Japanern geschlagen. Nach der Anzahl der Schiffe (45), welche koreanischerseits dabei betheiligt waren, scheint die Sache weniger ein privater Raubzug, als eine vom Staate Shiraki ausgegangene Invasion gewesen zu sein, von ganz analogem Charakter, wie die früher von den Japanern nach Korea unternommenen. Gegen Ende der Regierungszeit des Uda-Tennô erwuchs den Fujiwara ein einflussreicher Rivale in der Person von Sugawara- Michizune, den sie unter allen Umständen aus dem Felde schlagen mussten. Derselbe war seiner grossen Gelehrsamkeit wegen berühmt, ein Mann, der vom einfachen Lehrer des Uda-Tennô zum Freunde und Minister desselben emporstieg und einen heilsamen Einfluss auf den Fürsten übte. Da galt es auch diesen gut beanlagten und edel- denkenden Herrscher zur Abdiction zu zwingen und ein scheinbar gefügigeres Werkzeug, den zwölfjährigen Sohn desselben auf den Thron zu setzen. Es gelang, im Jahre 898 wurde Daigo-Tennô der 60. Mikado und regierte bis 930. Sein Vater überliess ihm Suga- wara-Michizune als Minister, den jedoch der Kuwambaku Tokihira

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/286>, abgerufen am 24.11.2024.