und Palmen nicht gefolgt, kommen selbst auf den Riukiu nicht vor, gehen somit nicht so weit nordwärts als in Amerika.
Unter den artenreichen Singvögeln finden wir nur wenige be- vorzugte Sänger. Obenan steht der Unguisu (sprich Unguis, Cettia cantans T. und Schl.), die japanische Nachtigall. Dieser ausge- zeichnete Vogel ist kleiner als unser Meistersänger, welchem sich seine Lebens- und Singweise nähert, und gleicht mehr einer Grasmücke. Die Rückseite zeigt eine olivengrüne, mit grau vermischte Farbe, der Bauch ist grauweiss. Der Unguisu ist ausserordentlich häufig und über das ganze Land verbreitet, von den Gärten und Tempelhainen in der Nähe der Wohnstätten durch die Hügellandschaften und Bergwaldungen hinauf, so weit nur Gebüsch steigt. Im April und Mai, wenn sich Alles neu belaubt, erscheint er in der Ebene, und wenn hier im Nachsommer sein Gesang verstummt, erfreut uns der- selbe noch nahe den Schneeschrammen im Hochgebirge. Dieser Ge- sang, obgleich weniger klangvoll als der unserer Nachtigall, beginnt tief und sanft flötend, wie bei dieser und ähnelt demselben auch in Bezug auf den grossen Wechsel der Noten und die Verschiedenheit der Weisen, so dass, wenn man ein halbes Dutzend und mehr dieser Vögel um sich herum musicieren hört, die einen am Anfang, die anderen in der Mitte, noch andere gegen das Ende ihrer Lieder, man glauben sollte, die Stimmen eben so vieler ganz verschieden- artiger Sänger zu vernehmen.
Von sonstigen Dünnschnäblern treffen wir in den Wäldern das japanische Rothbrüstchen (Lusciola akahige Schl.), Koma genannt, das Blauköpfchen oder Ruri (Lusciola cyanura Pall.), das Goldhähnchen oder Itadaki (Regulus ignicapillus Brehm), verschiedene Meisenarten, japanisch Kara, und andere. Betreffs des Goldhähnchens erfuhr ich durch einen alten Japaner und Naturbeobachter in Kaga, dass das- selbe von seiner südlichen Wanderung bereits Ende Januar nach Owari, aber erst Anfang März nach Kaga zurückkehre.
Zahlreicher als die Dünnschnäbler sind die Finken vertreten, von denen einige Arten nur hoch im Gebirge vorkommen und noch näher studiert werden müssen. Als Sänger verdient auch noch eine Lerchen- art, japanisch Hibari, nämlich Alauda japonica Schlegl., Erwähnung, die sich in ihrer Lebensweise unserer Feldlerche anschliesst.
Fern von den Stätten menschlicher Cultur und abweichend von den Gewohnheiten anderer Singvögel, insbesondere auch seiner näheren Verwandten, der Drosselarten, finden wir auch in Japan den Wasser- staar (Cinclus aquaticus), von dessen einsamer Lebensweise uns Brehm ein so treues und anziehendes Bild entwirft. An den klaren Gebirgs-
Rein, Japan I. 14
Vögel.
und Palmen nicht gefolgt, kommen selbst auf den Riukiu nicht vor, gehen somit nicht so weit nordwärts als in Amerika.
Unter den artenreichen Singvögeln finden wir nur wenige be- vorzugte Sänger. Obenan steht der Unguisu (sprich Unguïs, Cettia cantans T. und Schl.), die japanische Nachtigall. Dieser ausge- zeichnete Vogel ist kleiner als unser Meistersänger, welchem sich seine Lebens- und Singweise nähert, und gleicht mehr einer Grasmücke. Die Rückseite zeigt eine olivengrüne, mit grau vermischte Farbe, der Bauch ist grauweiss. Der Unguisu ist ausserordentlich häufig und über das ganze Land verbreitet, von den Gärten und Tempelhainen in der Nähe der Wohnstätten durch die Hügellandschaften und Bergwaldungen hinauf, so weit nur Gebüsch steigt. Im April und Mai, wenn sich Alles neu belaubt, erscheint er in der Ebene, und wenn hier im Nachsommer sein Gesang verstummt, erfreut uns der- selbe noch nahe den Schneeschrammen im Hochgebirge. Dieser Ge- sang, obgleich weniger klangvoll als der unserer Nachtigall, beginnt tief und sanft flötend, wie bei dieser und ähnelt demselben auch in Bezug auf den grossen Wechsel der Noten und die Verschiedenheit der Weisen, so dass, wenn man ein halbes Dutzend und mehr dieser Vögel um sich herum musicieren hört, die einen am Anfang, die anderen in der Mitte, noch andere gegen das Ende ihrer Lieder, man glauben sollte, die Stimmen eben so vieler ganz verschieden- artiger Sänger zu vernehmen.
Von sonstigen Dünnschnäblern treffen wir in den Wäldern das japanische Rothbrüstchen (Lusciola akahige Schl.), Koma genannt, das Blauköpfchen oder Ruri (Lusciola cyanura Pall.), das Goldhähnchen oder Itadaki (Regulus ignicapillus Brehm), verschiedene Meisenarten, japanisch Kara, und andere. Betreffs des Goldhähnchens erfuhr ich durch einen alten Japaner und Naturbeobachter in Kaga, dass das- selbe von seiner südlichen Wanderung bereits Ende Januar nach Owari, aber erst Anfang März nach Kaga zurückkehre.
Zahlreicher als die Dünnschnäbler sind die Finken vertreten, von denen einige Arten nur hoch im Gebirge vorkommen und noch näher studiert werden müssen. Als Sänger verdient auch noch eine Lerchen- art, japanisch Hibari, nämlich Alauda japonica Schlegl., Erwähnung, die sich in ihrer Lebensweise unserer Feldlerche anschliesst.
Fern von den Stätten menschlicher Cultur und abweichend von den Gewohnheiten anderer Singvögel, insbesondere auch seiner näheren Verwandten, der Drosselarten, finden wir auch in Japan den Wasser- staar (Cinclus aquaticus), von dessen einsamer Lebensweise uns Brehm ein so treues und anziehendes Bild entwirft. An den klaren Gebirgs-
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Vögel.
und Palmen nicht gefolgt, kommen selbst auf den Riukiu nicht vor,
gehen somit nicht so weit nordwärts als in Amerika.
Unter den artenreichen Singvögeln finden wir nur wenige be-
vorzugte Sänger. Obenan steht der Unguisu (sprich Unguïs, Cettia
cantans T. und Schl.), die japanische Nachtigall. Dieser ausge-
zeichnete Vogel ist kleiner als unser Meistersänger, welchem sich seine
Lebens- und Singweise nähert, und gleicht mehr einer Grasmücke.
Die Rückseite zeigt eine olivengrüne, mit grau vermischte Farbe, der
Bauch ist grauweiss. Der Unguisu ist ausserordentlich häufig und
über das ganze Land verbreitet, von den Gärten und Tempelhainen
in der Nähe der Wohnstätten durch die Hügellandschaften und
Bergwaldungen hinauf, so weit nur Gebüsch steigt. Im April und
Mai, wenn sich Alles neu belaubt, erscheint er in der Ebene, und
wenn hier im Nachsommer sein Gesang verstummt, erfreut uns der-
selbe noch nahe den Schneeschrammen im Hochgebirge. Dieser Ge-
sang, obgleich weniger klangvoll als der unserer Nachtigall, beginnt
tief und sanft flötend, wie bei dieser und ähnelt demselben auch in
Bezug auf den grossen Wechsel der Noten und die Verschiedenheit
der Weisen, so dass, wenn man ein halbes Dutzend und mehr
dieser Vögel um sich herum musicieren hört, die einen am Anfang,
die anderen in der Mitte, noch andere gegen das Ende ihrer Lieder,
man glauben sollte, die Stimmen eben so vieler ganz verschieden-
artiger Sänger zu vernehmen.
Von sonstigen Dünnschnäblern treffen wir in den Wäldern das
japanische Rothbrüstchen (Lusciola akahige Schl.), Koma genannt, das
Blauköpfchen oder Ruri (Lusciola cyanura Pall.), das Goldhähnchen
oder Itadaki (Regulus ignicapillus Brehm), verschiedene Meisenarten,
japanisch Kara, und andere. Betreffs des Goldhähnchens erfuhr ich
durch einen alten Japaner und Naturbeobachter in Kaga, dass das-
selbe von seiner südlichen Wanderung bereits Ende Januar nach Owari,
aber erst Anfang März nach Kaga zurückkehre.
Zahlreicher als die Dünnschnäbler sind die Finken vertreten, von
denen einige Arten nur hoch im Gebirge vorkommen und noch näher
studiert werden müssen. Als Sänger verdient auch noch eine Lerchen-
art, japanisch Hibari, nämlich Alauda japonica Schlegl., Erwähnung,
die sich in ihrer Lebensweise unserer Feldlerche anschliesst.
Fern von den Stätten menschlicher Cultur und abweichend von
den Gewohnheiten anderer Singvögel, insbesondere auch seiner näheren
Verwandten, der Drosselarten, finden wir auch in Japan den Wasser-
staar (Cinclus aquaticus), von dessen einsamer Lebensweise uns Brehm
ein so treues und anziehendes Bild entwirft. An den klaren Gebirgs-
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/233>, abgerufen am 22.11.2024.
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