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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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VII. Die Flora der japanischen Inseln.
keine Ansiedelung bedingt haben, wenn nicht Klima und Boden günstig
mitgewirkt hätten. Die immergrünen Bäume und Sträucher, welche
gleich manchen anderen tropischen Pflanzenformen auf dem ange-
deuteten Wege allmählich nach Norden vorrückten, gewöhnten sich --
so dürfen wir annehmen -- bis zu einem gewissen Grade auf dieser
Wanderung und Abschweifung von ihrer eigentlichen Heimath all-
mählich an die kälteren Winternächte und fanden in der verhältniss-
mässig starken Erwärmung während des Tages, vor allem aber in
der warmen, feuchten Atmosphäre während des Sommers ihre wesent-
lichen Lebensbedingungen noch erfüllt. Die von Norden und Nord-
westen eingewanderten, an lange, strenge Winter gewöhnten Bürger
der nördlichen alten Welt aber stiegen die Gebirge hinan bis zu
den Höhen, die in klimatischer Hinsicht ihren Gewohnheiten am
besten zusagten. Auch ihre Einwanderung muss in die posttertiäre
Zeit verlegt werden, als die vulkanischen Gipfel zum grössten Theil
gebildet und das Land, wenn auch nicht vollständig, so doch an-
nähernd seine jetzige Höhe und Reliefverhältnisse, so wie die noch
herrschenden klimatischen Zustände erlangt hatte. Hierfür sprechen
alle Thatsachen, wogegen die Annahme, dass diese borealen Bestand-
theile der Flora Japans zur Eiszeit schon vorhanden, aber weiter
südlich geschoben und später wieder nordwärts und bergan gerückt
wären, in der Beschaffenheit des Landes und der thatsächlichen Ver-
breitung nordischer Pflanzen keine Stütze findet. Mit der rauhen und
heftigen nordischen Monsunströmung in Luft und Meer wandern die
Samen dieser Gewächse höherer Breiten allmählich südlich, gelangen
zu den Gehängen der Berge und werden durch Thalwinde, wie dies
bereits an einer anderen Stelle angedeutet wurde, gipfelwärts geführt.
Dass dabei, je nach Beschaffenheit der Früchte und Samen noch
andere Verbreitungsmittel, wie das Schneehuhn, Zugvögel und andere
mitwirken mögen, stelle ich ausser Frage, schreibe ihnen aber gegen-
über den Winden nur eine untergeordnete Rolle zu.

Wenn einmal die Floren all der zahlreichen Inseln von Formosa
bis zum Cap Lopatka, sowie diejenige von Korea und der Man-
dschurei
näher erforscht sind, wird man die angedeuteten Wande-
rungen japanischer Gewächse mit fremden Verbreitungscentren erst
recht übersehen. Für viele derselben, welche bislang als endemisch
gelten, werden wir einen weit grösseren Verbreitungsbezirk kennen
lernen, für den verbleibenden Rest erst die rechte Deutung ge-
winnen.

Für das Fortkommen mancher perennierender Pflanzen, die nach
dem tropischen Ostasien weisen, ist auch die mächtige Schneedecke,

VII. Die Flora der japanischen Inseln.
keine Ansiedelung bedingt haben, wenn nicht Klima und Boden günstig
mitgewirkt hätten. Die immergrünen Bäume und Sträucher, welche
gleich manchen anderen tropischen Pflanzenformen auf dem ange-
deuteten Wege allmählich nach Norden vorrückten, gewöhnten sich —
so dürfen wir annehmen — bis zu einem gewissen Grade auf dieser
Wanderung und Abschweifung von ihrer eigentlichen Heimath all-
mählich an die kälteren Winternächte und fanden in der verhältniss-
mässig starken Erwärmung während des Tages, vor allem aber in
der warmen, feuchten Atmosphäre während des Sommers ihre wesent-
lichen Lebensbedingungen noch erfüllt. Die von Norden und Nord-
westen eingewanderten, an lange, strenge Winter gewöhnten Bürger
der nördlichen alten Welt aber stiegen die Gebirge hinan bis zu
den Höhen, die in klimatischer Hinsicht ihren Gewohnheiten am
besten zusagten. Auch ihre Einwanderung muss in die posttertiäre
Zeit verlegt werden, als die vulkanischen Gipfel zum grössten Theil
gebildet und das Land, wenn auch nicht vollständig, so doch an-
nähernd seine jetzige Höhe und Reliefverhältnisse, so wie die noch
herrschenden klimatischen Zustände erlangt hatte. Hierfür sprechen
alle Thatsachen, wogegen die Annahme, dass diese borealen Bestand-
theile der Flora Japans zur Eiszeit schon vorhanden, aber weiter
südlich geschoben und später wieder nordwärts und bergan gerückt
wären, in der Beschaffenheit des Landes und der thatsächlichen Ver-
breitung nordischer Pflanzen keine Stütze findet. Mit der rauhen und
heftigen nordischen Monsunströmung in Luft und Meer wandern die
Samen dieser Gewächse höherer Breiten allmählich südlich, gelangen
zu den Gehängen der Berge und werden durch Thalwinde, wie dies
bereits an einer anderen Stelle angedeutet wurde, gipfelwärts geführt.
Dass dabei, je nach Beschaffenheit der Früchte und Samen noch
andere Verbreitungsmittel, wie das Schneehuhn, Zugvögel und andere
mitwirken mögen, stelle ich ausser Frage, schreibe ihnen aber gegen-
über den Winden nur eine untergeordnete Rolle zu.

Wenn einmal die Floren all der zahlreichen Inseln von Formosa
bis zum Cap Lopatka, sowie diejenige von Korea und der Man-
dschurei
näher erforscht sind, wird man die angedeuteten Wande-
rungen japanischer Gewächse mit fremden Verbreitungscentren erst
recht übersehen. Für viele derselben, welche bislang als endemisch
gelten, werden wir einen weit grösseren Verbreitungsbezirk kennen
lernen, für den verbleibenden Rest erst die rechte Deutung ge-
winnen.

Für das Fortkommen mancher perennierender Pflanzen, die nach
dem tropischen Ostasien weisen, ist auch die mächtige Schneedecke,

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[194/0218] VII. Die Flora der japanischen Inseln. keine Ansiedelung bedingt haben, wenn nicht Klima und Boden günstig mitgewirkt hätten. Die immergrünen Bäume und Sträucher, welche gleich manchen anderen tropischen Pflanzenformen auf dem ange- deuteten Wege allmählich nach Norden vorrückten, gewöhnten sich — so dürfen wir annehmen — bis zu einem gewissen Grade auf dieser Wanderung und Abschweifung von ihrer eigentlichen Heimath all- mählich an die kälteren Winternächte und fanden in der verhältniss- mässig starken Erwärmung während des Tages, vor allem aber in der warmen, feuchten Atmosphäre während des Sommers ihre wesent- lichen Lebensbedingungen noch erfüllt. Die von Norden und Nord- westen eingewanderten, an lange, strenge Winter gewöhnten Bürger der nördlichen alten Welt aber stiegen die Gebirge hinan bis zu den Höhen, die in klimatischer Hinsicht ihren Gewohnheiten am besten zusagten. Auch ihre Einwanderung muss in die posttertiäre Zeit verlegt werden, als die vulkanischen Gipfel zum grössten Theil gebildet und das Land, wenn auch nicht vollständig, so doch an- nähernd seine jetzige Höhe und Reliefverhältnisse, so wie die noch herrschenden klimatischen Zustände erlangt hatte. Hierfür sprechen alle Thatsachen, wogegen die Annahme, dass diese borealen Bestand- theile der Flora Japans zur Eiszeit schon vorhanden, aber weiter südlich geschoben und später wieder nordwärts und bergan gerückt wären, in der Beschaffenheit des Landes und der thatsächlichen Ver- breitung nordischer Pflanzen keine Stütze findet. Mit der rauhen und heftigen nordischen Monsunströmung in Luft und Meer wandern die Samen dieser Gewächse höherer Breiten allmählich südlich, gelangen zu den Gehängen der Berge und werden durch Thalwinde, wie dies bereits an einer anderen Stelle angedeutet wurde, gipfelwärts geführt. Dass dabei, je nach Beschaffenheit der Früchte und Samen noch andere Verbreitungsmittel, wie das Schneehuhn, Zugvögel und andere mitwirken mögen, stelle ich ausser Frage, schreibe ihnen aber gegen- über den Winden nur eine untergeordnete Rolle zu. Wenn einmal die Floren all der zahlreichen Inseln von Formosa bis zum Cap Lopatka, sowie diejenige von Korea und der Man- dschurei näher erforscht sind, wird man die angedeuteten Wande- rungen japanischer Gewächse mit fremden Verbreitungscentren erst recht übersehen. Für viele derselben, welche bislang als endemisch gelten, werden wir einen weit grösseren Verbreitungsbezirk kennen lernen, für den verbleibenden Rest erst die rechte Deutung ge- winnen. Für das Fortkommen mancher perennierender Pflanzen, die nach dem tropischen Ostasien weisen, ist auch die mächtige Schneedecke,

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/218>, abgerufen am 24.11.2024.