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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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V. Hydrographie des Landes.
mit einer mehr als fussdicken Eiskruste. Der breite Gürtel von
Potamogeton und anderen Wasserpflanzen an seinen flachen Ufern
weist auf geringe Tiefe hin, und in der That muss man weit durch
den schlammigen Boden waten, bevor man auf der Seite von Shimo-
nosuwa den Grund verliert. An mehreren Stellen seiner Umgebung
treten warme Quellen auf, so in Shimonosuwa. Offenbar war der
See früher weit umfangreicher und umfasste einmal auch das schöne
Reisland, welches sich auf seiner Westseite ausbreitet. Das Zurück-
gehen lässt sich wohl am einfachsten durch eine Vertiefung seines
Abflusses, des Tetori-gawa, erklären.

Der Chiuzenji-See oder Nikko-no-kosui liegt 1340 Meter
hoch im Nikko-Gebirge und ist in wenigen Stunden von dem berühmten
Tempelhain aus erreichbar. Es ist ein reizendes, friedlich und ab-
geschieden gelegenes klares Wasserbecken mit der schönsten Um-
gebung. Ein überaus mannichfaltiger Mischwald bedeckt die ihn
einrahmenden Hügel, während auf der Ostseite der Nantai-san zu
stattlicher Höhe sich erhebt. An seinem Fusse und an dem Ufer des
Sees hin führt der Pfad nach dem 3 ri weiter und mehrere hundert
Meter höher gelegenen Schwefelbade Yumoto. Zur Seite des Weges
ganz dicht am See ist eine Reihe Theebuden, die nur im Sommer
bewohnt sind, dann folgen auf der anderen Seite mehrere Priester-
wohnungen und Tempel. Von einem derselben führt der Pfad zum
Gipfel des Nantai-san und darf nur mit Erlaubniss des Oberpriesters
in Nikko betreten werden. Japaner übertreiben die Dimensionen des
Sees, wenn sie seine Länge von Ost nach West zu 3 ri, die Breite
zu 1 ri, die Tiefe aber gleich der Höhe des Nantai-san angeben.
Dass er übrigens ansehnlich tief ist, lässt sich aus seiner ganzen Be-
schaffenheit und Umgebung, sowie aus dem Umstande schliessen, dass
seine Oberfläche trotz hoher Lage nie zufriert. Ein Daimio von Mito
hat ihn Setsu-ro-ko, d. h. klaren Schneewassersee genannt. Sein
Abfluss, der Daiya-gawa, bildet gleich nach seinem Austritt aus
dem See den Kegon-no-taki. In 2 Absätzen stürzt er hier
125 Meter hoch mitten in einer Waldschlucht über doleritische Laven
hinunter. Der See von Chiuzenji beherbergt keine Fische; dasselbe
soll der Fall sein mit den vielen kleineren Seen und Teichen im Ge-
biete des Nikko-Gebirges.

Verschiedene Flüsse der Aidzu-taira sind, wie dies schon früher
hervorgehoben wurde, die Abflüsse von Seen, unter denen der Kose-
numa
, der Tsuru-numa und vor allem der Inawashiro-no-
kosui
oder Inonae-ko hervorzuheben sind. Dieses beträchtliche
Wasserbecken, benannt nach einem Städtchen auf der Nordseite, be-

V. Hydrographie des Landes.
mit einer mehr als fussdicken Eiskruste. Der breite Gürtel von
Potamogeton und anderen Wasserpflanzen an seinen flachen Ufern
weist auf geringe Tiefe hin, und in der That muss man weit durch
den schlammigen Boden waten, bevor man auf der Seite von Shimo-
nosuwa den Grund verliert. An mehreren Stellen seiner Umgebung
treten warme Quellen auf, so in Shimonosuwa. Offenbar war der
See früher weit umfangreicher und umfasste einmal auch das schöne
Reisland, welches sich auf seiner Westseite ausbreitet. Das Zurück-
gehen lässt sich wohl am einfachsten durch eine Vertiefung seines
Abflusses, des Tetori-gawa, erklären.

Der Chiuzenji-See oder Nikkô-no-kosui liegt 1340 Meter
hoch im Nikkô-Gebirge und ist in wenigen Stunden von dem berühmten
Tempelhain aus erreichbar. Es ist ein reizendes, friedlich und ab-
geschieden gelegenes klares Wasserbecken mit der schönsten Um-
gebung. Ein überaus mannichfaltiger Mischwald bedeckt die ihn
einrahmenden Hügel, während auf der Ostseite der Nantai-san zu
stattlicher Höhe sich erhebt. An seinem Fusse und an dem Ufer des
Sees hin führt der Pfad nach dem 3 ri weiter und mehrere hundert
Meter höher gelegenen Schwefelbade Yumoto. Zur Seite des Weges
ganz dicht am See ist eine Reihe Theebuden, die nur im Sommer
bewohnt sind, dann folgen auf der anderen Seite mehrere Priester-
wohnungen und Tempel. Von einem derselben führt der Pfad zum
Gipfel des Nantai-san und darf nur mit Erlaubniss des Oberpriesters
in Nikkô betreten werden. Japaner übertreiben die Dimensionen des
Sees, wenn sie seine Länge von Ost nach West zu 3 ri, die Breite
zu 1 ri, die Tiefe aber gleich der Höhe des Nantai-san angeben.
Dass er übrigens ansehnlich tief ist, lässt sich aus seiner ganzen Be-
schaffenheit und Umgebung, sowie aus dem Umstande schliessen, dass
seine Oberfläche trotz hoher Lage nie zufriert. Ein Daimio von Mito
hat ihn Setsu-ro-ko, d. h. klaren Schneewassersee genannt. Sein
Abfluss, der Daiya-gawa, bildet gleich nach seinem Austritt aus
dem See den Kegon-no-taki. In 2 Absätzen stürzt er hier
125 Meter hoch mitten in einer Waldschlucht über doleritische Laven
hinunter. Der See von Chiuzenji beherbergt keine Fische; dasselbe
soll der Fall sein mit den vielen kleineren Seen und Teichen im Ge-
biete des Nikkô-Gebirges.

Verschiedene Flüsse der Aidzu-taira sind, wie dies schon früher
hervorgehoben wurde, die Abflüsse von Seen, unter denen der Kose-
numa
, der Tsuru-numa und vor allem der Inawashiro-no-
kosui
oder Inonaë-ko hervorzuheben sind. Dieses beträchtliche
Wasserbecken, benannt nach einem Städtchen auf der Nordseite, be-

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[116/0138] V. Hydrographie des Landes. mit einer mehr als fussdicken Eiskruste. Der breite Gürtel von Potamogeton und anderen Wasserpflanzen an seinen flachen Ufern weist auf geringe Tiefe hin, und in der That muss man weit durch den schlammigen Boden waten, bevor man auf der Seite von Shimo- nosuwa den Grund verliert. An mehreren Stellen seiner Umgebung treten warme Quellen auf, so in Shimonosuwa. Offenbar war der See früher weit umfangreicher und umfasste einmal auch das schöne Reisland, welches sich auf seiner Westseite ausbreitet. Das Zurück- gehen lässt sich wohl am einfachsten durch eine Vertiefung seines Abflusses, des Tetori-gawa, erklären. Der Chiuzenji-See oder Nikkô-no-kosui liegt 1340 Meter hoch im Nikkô-Gebirge und ist in wenigen Stunden von dem berühmten Tempelhain aus erreichbar. Es ist ein reizendes, friedlich und ab- geschieden gelegenes klares Wasserbecken mit der schönsten Um- gebung. Ein überaus mannichfaltiger Mischwald bedeckt die ihn einrahmenden Hügel, während auf der Ostseite der Nantai-san zu stattlicher Höhe sich erhebt. An seinem Fusse und an dem Ufer des Sees hin führt der Pfad nach dem 3 ri weiter und mehrere hundert Meter höher gelegenen Schwefelbade Yumoto. Zur Seite des Weges ganz dicht am See ist eine Reihe Theebuden, die nur im Sommer bewohnt sind, dann folgen auf der anderen Seite mehrere Priester- wohnungen und Tempel. Von einem derselben führt der Pfad zum Gipfel des Nantai-san und darf nur mit Erlaubniss des Oberpriesters in Nikkô betreten werden. Japaner übertreiben die Dimensionen des Sees, wenn sie seine Länge von Ost nach West zu 3 ri, die Breite zu 1 ri, die Tiefe aber gleich der Höhe des Nantai-san angeben. Dass er übrigens ansehnlich tief ist, lässt sich aus seiner ganzen Be- schaffenheit und Umgebung, sowie aus dem Umstande schliessen, dass seine Oberfläche trotz hoher Lage nie zufriert. Ein Daimio von Mito hat ihn Setsu-ro-ko, d. h. klaren Schneewassersee genannt. Sein Abfluss, der Daiya-gawa, bildet gleich nach seinem Austritt aus dem See den Kegon-no-taki. In 2 Absätzen stürzt er hier 125 Meter hoch mitten in einer Waldschlucht über doleritische Laven hinunter. Der See von Chiuzenji beherbergt keine Fische; dasselbe soll der Fall sein mit den vielen kleineren Seen und Teichen im Ge- biete des Nikkô-Gebirges. Verschiedene Flüsse der Aidzu-taira sind, wie dies schon früher hervorgehoben wurde, die Abflüsse von Seen, unter denen der Kose- numa, der Tsuru-numa und vor allem der Inawashiro-no- kosui oder Inonaë-ko hervorzuheben sind. Dieses beträchtliche Wasserbecken, benannt nach einem Städtchen auf der Nordseite, be-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/138>, abgerufen am 25.11.2024.