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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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V. Hydrographie des Landes.
Herbst sie betrat, war entzückt von der Farbenpracht derselben, dem
klaren Himmel und tiefen Frieden, welche diese Landschaft um jene
Zeit so sehr auszeichnen. Denn wenige Dutzend Ainos sind bis jetzt
die einzigen Bewohner dieses Gebietes, so dass die tiefe Stille, welche
in ihm herrscht, nur durch das Murmeln einer fernen Schnelle oder
durch die Lockrufe von Vögeln und wilden Thieren unterbrochen
wird. In Camoye-Gotan (Wohnung der Götter) treten Diorit, Serpentin
und alte Schiefer beiderseits an den Fluss heran, engen ihn auf eine
Meile weit bedeutend ein und sind die Ursache vieler Schnellen.
Bald aber tritt er in die Ebene von Sapporo ein und ist nun ein
ansehnlicher Fluss, der ruhig seine Schlangenwindungen durch die
Alluvialebene beschreibt und auf dem einmal ein reger Verkehr statt-
finden kann, wenn es gelingt, dieses Gebiet einer rationellen Land-
wirthschaft zu erschliessen; denn bisher lag die Bedeutung des Ishi-
kari nur in dem grossartigen Lachsfischfange, der alljährlich im Herbst
an ihm und seiner Mündung betrieben wird. Sein ansehnlichster Neben-
fluss in der Sapporo-Ebene ist der Ebets oder Chitose, welcher
mit seinem rechten Zuflusse, dem Yubari-betsu, auch das Wasser
dreier Seen ihm zuführt.

Weiter nordwärts endet in der Nähe des 45. Parallels der Teshio
am Japanisch-Tatarischen Meere. Derselbe durchfliesst in nordwest-
licher Richtung die nach ihm benannte Provinz. Den entgegenge-
setzten Weg nimmt der Tokachi-gawa, welcher am Tokachi-
ga-take nicht weit vom Quellgebiete des Ishikari entspringt und
gen Südosten zum Stillen Ocean fliesst, in den er bei Otsuma-mura
mündet.

Unbedeutender als die drei vorerwähnten Flüsse der Insel Yezo
ist der Tokoro, welcher in östlicher Richtung durch Kitami fliesst
und in das Ochotskische Meer mündet.

Die grösseren stehenden Gewässer Japans beschränken sich auf
die beiden grossen nördlichen Inseln und füllen theils flache Alluvial-
mulden grösserer Flussthäler aus, theils sind es wirkliche Gebirgsseen
und als solche meist von einem Wall vulkanischer Berge umgeben,
doch keineswegs alte Krater. Ueber die Seen der Insel Yezo ist noch
nichts Näheres bekannt geworden. Ausser dem O-numa im Nord-
osten von Hakodate, der nur ein ausgedehnter Sumpf ist, fehlen selbst
die Namen für dieselben. Eine Anzahl der Seen von Honshiu, und
darunter die ansehnlichsten, liegen in einer Linie, welche sich gleich
weit von dem Stillen Ocean und dem Japanischen Meere hält. Es
sind dies der Biwa-, Suwa-, Chiuzenji-, Inawashiro-,
Takogata-
und Towada-See. Näher der Ostküste treffen wir

V. Hydrographie des Landes.
Herbst sie betrat, war entzückt von der Farbenpracht derselben, dem
klaren Himmel und tiefen Frieden, welche diese Landschaft um jene
Zeit so sehr auszeichnen. Denn wenige Dutzend Ainos sind bis jetzt
die einzigen Bewohner dieses Gebietes, so dass die tiefe Stille, welche
in ihm herrscht, nur durch das Murmeln einer fernen Schnelle oder
durch die Lockrufe von Vögeln und wilden Thieren unterbrochen
wird. In Camoye-Gotan (Wohnung der Götter) treten Diorit, Serpentin
und alte Schiefer beiderseits an den Fluss heran, engen ihn auf eine
Meile weit bedeutend ein und sind die Ursache vieler Schnellen.
Bald aber tritt er in die Ebene von Sapporo ein und ist nun ein
ansehnlicher Fluss, der ruhig seine Schlangenwindungen durch die
Alluvialebene beschreibt und auf dem einmal ein reger Verkehr statt-
finden kann, wenn es gelingt, dieses Gebiet einer rationellen Land-
wirthschaft zu erschliessen; denn bisher lag die Bedeutung des Ishi-
kari nur in dem grossartigen Lachsfischfange, der alljährlich im Herbst
an ihm und seiner Mündung betrieben wird. Sein ansehnlichster Neben-
fluss in der Sapporo-Ebene ist der Ebets oder Chitose, welcher
mit seinem rechten Zuflusse, dem Yubari-betsu, auch das Wasser
dreier Seen ihm zuführt.

Weiter nordwärts endet in der Nähe des 45. Parallels der Teshio
am Japanisch-Tatarischen Meere. Derselbe durchfliesst in nordwest-
licher Richtung die nach ihm benannte Provinz. Den entgegenge-
setzten Weg nimmt der Tokachi-gawa, welcher am Tokachi-
ga-take nicht weit vom Quellgebiete des Ishikari entspringt und
gen Südosten zum Stillen Ocean fliesst, in den er bei Otsuma-mura
mündet.

Unbedeutender als die drei vorerwähnten Flüsse der Insel Yezo
ist der Tokoro, welcher in östlicher Richtung durch Kitami fliesst
und in das Ochotskische Meer mündet.

Die grösseren stehenden Gewässer Japans beschränken sich auf
die beiden grossen nördlichen Inseln und füllen theils flache Alluvial-
mulden grösserer Flussthäler aus, theils sind es wirkliche Gebirgsseen
und als solche meist von einem Wall vulkanischer Berge umgeben,
doch keineswegs alte Krater. Ueber die Seen der Insel Yezo ist noch
nichts Näheres bekannt geworden. Ausser dem Ô-numa im Nord-
osten von Hakodate, der nur ein ausgedehnter Sumpf ist, fehlen selbst
die Namen für dieselben. Eine Anzahl der Seen von Honshiu, und
darunter die ansehnlichsten, liegen in einer Linie, welche sich gleich
weit von dem Stillen Ocean und dem Japanischen Meere hält. Es
sind dies der Biwa-, Suwa-, Chiuzenji-, Inawashiro-,
Takogata-
und Towada-See. Näher der Ostküste treffen wir

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[114/0136] V. Hydrographie des Landes. Herbst sie betrat, war entzückt von der Farbenpracht derselben, dem klaren Himmel und tiefen Frieden, welche diese Landschaft um jene Zeit so sehr auszeichnen. Denn wenige Dutzend Ainos sind bis jetzt die einzigen Bewohner dieses Gebietes, so dass die tiefe Stille, welche in ihm herrscht, nur durch das Murmeln einer fernen Schnelle oder durch die Lockrufe von Vögeln und wilden Thieren unterbrochen wird. In Camoye-Gotan (Wohnung der Götter) treten Diorit, Serpentin und alte Schiefer beiderseits an den Fluss heran, engen ihn auf eine Meile weit bedeutend ein und sind die Ursache vieler Schnellen. Bald aber tritt er in die Ebene von Sapporo ein und ist nun ein ansehnlicher Fluss, der ruhig seine Schlangenwindungen durch die Alluvialebene beschreibt und auf dem einmal ein reger Verkehr statt- finden kann, wenn es gelingt, dieses Gebiet einer rationellen Land- wirthschaft zu erschliessen; denn bisher lag die Bedeutung des Ishi- kari nur in dem grossartigen Lachsfischfange, der alljährlich im Herbst an ihm und seiner Mündung betrieben wird. Sein ansehnlichster Neben- fluss in der Sapporo-Ebene ist der Ebets oder Chitose, welcher mit seinem rechten Zuflusse, dem Yubari-betsu, auch das Wasser dreier Seen ihm zuführt. Weiter nordwärts endet in der Nähe des 45. Parallels der Teshio am Japanisch-Tatarischen Meere. Derselbe durchfliesst in nordwest- licher Richtung die nach ihm benannte Provinz. Den entgegenge- setzten Weg nimmt der Tokachi-gawa, welcher am Tokachi- ga-take nicht weit vom Quellgebiete des Ishikari entspringt und gen Südosten zum Stillen Ocean fliesst, in den er bei Otsuma-mura mündet. Unbedeutender als die drei vorerwähnten Flüsse der Insel Yezo ist der Tokoro, welcher in östlicher Richtung durch Kitami fliesst und in das Ochotskische Meer mündet. Die grösseren stehenden Gewässer Japans beschränken sich auf die beiden grossen nördlichen Inseln und füllen theils flache Alluvial- mulden grösserer Flussthäler aus, theils sind es wirkliche Gebirgsseen und als solche meist von einem Wall vulkanischer Berge umgeben, doch keineswegs alte Krater. Ueber die Seen der Insel Yezo ist noch nichts Näheres bekannt geworden. Ausser dem Ô-numa im Nord- osten von Hakodate, der nur ein ausgedehnter Sumpf ist, fehlen selbst die Namen für dieselben. Eine Anzahl der Seen von Honshiu, und darunter die ansehnlichsten, liegen in einer Linie, welche sich gleich weit von dem Stillen Ocean und dem Japanischen Meere hält. Es sind dies der Biwa-, Suwa-, Chiuzenji-, Inawashiro-, Takogata- und Towada-See. Näher der Ostküste treffen wir

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/136>, abgerufen am 25.11.2024.