haupt, noch eine Anlage besitzt zu ei- ner eigenthümlichen Ausbildung. Es hat ursprünglich keine Vorstellungskräfte, denn diese können nicht ohne Vorstellungen gedacht werden, sondern bloss Anlage zu ihrem Erwerb, das heisst, eine solche Beschaffenheit, dass sie in ihm wirklich gemacht wer- den können. Ursprünglich entstehn sie durch die eigenthümlichen, aber gezwungenen, Erre- gungen desselben. In der Folge werden sie wei- ter ausgebildet und immerhin modificirt, durch eben diese äusseren Einflüsse und durch die eigen- mächtigen Thätigkeiten, die sie selbst hervorbrin- gen. Die Erregungen sind so mannichfaltig, als die Individuen, in welchen sie Statt finden. Das Gehirn bekömmt also ursprünglich durch Ideen seine Kräfte und die bestimmte Art von Kräften, welche sich verhalten, wie die Erziehung, durch welche seine intellectuelle Anlage entwickelt wird. Es ist also durch sich selbst einem ewigen Wechsel der Kräfte unterworfen, der aber inner- halb der Breite des gesunden Zustandes liegt. Durch Ideen wird das normale dynamische Ver- hältniss des Gehirns gegründet, durch Ideen muss dasselbe rectificirt werden, wenn es gestört ist.
Der Zweck der meisten Heilmittel geht da- hin, diejenigen Kräfte abzuändern, durch wel- che anomalische Erscheinungen entstehn. Nun werden aber die Kräfte durch zweckmässig er- regte Thätigkeiten abgeändert. Denn sie sind
Resul-
haupt, noch eine Anlage beſitzt zu ei- ner eigenthümlichen Ausbildung. Es hat urſprünglich keine Vorſtellungskräfte, denn dieſe können nicht ohne Vorſtellungen gedacht werden, ſondern bloſs Anlage zu ihrem Erwerb, das heiſst, eine ſolche Beſchaffenheit, daſs ſie in ihm wirklich gemacht wer- den können. Urſprünglich entſtehn ſie durch die eigenthümlichen, aber gezwungenen, Erre- gungen deſſelben. In der Folge werden ſie wei- ter ausgebildet und immerhin modificirt, durch eben dieſe äuſseren Einflüſſe und durch die eigen- mächtigen Thätigkeiten, die ſie ſelbſt hervorbrin- gen. Die Erregungen ſind ſo mannichfaltig, als die Individuen, in welchen ſie Statt finden. Das Gehirn bekömmt alſo urſprünglich durch Ideen ſeine Kräfte und die beſtimmte Art von Kräften, welche ſich verhalten, wie die Erziehung, durch welche ſeine intellectuelle Anlage entwickelt wird. Es iſt alſo durch ſich ſelbſt einem ewigen Wechſel der Kräfte unterworfen, der aber inner- halb der Breite des geſunden Zuſtandes liegt. Durch Ideen wird das normale dynamiſche Ver- hältniſs des Gehirns gegründet, durch Ideen muſs daſſelbe rectificirt werden, wenn es geſtört iſt.
Der Zweck der meiſten Heilmittel geht da- hin, diejenigen Kräfte abzuändern, durch wel- che anomaliſche Erſcheinungen entſtehn. Nun werden aber die Kräfte durch zweckmäſsig er- regte Thätigkeiten abgeändert. Denn ſie ſind
Reſul-
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haupt, noch eine Anlage beſitzt zu ei-
ner eigenthümlichen Ausbildung. Es
hat urſprünglich keine Vorſtellungskräfte, denn
dieſe können nicht ohne Vorſtellungen gedacht
werden, ſondern bloſs Anlage zu ihrem Erwerb,
das heiſst, eine ſolche Beſchaffenheit,
daſs ſie in ihm wirklich gemacht wer-
den können. Urſprünglich entſtehn ſie durch
die eigenthümlichen, aber gezwungenen, Erre-
gungen deſſelben. In der Folge werden ſie wei-
ter ausgebildet und immerhin modificirt, durch
eben dieſe äuſseren Einflüſſe und durch die eigen-
mächtigen Thätigkeiten, die ſie ſelbſt hervorbrin-
gen. Die Erregungen ſind ſo mannichfaltig, als
die Individuen, in welchen ſie Statt finden. Das
Gehirn bekömmt alſo urſprünglich durch Ideen
ſeine Kräfte und die beſtimmte Art von Kräften,
welche ſich verhalten, wie die Erziehung, durch
welche ſeine intellectuelle Anlage entwickelt
wird. Es iſt alſo durch ſich ſelbſt einem ewigen
Wechſel der Kräfte unterworfen, der aber inner-
halb der Breite des geſunden Zuſtandes liegt.
Durch Ideen wird das normale dynamiſche Ver-
hältniſs des Gehirns gegründet, durch Ideen muſs
daſſelbe rectificirt werden, wenn es geſtört iſt.
Der Zweck der meiſten Heilmittel geht da-
hin, diejenigen Kräfte abzuändern, durch wel-
che anomaliſche Erſcheinungen entſtehn. Nun
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/53>, abgerufen am 28.11.2024.
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