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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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ewiger Zwiespalt und ewiger Bund. Auf den
niederen Stufen tritt die Natur hervor, bis end-
lich in der höchsten Potenziirung des Geistes das
grosse Kunstwerk der cislunarischen Welt, der
Mensch, entsteht, in welchem der Organismus
dem Geiste seine innere Seite der Reizbarkeit als
Gemüth zukehrt, das der Intelligenz gleichsam zur
Aetherhülle dient, in welcher sie zur Aussenwelt
herniedersteigt. Mit einem doppelten Janusgesich-
te steht er als Grenzgott auf der Scheidung beider
Welten. Mit seinem Geist blickt er in die intel-
lectuelle, mit dem Gefühle seines Organismus in
die materielle Welt hinüber. Mit seinem Auge,
hoch an der Stirn, saugt er das Licht von der Welt
im Raum ein, mit dem Ohre fasst er die in der
Sprache verkörperten Ideen auf und horcht dem
Geflüster des Geisterreichs zu. So construirt
die Natur das Thierreich nach einer allgebrai-
schen Formel, in Gleichungen von verschiedenen
Graden, streut ihre plastischen Versuche in allen
Potenzen verschwenderisch um sich her aus und
löst rückwärts in der Analysis auf, was sie an dem
einen Extrem in der Synthesis gab.

Diesen Dädalus von Faktoren, den Men-
schen
, in welchem gleichsam alle Facultäten des
Thierreichs zur Individualität und Persönlichkeit
aufgefasst sind, soll der Arzt in seinen tausendsäl-

ewiger Zwieſpalt und ewiger Bund. Auf den
niederen Stufen tritt die Natur hervor, bis end-
lich in der höchſten Potenziirung des Geiſtes das
groſse Kunſtwerk der cislunariſchen Welt, der
Menſch, entſteht, in welchem der Organiſmus
dem Geiſte ſeine innere Seite der Reizbarkeit als
Gemüth zukehrt, das der Intelligenz gleichſam zur
Aetherhülle dient, in welcher ſie zur Auſsenwelt
herniederſteigt. Mit einem doppelten Janusgeſich-
te ſteht er als Grenzgott auf der Scheidung beider
Welten. Mit ſeinem Geiſt blickt er in die intel-
lectuelle, mit dem Gefühle ſeines Organiſmus in
die materielle Welt hinüber. Mit ſeinem Auge,
hoch an der Stirn, ſaugt er das Licht von der Welt
im Raum ein, mit dem Ohre faſst er die in der
Sprache verkörperten Ideen auf und horcht dem
Geflüſter des Geiſterreichs zu. So conſtruirt
die Natur das Thierreich nach einer allgebrai-
ſchen Formel, in Gleichungen von verſchiedenen
Graden, ſtreut ihre plaſtiſchen Verſuche in allen
Potenzen verſchwenderiſch um ſich her aus und
löſt rückwärts in der Analyſis auf, was ſie an dem
einen Extrem in der Syntheſis gab.

Dieſen Dädalus von Faktoren, den Men-
ſchen
, in welchem gleichſam alle Facultäten des
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[486/0491] ewiger Zwieſpalt und ewiger Bund. Auf den niederen Stufen tritt die Natur hervor, bis end- lich in der höchſten Potenziirung des Geiſtes das groſse Kunſtwerk der cislunariſchen Welt, der Menſch, entſteht, in welchem der Organiſmus dem Geiſte ſeine innere Seite der Reizbarkeit als Gemüth zukehrt, das der Intelligenz gleichſam zur Aetherhülle dient, in welcher ſie zur Auſsenwelt herniederſteigt. Mit einem doppelten Janusgeſich- te ſteht er als Grenzgott auf der Scheidung beider Welten. Mit ſeinem Geiſt blickt er in die intel- lectuelle, mit dem Gefühle ſeines Organiſmus in die materielle Welt hinüber. Mit ſeinem Auge, hoch an der Stirn, ſaugt er das Licht von der Welt im Raum ein, mit dem Ohre faſst er die in der Sprache verkörperten Ideen auf und horcht dem Geflüſter des Geiſterreichs zu. So conſtruirt die Natur das Thierreich nach einer allgebrai- ſchen Formel, in Gleichungen von verſchiedenen Graden, ſtreut ihre plaſtiſchen Verſuche in allen Potenzen verſchwenderiſch um ſich her aus und löſt rückwärts in der Analyſis auf, was ſie an dem einen Extrem in der Syntheſis gab. Dieſen Dädalus von Faktoren, den Men- ſchen, in welchem gleichſam alle Facultäten des Thierreichs zur Individualität und Perſönlichkeit aufgefaſst ſind, ſoll der Arzt in ſeinen tauſendſäl-

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/491>, abgerufen am 22.11.2024.