dem dynamischen Blödsinn, denn sie sind specifisch- eigenthümliche Reize des leidenden Organs. Eben darin liegt es, dass der Gelehrte den Bauer gerade so viel an Seelenvermögen, als dieser jenen an Muskelstärke übertrifft. Welcher Theil der Or- ganisation geübt wird, gewinnt Kraft und Fertig- keit. Die Intensität der Reizmittel soll der Grösse der Stumpfheit entsprechen. Die Uebungen der Seelenkräfte müssen in dem Grade allmählich schwerer gewählt werden, als dieselben zuneh- men. Denn wenn man in dem Uebergange von einer Uebung zur andern zu rasche Sprünge macht, so ist zu besorgen, dass der Kranke durch Anstrengungen, die seine Kräfte übersteigen, ab- geschreckt werde. Ueberhaupt muss man es ihm nicht merken lassen, dass man ihn für schwach hält, sondern vielmehr dahin arbeiten, sein Zutrauen zu seinen Kräften zu vermehren.
Zuvörderst weckt man die Besonnenheit des Kranken, besonders wenn er in sich selbst ver- sunken starrt oder auf keinen Gegenstand haftet. Dies finden wir vorzüglich häufig bey den Toll- häuslern, die meistens von anderen Geisteszerrüt- tungen zum Blödsinn fortgegangen sind. Dann hält man sie zu Uebungen an, die vorzüglich auf den Verstand und die Aufmerksamkeit berechnet sind, als denjenigen Vermögen, die im Blödsinn am meisten leiden. Endlich hilft man auch den- jenigen Kräften der Seele nach, die etwan beson- ders zurückbleiben sollten.
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dem dynamiſchen Blödſinn, denn ſie ſind ſpecifiſch- eigenthümliche Reize des leidenden Organs. Eben darin liegt es, daſs der Gelehrte den Bauer gerade ſo viel an Seelenvermögen, als dieſer jenen an Muskelſtärke übertrifft. Welcher Theil der Or- ganiſation geübt wird, gewinnt Kraft und Fertig- keit. Die Intenſität der Reizmittel ſoll der Gröſse der Stumpfheit entſprechen. Die Uebungen der Seelenkräfte müſſen in dem Grade allmählich ſchwerer gewählt werden, als dieſelben zuneh- men. Denn wenn man in dem Uebergange von einer Uebung zur andern zu raſche Sprünge macht, ſo iſt zu beſorgen, daſs der Kranke durch Anſtrengungen, die ſeine Kräfte überſteigen, ab- geſchreckt werde. Ueberhaupt muſs man es ihm nicht merken laſſen, daſs man ihn für ſchwach hält, ſondern vielmehr dahin arbeiten, ſein Zutrauen zu ſeinen Kräften zu vermehren.
Zuvörderſt weckt man die Beſonnenheit des Kranken, beſonders wenn er in ſich ſelbſt ver- ſunken ſtarrt oder auf keinen Gegenſtand haftet. Dies finden wir vorzüglich häufig bey den Toll- häuslern, die meiſtens von anderen Geiſteszerrüt- tungen zum Blödſinn fortgegangen ſind. Dann hält man ſie zu Uebungen an, die vorzüglich auf den Verſtand und die Aufmerkſamkeit berechnet ſind, als denjenigen Vermögen, die im Blödſinn am meiſten leiden. Endlich hilft man auch den- jenigen Kräften der Seele nach, die etwan beſon- ders zurückbleiben ſollten.
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dem dynamiſchen Blödſinn, denn ſie ſind ſpecifiſch-
eigenthümliche Reize des leidenden Organs. Eben
darin liegt es, daſs der Gelehrte den Bauer gerade
ſo viel an Seelenvermögen, als dieſer jenen an
Muskelſtärke übertrifft. Welcher Theil der Or-
ganiſation geübt wird, gewinnt Kraft und Fertig-
keit. Die Intenſität der Reizmittel ſoll der Gröſse
der Stumpfheit entſprechen. Die Uebungen der
Seelenkräfte müſſen in dem Grade allmählich
ſchwerer gewählt werden, als dieſelben zuneh-
men. Denn wenn man in dem Uebergange von
einer Uebung zur andern zu raſche Sprünge
macht, ſo iſt zu beſorgen, daſs der Kranke durch
Anſtrengungen, die ſeine Kräfte überſteigen, ab-
geſchreckt werde. Ueberhaupt muſs man es
ihm nicht merken laſſen, daſs man ihn für
ſchwach hält, ſondern vielmehr dahin arbeiten,
ſein Zutrauen zu ſeinen Kräften zu vermehren.
Zuvörderſt weckt man die Beſonnenheit des
Kranken, beſonders wenn er in ſich ſelbſt ver-
ſunken ſtarrt oder auf keinen Gegenſtand haftet.
Dies finden wir vorzüglich häufig bey den Toll-
häuslern, die meiſtens von anderen Geiſteszerrüt-
tungen zum Blödſinn fortgegangen ſind. Dann
hält man ſie zu Uebungen an, die vorzüglich auf
den Verſtand und die Aufmerkſamkeit berechnet
ſind, als denjenigen Vermögen, die im Blödſinn
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/440>, abgerufen am 25.11.2024.
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