heimen Spiele nicht kennt. Dann hat die Seele Krankheiten wie der Körper, die mit einander in einer beständigen Wechselwirkung stehn. Die Psychologie bietet ferner dem Arzte eine eigne Classe von Instrumenten zur Correction der Feh- ler organischer Körper an. Und endlich muss die psychische Curmethode, als Inbegriff von Re- geln, psychische Mittel zu bestimmten Zwecken anzuwenden, aus ihr entlehnt werden.
Allein eine solche Psychologie für Aerzte und wahrscheinlich auch von Aerzten, würde einen andern Zuschnitt als die gewöhnlichen ha- ben müssen. Dem Philosophen, als blossem Na- turforscher, genügt es, seinen Gegenstand ohne Rücksicht auf einen besonderen Zweck zu bear- beiten. Für ihn ist es genug, die Phänomene der Seele unter sich in ein System zu verknüpfen. Er hält sich vorzüglich an die Naturlehre der Seele in ihrem normalen Zustande; höchstens fügt er etwan ihre moralischen Gebrechen zu, die den Arzt nichts angehn. Der Arzt bedarf zwar auch, wie der Philosoph, einer Naturlehre der gesunden Seele, damit er eine Norm für die kranke habe. Allein vorzüglich greift die Lehre ihrer Krankheiten und die Methode, sie zu ent- fernen, in seine eigenthümliche Bestimmung ein.
Eine Psychologie für Aerzte würde daher ein ganz anderes Ding, ein Inbegriff em- pirisch-psychologischer Erkenntnisse seyn, die mit beständiger Rücksicht
heimen Spiele nicht kennt. Dann hat die Seele Krankheiten wie der Körper, die mit einander in einer beſtändigen Wechſelwirkung ſtehn. Die Pſychologie bietet ferner dem Arzte eine eigne Claſſe von Inſtrumenten zur Correction der Feh- ler organiſcher Körper an. Und endlich muſs die pſychiſche Curmethode, als Inbegriff von Re- geln, pſychiſche Mittel zu beſtimmten Zwecken anzuwenden, aus ihr entlehnt werden.
Allein eine ſolche Pſychologie für Aerzte und wahrſcheinlich auch von Aerzten, würde einen andern Zuſchnitt als die gewöhnlichen ha- ben müſſen. Dem Philoſophen, als bloſsem Na- turforſcher, genügt es, ſeinen Gegenſtand ohne Rückſicht auf einen beſonderen Zweck zu bear- beiten. Für ihn iſt es genug, die Phänomene der Seele unter ſich in ein Syſtem zu verknüpfen. Er hält ſich vorzüglich an die Naturlehre der Seele in ihrem normalen Zuſtande; höchſtens fügt er etwan ihre moraliſchen Gebrechen zu, die den Arzt nichts angehn. Der Arzt bedarf zwar auch, wie der Philoſoph, einer Naturlehre der geſunden Seele, damit er eine Norm für die kranke habe. Allein vorzüglich greift die Lehre ihrer Krankheiten und die Methode, ſie zu ent- fernen, in ſeine eigenthümliche Beſtimmung ein.
Eine Pſychologie für Aerzte würde daher ein ganz anderes Ding, ein Inbegriff em- piriſch-pſychologiſcher Erkenntniſſe ſeyn, die mit beſtändiger Rückſicht
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heimen Spiele nicht kennt. Dann hat die Seele
Krankheiten wie der Körper, die mit einander
in einer beſtändigen Wechſelwirkung ſtehn. Die
Pſychologie bietet ferner dem Arzte eine eigne
Claſſe von Inſtrumenten zur Correction der Feh-
ler organiſcher Körper an. Und endlich muſs
die pſychiſche Curmethode, als Inbegriff von Re-
geln, pſychiſche Mittel zu beſtimmten Zwecken
anzuwenden, aus ihr entlehnt werden.
Allein eine ſolche Pſychologie für Aerzte
und wahrſcheinlich auch von Aerzten, würde
einen andern Zuſchnitt als die gewöhnlichen ha-
ben müſſen. Dem Philoſophen, als bloſsem Na-
turforſcher, genügt es, ſeinen Gegenſtand ohne
Rückſicht auf einen beſonderen Zweck zu bear-
beiten. Für ihn iſt es genug, die Phänomene
der Seele unter ſich in ein Syſtem zu verknüpfen.
Er hält ſich vorzüglich an die Naturlehre der
Seele in ihrem normalen Zuſtande; höchſtens
fügt er etwan ihre moraliſchen Gebrechen zu,
die den Arzt nichts angehn. Der Arzt bedarf
zwar auch, wie der Philoſoph, einer Naturlehre
der geſunden Seele, damit er eine Norm für die
kranke habe. Allein vorzüglich greift die Lehre
ihrer Krankheiten und die Methode, ſie zu ent-
fernen, in ſeine eigenthümliche Beſtimmung ein.
Eine Pſychologie für Aerzte würde daher
ein ganz anderes Ding, ein Inbegriff em-
piriſch-pſychologiſcher Erkenntniſſe
ſeyn, die mit beſtändiger Rückſicht
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/43>, abgerufen am 27.11.2024.
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