kehrten, drangen sie mit Gewalt in das Irrenhaus zu Bicetre, unter dem Vorwand, gewisse Opfer der alten Tyranney zu befreyen, die man daselbst als Wahnsinnige gefangen halte. Sie gingen von Zelle zu Zelle; befragten die Eingesperrten und gingen weiter, wenn die Verrückung offenbar war. Dann stiessen sie auf einen, der in Ketten geschlossen lag, und durch seine Reden voll Sinn und Vernunft, durch seine Klagen über eine em- pörende Ungerechtigkeit ihre Aufmerksamkeit anzog, sich darauf berief, dass er nie ausschwei- fende Handlungen begangen habe, und sie be- schwor, Rächer der Unterdrückung und Befreier der Unschuld zu werden. In dem Augenblick erhob sich ein heftiges Murren gegen den Aufse- her, der sich zu solchen Bedrückungen gebrau- chen lasse. Aller Säbel waren gegen ihn gerichtet. Vergebens berief er sich auf seine Erfahrung, dass es Kranke gebe, die nicht irre redeten, aber doch wegen ihrer blinden Wuth zu fürchten wären. Man antwortete ihm mit Schimpfreden, und ohne den Muth seines Weibes, die ihn gleichsam mit ihrem Körper bedeckte, wäre er durch die Waf- fen dieser Rotte gefallen. Der Kranke wurde lossgelassen, und im Triumph, unter wiederhol- tem Freudengeschrey: Es lebe die Republik! fortgeführt. Allein noch in demselben Augen- blick ergriff den Kranken durch den Anblick so vieler bewaffneter Menschen und ihres lärmenden Getöses seine Wuth; er bemächtigte sich des Sä-
kehrten, drangen ſie mit Gewalt in das Irrenhaus zu Bicêtre, unter dem Vorwand, gewiſſe Opfer der alten Tyranney zu befreyen, die man daſelbſt als Wahnſinnige gefangen halte. Sie gingen von Zelle zu Zelle; befragten die Eingeſperrten und gingen weiter, wenn die Verrückung offenbar war. Dann ſtieſsen ſie auf einen, der in Ketten geſchloſſen lag, und durch ſeine Reden voll Sinn und Vernunft, durch ſeine Klagen über eine em- pörende Ungerechtigkeit ihre Aufmerkſamkeit anzog, ſich darauf berief, daſs er nie ausſchwei- fende Handlungen begangen habe, und ſie be- ſchwor, Rächer der Unterdrückung und Befreier der Unſchuld zu werden. In dem Augenblick erhob ſich ein heftiges Murren gegen den Aufſe- her, der ſich zu ſolchen Bedrückungen gebrau- chen laſſe. Aller Säbel waren gegen ihn gerichtet. Vergebens berief er ſich auf ſeine Erfahrung, daſs es Kranke gebe, die nicht irre redeten, aber doch wegen ihrer blinden Wuth zu fürchten wären. Man antwortete ihm mit Schimpfreden, und ohne den Muth ſeines Weibes, die ihn gleichſam mit ihrem Körper bedeckte, wäre er durch die Waf- fen dieſer Rotte gefallen. Der Kranke wurde loſsgelaſſen, und im Triumph, unter wiederhol- tem Freudengeſchrey: Es lebe die Republik! fortgeführt. Allein noch in demſelben Augen- blick ergriff den Kranken durch den Anblick ſo vieler bewaffneter Menſchen und ihres lärmenden Getöſes ſeine Wuth; er bemächtigte ſich des Sä-
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kehrten, drangen ſie mit Gewalt in das Irrenhaus
zu Bicêtre, unter dem Vorwand, gewiſſe Opfer
der alten Tyranney zu befreyen, die man daſelbſt
als Wahnſinnige gefangen halte. Sie gingen von
Zelle zu Zelle; befragten die Eingeſperrten und
gingen weiter, wenn die Verrückung offenbar
war. Dann ſtieſsen ſie auf einen, der in Ketten
geſchloſſen lag, und durch ſeine Reden voll Sinn
und Vernunft, durch ſeine Klagen über eine em-
pörende Ungerechtigkeit ihre Aufmerkſamkeit
anzog, ſich darauf berief, daſs er nie ausſchwei-
fende Handlungen begangen habe, und ſie be-
ſchwor, Rächer der Unterdrückung und Befreier
der Unſchuld zu werden. In dem Augenblick
erhob ſich ein heftiges Murren gegen den Aufſe-
her, der ſich zu ſolchen Bedrückungen gebrau-
chen laſſe. Aller Säbel waren gegen ihn gerichtet.
Vergebens berief er ſich auf ſeine Erfahrung, daſs
es Kranke gebe, die nicht irre redeten, aber doch
wegen ihrer blinden Wuth zu fürchten wären.
Man antwortete ihm mit Schimpfreden, und ohne
den Muth ſeines Weibes, die ihn gleichſam mit
ihrem Körper bedeckte, wäre er durch die Waf-
fen dieſer Rotte gefallen. Der Kranke wurde
loſsgelaſſen, und im Triumph, unter wiederhol-
tem Freudengeſchrey: Es lebe die Republik!
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blick ergriff den Kranken durch den Anblick ſo
vieler bewaffneter Menſchen und ihres lärmenden
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/398>, abgerufen am 23.11.2024.
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