verliert. Ursprünglich liegt ihr wol eine physi- sche oder moralische Angst zum Grunde, die endlich eine gänzliche Verwirrung des Verstandes nach sich zieht. Oft kann auch Stolz, der sich nirgends gefällt, oder habituelle Zerstreuung, oder eitle Furcht für Verfolgungen und Nachstel- lungen, oder das Gefühl der Erleichterung kör- perlicher Beschwerden durch Bewegung Ursache seyn. Man vertilge die Furcht des Kranken, und binde ihn an Beschäfftigungen, die ihn anziehen.
2. Tobsucht, Raserey, Furor, Mania.
Der Hauptcharakter der Raserey, vielleicht ihr einziger, ist übereilte, rastlose, im höchsten Grade gespannte Thatkraft, die sich in scheinbar eigenmächtigen Handlungen, aber ohne alles Bewusst- seyn eines sinnlichen oder verständi- gen Zwecks äussert, und Product ei- ner abnormen Umwälzung der Orga- nisation ist. Verkehrte Handlungen, die we- der in reinen Vorstellungen gegründet sind, noch in Gefühlen, die mit den Handlungen einen psy- chischen Zusammenhang haben, charakterisiren also die Tobsucht. Das Vorstellungsvermögen ist ohne Einfluss auf die Funktionen des Willens, wenigstens in Beziehung der Handlungen, die der Kranke als Rasender begeht. Er handelt ver- möge eines Impulses, der durch eine specifische Verletzung des Organismus hervorgebracht wird,
verliert. Urſprünglich liegt ihr wol eine phyſi- ſche oder moraliſche Angſt zum Grunde, die endlich eine gänzliche Verwirrung des Verſtandes nach ſich zieht. Oft kann auch Stolz, der ſich nirgends gefällt, oder habituelle Zerſtreuung, oder eitle Furcht für Verfolgungen und Nachſtel- lungen, oder das Gefühl der Erleichterung kör- perlicher Beſchwerden durch Bewegung Urſache ſeyn. Man vertilge die Furcht des Kranken, und binde ihn an Beſchäfftigungen, die ihn anziehen.
2. Tobſucht, Raſerey, Furor, Mania.
Der Hauptcharakter der Raſerey, vielleicht ihr einziger, iſt übereilte, raſtloſe, im höchſten Grade geſpannte Thatkraft, die ſich in ſcheinbar eigenmächtigen Handlungen, aber ohne alles Bewuſst- ſeyn eines ſinnlichen oder verſtändi- gen Zwecks äuſsert, und Product ei- ner abnormen Umwälzung der Orga- niſation iſt. Verkehrte Handlungen, die we- der in reinen Vorſtellungen gegründet ſind, noch in Gefühlen, die mit den Handlungen einen pſy- chiſchen Zuſammenhang haben, charakteriſiren alſo die Tobſucht. Das Vorſtellungsvermögen iſt ohne Einfluſs auf die Funktionen des Willens, wenigſtens in Beziehung der Handlungen, die der Kranke als Raſender begeht. Er handelt ver- möge eines Impulſes, der durch eine ſpecifiſche Verletzung des Organiſmus hervorgebracht wird,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0369"n="364"/>
verliert. Urſprünglich liegt ihr wol eine phyſi-<lb/>ſche oder moraliſche Angſt zum Grunde, die<lb/>
endlich eine gänzliche Verwirrung des Verſtandes<lb/>
nach ſich zieht. Oft kann auch Stolz, der ſich<lb/>
nirgends gefällt, oder habituelle Zerſtreuung,<lb/>
oder eitle Furcht für Verfolgungen und Nachſtel-<lb/>
lungen, oder das Gefühl der Erleichterung kör-<lb/>
perlicher Beſchwerden durch Bewegung Urſache<lb/>ſeyn. Man vertilge die Furcht des Kranken, und<lb/>
binde ihn an Beſchäfftigungen, die ihn anziehen.</p></div><lb/><divn="3"><head>2. <hirendition="#g">Tobſucht, Raſerey, Furor, Mania</hi>.</head><lb/><p>Der Hauptcharakter der Raſerey, vielleicht<lb/>
ihr einziger, iſt <hirendition="#g">übereilte, raſtloſe, im<lb/>
höchſten Grade geſpannte Thatkraft,<lb/>
die ſich in ſcheinbar eigenmächtigen<lb/>
Handlungen, aber ohne alles Bewuſst-<lb/>ſeyn eines ſinnlichen oder verſtändi-<lb/>
gen Zwecks äuſsert, und Product ei-<lb/>
ner abnormen Umwälzung der Orga-<lb/>
niſation iſt</hi>. Verkehrte Handlungen, die we-<lb/>
der in reinen Vorſtellungen gegründet ſind, noch<lb/>
in Gefühlen, die mit den Handlungen einen pſy-<lb/>
chiſchen Zuſammenhang haben, charakteriſiren<lb/>
alſo die Tobſucht. Das Vorſtellungsvermögen<lb/>
iſt ohne Einfluſs auf die Funktionen des Willens,<lb/>
wenigſtens in Beziehung der Handlungen, die der<lb/>
Kranke als Raſender begeht. Er handelt ver-<lb/>
möge eines Impulſes, der durch eine ſpecifiſche<lb/>
Verletzung des Organiſmus hervorgebracht wird,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[364/0369]
verliert. Urſprünglich liegt ihr wol eine phyſi-
ſche oder moraliſche Angſt zum Grunde, die
endlich eine gänzliche Verwirrung des Verſtandes
nach ſich zieht. Oft kann auch Stolz, der ſich
nirgends gefällt, oder habituelle Zerſtreuung,
oder eitle Furcht für Verfolgungen und Nachſtel-
lungen, oder das Gefühl der Erleichterung kör-
perlicher Beſchwerden durch Bewegung Urſache
ſeyn. Man vertilge die Furcht des Kranken, und
binde ihn an Beſchäfftigungen, die ihn anziehen.
2. Tobſucht, Raſerey, Furor, Mania.
Der Hauptcharakter der Raſerey, vielleicht
ihr einziger, iſt übereilte, raſtloſe, im
höchſten Grade geſpannte Thatkraft,
die ſich in ſcheinbar eigenmächtigen
Handlungen, aber ohne alles Bewuſst-
ſeyn eines ſinnlichen oder verſtändi-
gen Zwecks äuſsert, und Product ei-
ner abnormen Umwälzung der Orga-
niſation iſt. Verkehrte Handlungen, die we-
der in reinen Vorſtellungen gegründet ſind, noch
in Gefühlen, die mit den Handlungen einen pſy-
chiſchen Zuſammenhang haben, charakteriſiren
alſo die Tobſucht. Das Vorſtellungsvermögen
iſt ohne Einfluſs auf die Funktionen des Willens,
wenigſtens in Beziehung der Handlungen, die der
Kranke als Raſender begeht. Er handelt ver-
möge eines Impulſes, der durch eine ſpecifiſche
Verletzung des Organiſmus hervorgebracht wird,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/369>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.