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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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sind und suchen die Personen, welche sie umge-
ben, zu überreden, dass sie den Tod nicht fürch-
ten, um sie desto eher von der Wirklichkeit ihrer
Vorgefühle zu überzeugen. Andere verber-
gen ihre Grille mit stummer Hartnäckigkeit und
diese sind am unheilbarsten. In der Lebensord-
nung machen sie die sonderbarsten Bockssprünge,
hüllen sich gegen jedes kleine Lüftchen ein, ge-
niessen viele Dinge nicht, oder meiden gewisse
Oerter, von denen sie glauben, dass sie ungesund
sind. Swieten *) erzählt von einem übrigens
gescheuten Mann, der sich von Niemandem anrüh-
ren liess, weil er von der Hundswuth angesteckt
zu werden fürchtete. Zuweilen entwickelt sich
aus dieser Todesfurcht der Wahn, als stelle man
ihnen nach dem Leben, oder sie ergeben sich dem
Trunk und den Ausschweifungen der Liebe,
weil sie an ihrer Gesundheit nichts weiter verder-
ben zu können glauben. Einige heilt man da-
durch, dass man ihre Klage nicht bemerkt. An-
deren muss der Arzt nachgeben und einen sol-
chen Kurplan wider ihre angebliche Krankheit
entwerfen, der sie von ihrer fixen Idee ableitet,
und sie von früh bis in die Nacht beschäfftiget.
Denn diese Krankheit befällt nur reiche und
müssige Menschen und flieht vor der Arbeit, die
den Armen drückt. Man lässt sie reiten, reisen,
zu Schiffe fahren, jagen, gymnastische Uebungen

*) Comm. in aphor. T. III. p. 475.

ſind und ſuchen die Perſonen, welche ſie umge-
ben, zu überreden, daſs ſie den Tod nicht fürch-
ten, um ſie deſto eher von der Wirklichkeit ihrer
Vorgefühle zu überzeugen. Andere verber-
gen ihre Grille mit ſtummer Hartnäckigkeit und
dieſe ſind am unheilbarſten. In der Lebensord-
nung machen ſie die ſonderbarſten Bocksſprünge,
hüllen ſich gegen jedes kleine Lüftchen ein, ge-
nieſsen viele Dinge nicht, oder meiden gewiſſe
Oerter, von denen ſie glauben, daſs ſie ungeſund
ſind. Swieten *) erzählt von einem übrigens
geſcheuten Mann, der ſich von Niemandem anrüh-
ren lieſs, weil er von der Hundswuth angeſteckt
zu werden fürchtete. Zuweilen entwickelt ſich
aus dieſer Todesfurcht der Wahn, als ſtelle man
ihnen nach dem Leben, oder ſie ergeben ſich dem
Trunk und den Ausſchweifungen der Liebe,
weil ſie an ihrer Geſundheit nichts weiter verder-
ben zu können glauben. Einige heilt man da-
durch, daſs man ihre Klage nicht bemerkt. An-
deren muſs der Arzt nachgeben und einen ſol-
chen Kurplan wider ihre angebliche Krankheit
entwerfen, der ſie von ihrer fixen Idee ableitet,
und ſie von früh bis in die Nacht beſchäfftiget.
Denn dieſe Krankheit befällt nur reiche und
müſsige Menſchen und flieht vor der Arbeit, die
den Armen drückt. Man läſst ſie reiten, reiſen,
zu Schiffe fahren, jagen, gymnaſtiſche Uebungen

*) Comm. in aphor. T. III. p. 475.
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[357/0362] ſind und ſuchen die Perſonen, welche ſie umge- ben, zu überreden, daſs ſie den Tod nicht fürch- ten, um ſie deſto eher von der Wirklichkeit ihrer Vorgefühle zu überzeugen. Andere verber- gen ihre Grille mit ſtummer Hartnäckigkeit und dieſe ſind am unheilbarſten. In der Lebensord- nung machen ſie die ſonderbarſten Bocksſprünge, hüllen ſich gegen jedes kleine Lüftchen ein, ge- nieſsen viele Dinge nicht, oder meiden gewiſſe Oerter, von denen ſie glauben, daſs ſie ungeſund ſind. Swieten *) erzählt von einem übrigens geſcheuten Mann, der ſich von Niemandem anrüh- ren lieſs, weil er von der Hundswuth angeſteckt zu werden fürchtete. Zuweilen entwickelt ſich aus dieſer Todesfurcht der Wahn, als ſtelle man ihnen nach dem Leben, oder ſie ergeben ſich dem Trunk und den Ausſchweifungen der Liebe, weil ſie an ihrer Geſundheit nichts weiter verder- ben zu können glauben. Einige heilt man da- durch, daſs man ihre Klage nicht bemerkt. An- deren muſs der Arzt nachgeben und einen ſol- chen Kurplan wider ihre angebliche Krankheit entwerfen, der ſie von ihrer fixen Idee ableitet, und ſie von früh bis in die Nacht beſchäfftiget. Denn dieſe Krankheit befällt nur reiche und müſsige Menſchen und flieht vor der Arbeit, die den Armen drückt. Man läſst ſie reiten, reiſen, zu Schiffe fahren, jagen, gymnaſtiſche Uebungen *) Comm. in aphor. T. III. p. 475.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/362>, abgerufen am 23.11.2024.