reren Arten derselben. Daher muss sich auch die Kur nach der verschiedenen Natur der fixir- ten Vorstellung richten, die Lebensüberdruss erzeugt.
Die Melancholie der Engländer charakteri- sirt sich durch Selbstmord aus Lebensüberdruss ohne zureichende Ursache. Der Kranke weiss sich über nichts zu beklagen, aber nichts kann ihn auf der Welt fröhlich machen. Er sehnt sich daher nach einer Veränderung seines Zustandes, die ihm hier unmöglich scheint. Er bestellt sein Haus, macht sein Testament, nimmt Abschied von seinen Verwandten, und bringt sich dann kalten Bluts mit Ueberlegung um. Ich bin in einem glücklichen Zustande, sagte ein Melancho- lischer zu Pinel*), ich habe Weib und Kind, die mein Glück ausmachen, meine Gesundheit ist nicht merklich verändert, und demohngeachtet fühle ich mich von einer schrecklichen Begierde hingerissen, mich in die Seine zu stürzen. Er führte nachher seinen Vorsatz wirklich aus. Ein junger Britte, der hoffnungsvolle Sohn eines an- gesehnen Hauses, eben im Begriff, sich mit einem reizenden Mädchen von edler Herkunft zu ver- mählen, hatte an einem Deutschen einen warmen Freund. Diesen besuchte er eines Abends, sprach wenig. Wir sehn uns heute das letztemal, sagte er, das letztemal, Freund, und drückte ihm mit
Wärme
*) l. c. 199 S.
reren Arten derſelben. Daher muſs ſich auch die Kur nach der verſchiedenen Natur der fixir- ten Vorſtellung richten, die Lebensüberdruſs erzeugt.
Die Melancholie der Engländer charakteri- ſirt ſich durch Selbſtmord aus Lebensüberdruſs ohne zureichende Urſache. Der Kranke weiſs ſich über nichts zu beklagen, aber nichts kann ihn auf der Welt fröhlich machen. Er ſehnt ſich daher nach einer Veränderung ſeines Zuſtandes, die ihm hier unmöglich ſcheint. Er beſtellt ſein Haus, macht ſein Teſtament, nimmt Abſchied von ſeinen Verwandten, und bringt ſich dann kalten Bluts mit Ueberlegung um. Ich bin in einem glücklichen Zuſtande, ſagte ein Melancho- liſcher zu Pinel*), ich habe Weib und Kind, die mein Glück ausmachen, meine Geſundheit iſt nicht merklich verändert, und demohngeachtet fühle ich mich von einer ſchrecklichen Begierde hingeriſſen, mich in die Seine zu ſtürzen. Er führte nachher ſeinen Vorſatz wirklich aus. Ein junger Britte, der hoffnungsvolle Sohn eines an- geſehnen Hauſes, eben im Begriff, ſich mit einem reizenden Mädchen von edler Herkunft zu ver- mählen, hatte an einem Deutſchen einen warmen Freund. Dieſen beſuchte er eines Abends, ſprach wenig. Wir ſehn uns heute das letztemal, ſagte er, das letztemal, Freund, und drückte ihm mit
Wärme
*) l. c. 199 S.
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reren Arten derſelben. Daher muſs ſich auch
die Kur nach der verſchiedenen Natur der fixir-
ten Vorſtellung richten, die Lebensüberdruſs
erzeugt.
Die Melancholie der Engländer charakteri-
ſirt ſich durch Selbſtmord aus Lebensüberdruſs
ohne zureichende Urſache. Der Kranke weiſs
ſich über nichts zu beklagen, aber nichts kann
ihn auf der Welt fröhlich machen. Er ſehnt ſich
daher nach einer Veränderung ſeines Zuſtandes,
die ihm hier unmöglich ſcheint. Er beſtellt ſein
Haus, macht ſein Teſtament, nimmt Abſchied
von ſeinen Verwandten, und bringt ſich dann
kalten Bluts mit Ueberlegung um. Ich bin in
einem glücklichen Zuſtande, ſagte ein Melancho-
liſcher zu Pinel *), ich habe Weib und Kind,
die mein Glück ausmachen, meine Geſundheit
iſt nicht merklich verändert, und demohngeachtet
fühle ich mich von einer ſchrecklichen Begierde
hingeriſſen, mich in die Seine zu ſtürzen. Er
führte nachher ſeinen Vorſatz wirklich aus. Ein
junger Britte, der hoffnungsvolle Sohn eines an-
geſehnen Hauſes, eben im Begriff, ſich mit einem
reizenden Mädchen von edler Herkunft zu ver-
mählen, hatte an einem Deutſchen einen warmen
Freund. Dieſen beſuchte er eines Abends, ſprach
wenig. Wir ſehn uns heute das letztemal, ſagte
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Wärme
*) l. c. 199 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/357>, abgerufen am 27.11.2024.
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