Scheibe und eine Stadt, wie sich die Häuser der- selben anfühlen. In einigen Arten des Wahnsinns und besonders im Irrereden mit Gefässfieber be- kommen die Bilder der Phantasie die Stärke der Sinnesanschauungen. Noch neulich behandelte ich zwey alte Matronen am hitzigen Fieber. Bey der einen war des Nachts Friedrich der Grosse, bey der andern Buonaparte am Bette gesessen. Verrückte sehen Feuerschlünde, offene Gräber, wiedererstandene Todte, Geister aller Art neben sich. Einer erblickte weisse Gestalten in Umrissen eines Menschen, von verschiedner Grösse um sich her. Die kleinen waren wie Punkte und in so grosser Menge vorhanden, dass sie auf allem, was er vor sich hatte, herumgaukelten, sein Buch über- säten und ihn am Lesen hinderten. Die grossen standen ihm zur Seite, folgten jedem seiner Schrit- te, hauchten ihn, wie der Tod, mit kaltem Athem an. Ueberhaupt habe ich diesen Wahn der Kranken, als würden sie mit frostigem Hauche von allen Ecken her angeblasen, oft gefunden. In diesem kranken Zustande der Imagination müssen wir ihre Produkte mühsamer von Realitä- ten, durch das Bewusstseyn unseres inneren und äusseren Zustandes, durch die Verschiedenheit ihres objektiven oder subjektiven Ursprungs und durch die innere Veränderlichkeit ihrer Merkmale unterscheiden. Dass dies möglich sey, beweist Nicolai's Beispiel, der seine Phantasmen für das hielt, was sie wirklich waren. Allein der
Scheibe und eine Stadt, wie ſich die Häuſer der- ſelben anfühlen. In einigen Arten des Wahnſinns und beſonders im Irrereden mit Gefäſsfieber be- kommen die Bilder der Phantaſie die Stärke der Sinnesanſchauungen. Noch neulich behandelte ich zwey alte Matronen am hitzigen Fieber. Bey der einen war des Nachts Friedrich der Groſse, bey der andern Buonaparte am Bette geſeſſen. Verrückte ſehen Feuerſchlünde, offene Gräber, wiedererſtandene Todte, Geiſter aller Art neben ſich. Einer erblickte weiſse Geſtalten in Umriſſen eines Menſchen, von verſchiedner Gröſse um ſich her. Die kleinen waren wie Punkte und in ſo groſser Menge vorhanden, daſs ſie auf allem, was er vor ſich hatte, herumgaukelten, ſein Buch über- ſäten und ihn am Leſen hinderten. Die groſsen ſtanden ihm zur Seite, folgten jedem ſeiner Schrit- te, hauchten ihn, wie der Tod, mit kaltem Athem an. Ueberhaupt habe ich dieſen Wahn der Kranken, als würden ſie mit froſtigem Hauche von allen Ecken her angeblaſen, oft gefunden. In dieſem kranken Zuſtande der Imagination müſſen wir ihre Produkte mühſamer von Realitä- ten, durch das Bewuſstſeyn unſeres inneren und äuſseren Zuſtandes, durch die Verſchiedenheit ihres objektiven oder ſubjektiven Urſprungs und durch die innere Veränderlichkeit ihrer Merkmale unterſcheiden. Daſs dies möglich ſey, beweiſt Nicolai’s Beiſpiel, der ſeine Phantasmen für das hielt, was ſie wirklich waren. Allein der
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Scheibe und eine Stadt, wie ſich die Häuſer der-
ſelben anfühlen. In einigen Arten des Wahnſinns
und beſonders im Irrereden mit Gefäſsfieber be-
kommen die Bilder der Phantaſie die Stärke der
Sinnesanſchauungen. Noch neulich behandelte
ich zwey alte Matronen am hitzigen Fieber. Bey
der einen war des Nachts Friedrich der Groſse,
bey der andern Buonaparte am Bette geſeſſen.
Verrückte ſehen Feuerſchlünde, offene Gräber,
wiedererſtandene Todte, Geiſter aller Art neben
ſich. Einer erblickte weiſse Geſtalten in Umriſſen
eines Menſchen, von verſchiedner Gröſse um ſich
her. Die kleinen waren wie Punkte und in ſo
groſser Menge vorhanden, daſs ſie auf allem, was
er vor ſich hatte, herumgaukelten, ſein Buch über-
ſäten und ihn am Leſen hinderten. Die groſsen
ſtanden ihm zur Seite, folgten jedem ſeiner Schrit-
te, hauchten ihn, wie der Tod, mit kaltem
Athem an. Ueberhaupt habe ich dieſen Wahn
der Kranken, als würden ſie mit froſtigem Hauche
von allen Ecken her angeblaſen, oft gefunden.
In dieſem kranken Zuſtande der Imagination
müſſen wir ihre Produkte mühſamer von Realitä-
ten, durch das Bewuſstſeyn unſeres inneren und
äuſseren Zuſtandes, durch die Verſchiedenheit
ihres objektiven oder ſubjektiven Urſprungs und
durch die innere Veränderlichkeit ihrer Merkmale
unterſcheiden. Daſs dies möglich ſey, beweiſt
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/283>, abgerufen am 28.11.2024.
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