gefördert wird. Ein Fieberkranker sah eine rothe Schlange, die auf seinem Bette herumkroch. Galen behandelte ihn mit andern Aerzten, be- merkte das Schlagen der Schlafpulsadern, und die Röthe seiner Augen, sagte ein Nasenbluten vorher, welches auch erfolgte. Der Napel, das Extract des Hanfs und andere Gifte desorganisi- ren die Funktionen des Gesichts und Getastes, ohne dass der Verstand, wenigstens im Anfang, mit leidet. Unter den Wahnsinnigen im Wiener Irrenhause glaubten einige bekannte und unbe- kannte Stimmen zu hören, die sie verläumdeten, beschimpften, ihnen Befehle ertheilten und sie zu allerhand Sünden verleiten wollten. Andere, besonders Taube, die nicht im Stande waren, ihre Täuschungen durch Vergleichung mit wirk- lichen Anschauungen des Gehörsinns zu rectifici- ren, bildeten sich ein, die Töne verschiedner Instrumente zu hören *). So sah Wagner**) einen Schwerhörigen, der eine im Bette versteckte Leier zu hören glaubte und sich über dies Unge- mach bitter beklagte. Sagte man ihm, dass er sie vorsuchen sollte, so schützte er eine Zauberey vor, die ihn daran hinderte. Der nemliche Kranke bekam ein unerträgliches Jucken am ganzen Leibe. Auch dies bezog er auf eine äu- ssere Ursache, nemlich auf Heuschrecken. Mir sind acht Fälle von Verrückten bekannt, sagt
*)Pinel l. c. 327 S.
**)Pinel 328 S.
gefördert wird. Ein Fieberkranker ſah eine rothe Schlange, die auf ſeinem Bette herumkroch. Galen behandelte ihn mit andern Aerzten, be- merkte das Schlagen der Schlafpulsadern, und die Röthe ſeiner Augen, ſagte ein Naſenbluten vorher, welches auch erfolgte. Der Napel, das Extract des Hanfs und andere Gifte desorganiſi- ren die Funktionen des Geſichts und Getaſtes, ohne daſs der Verſtand, wenigſtens im Anfang, mit leidet. Unter den Wahnſinnigen im Wiener Irrenhauſe glaubten einige bekannte und unbe- kannte Stimmen zu hören, die ſie verläumdeten, beſchimpften, ihnen Befehle ertheilten und ſie zu allerhand Sünden verleiten wollten. Andere, beſonders Taube, die nicht im Stande waren, ihre Täuſchungen durch Vergleichung mit wirk- lichen Anſchauungen des Gehörſinns zu rectifici- ren, bildeten ſich ein, die Töne verſchiedner Inſtrumente zu hören *). So ſah Wagner**) einen Schwerhörigen, der eine im Bette verſteckte Leier zu hören glaubte und ſich über dies Unge- mach bitter beklagte. Sagte man ihm, daſs er ſie vorſuchen ſollte, ſo ſchützte er eine Zauberey vor, die ihn daran hinderte. Der nemliche Kranke bekam ein unerträgliches Jucken am ganzen Leibe. Auch dies bezog er auf eine äu- ſsere Urſache, nemlich auf Heuſchrecken. Mir ſind acht Fälle von Verrückten bekannt, ſagt
*)Pinel l. c. 327 S.
**)Pinel 328 S.
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gefördert wird. Ein Fieberkranker ſah eine rothe
Schlange, die auf ſeinem Bette herumkroch.
Galen behandelte ihn mit andern Aerzten, be-
merkte das Schlagen der Schlafpulsadern, und
die Röthe ſeiner Augen, ſagte ein Naſenbluten
vorher, welches auch erfolgte. Der Napel, das
Extract des Hanfs und andere Gifte desorganiſi-
ren die Funktionen des Geſichts und Getaſtes,
ohne daſs der Verſtand, wenigſtens im Anfang,
mit leidet. Unter den Wahnſinnigen im Wiener
Irrenhauſe glaubten einige bekannte und unbe-
kannte Stimmen zu hören, die ſie verläumdeten,
beſchimpften, ihnen Befehle ertheilten und ſie zu
allerhand Sünden verleiten wollten. Andere,
beſonders Taube, die nicht im Stande waren,
ihre Täuſchungen durch Vergleichung mit wirk-
lichen Anſchauungen des Gehörſinns zu rectifici-
ren, bildeten ſich ein, die Töne verſchiedner
Inſtrumente zu hören *). So ſah Wagner **)
einen Schwerhörigen, der eine im Bette verſteckte
Leier zu hören glaubte und ſich über dies Unge-
mach bitter beklagte. Sagte man ihm, daſs er
ſie vorſuchen ſollte, ſo ſchützte er eine Zauberey
vor, die ihn daran hinderte. Der nemliche
Kranke bekam ein unerträgliches Jucken am
ganzen Leibe. Auch dies bezog er auf eine äu-
ſsere Urſache, nemlich auf Heuſchrecken. Mir
ſind acht Fälle von Verrückten bekannt, ſagt
*) Pinel l. c. 327 S.
**) Pinel 328 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/279>, abgerufen am 26.11.2024.
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