ist, erregen einzelne Parthieen desselben, oder geben ihm eine bestimmte Form.
Ich erwähne zuerst der Krankheiten des Gemeingefühls als Ursachen der Verrückt- heit. Die im ganzen Körper zerstreuten Nerven erhalten durch die Eindrücke von ihm immerhin eine Thätigkeit im Gehirn, auf welche sich das Urtheil der Seele über den Zustand ihres Körpers gründet. Das Gemeingefühl stellt den gewöhnli- chen Vorgang des Lebens, die Funktionen, durch welche dasselbe wirklich wird, die progressive Entwickelung und nachherige Decrescenz der einzelnen Organe und des ganzen Körpers der Seele vor. Sein Organ ist zugleich das Haupt- organ unserer Sinnlichkeit, sofern die durch das- selbe bewirkten Erregungen in der Seele fast ohne Ausnahme immer mit dem Gefühle körperlicher Lust oder Unlust verbunden sind. Deswegen schliessen sich auch die Instinkte, Appetite und überhaupt das untere Begehrungsvermögen an dasselbe an, sofern nemlich diese Triebe entweder blindlings oder durch eine vorausgesehene Lust oder Unlust uns zum Begehren und Handeln be- stimmen.
Das ganze Nervensystem, und besonders die Aeste desselben, welche sich im Innern der Orga- nisation enden, sind Organ des Gemeingefühls; der eigne Korper ist der Reiz, welcher durch seine Eindrücke auf dies Organ wirkt. Hier soll- ten zuförderst die allgemeinen Differenzen der
R 2
iſt, erregen einzelne Parthieen deſſelben, oder geben ihm eine beſtimmte Form.
Ich erwähne zuerſt der Krankheiten des Gemeingefühls als Urſachen der Verrückt- heit. Die im ganzen Körper zerſtreuten Nerven erhalten durch die Eindrücke von ihm immerhin eine Thätigkeit im Gehirn, auf welche ſich das Urtheil der Seele über den Zuſtand ihres Körpers gründet. Das Gemeingefühl ſtellt den gewöhnli- chen Vorgang des Lebens, die Funktionen, durch welche daſſelbe wirklich wird, die progreſſive Entwickelung und nachherige Decreſcenz der einzelnen Organe und des ganzen Körpers der Seele vor. Sein Organ iſt zugleich das Haupt- organ unſerer Sinnlichkeit, ſofern die durch daſ- ſelbe bewirkten Erregungen in der Seele faſt ohne Ausnahme immer mit dem Gefühle körperlicher Luſt oder Unluſt verbunden ſind. Deswegen ſchlieſsen ſich auch die Inſtinkte, Appetite und überhaupt das untere Begehrungsvermögen an daſſelbe an, ſofern nemlich dieſe Triebe entweder blindlings oder durch eine vorausgeſehene Luſt oder Unluſt uns zum Begehren und Handeln be- ſtimmen.
Das ganze Nervenſyſtem, und beſonders die Aeſte deſſelben, welche ſich im Innern der Orga- niſation enden, ſind Organ des Gemeingefühls; der eigne Korper iſt der Reiz, welcher durch ſeine Eindrücke auf dies Organ wirkt. Hier ſoll- ten zuförderſt die allgemeinen Differenzen der
R 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="259"/>
iſt, erregen einzelne Parthieen deſſelben, oder<lb/>
geben ihm eine beſtimmte Form.</p><lb/><p>Ich erwähne zuerſt der Krankheiten des<lb/><hirendition="#g">Gemeingefühls</hi> als Urſachen der Verrückt-<lb/>
heit. Die im ganzen Körper zerſtreuten Nerven<lb/>
erhalten durch die Eindrücke von ihm immerhin<lb/>
eine Thätigkeit im Gehirn, auf welche ſich das<lb/>
Urtheil der Seele über den Zuſtand ihres Körpers<lb/>
gründet. Das Gemeingefühl ſtellt den gewöhnli-<lb/>
chen Vorgang des Lebens, die Funktionen, durch<lb/>
welche daſſelbe wirklich wird, die progreſſive<lb/>
Entwickelung und nachherige Decreſcenz der<lb/>
einzelnen Organe und des ganzen Körpers der<lb/>
Seele vor. Sein Organ iſt zugleich das Haupt-<lb/>
organ unſerer Sinnlichkeit, ſofern die durch daſ-<lb/>ſelbe bewirkten Erregungen in der Seele faſt ohne<lb/>
Ausnahme immer mit dem Gefühle körperlicher<lb/>
Luſt oder Unluſt verbunden ſind. Deswegen<lb/>ſchlieſsen ſich auch die Inſtinkte, Appetite und<lb/>
überhaupt das untere Begehrungsvermögen an<lb/>
daſſelbe an, ſofern nemlich dieſe Triebe entweder<lb/>
blindlings oder durch eine vorausgeſehene Luſt<lb/>
oder Unluſt uns zum Begehren und Handeln be-<lb/>ſtimmen.</p><lb/><p>Das ganze Nervenſyſtem, und beſonders die<lb/>
Aeſte deſſelben, welche ſich im Innern der Orga-<lb/>
niſation enden, ſind Organ des Gemeingefühls;<lb/>
der eigne Korper iſt der Reiz, welcher durch<lb/>ſeine Eindrücke auf dies Organ wirkt. Hier ſoll-<lb/>
ten zuförderſt die allgemeinen Differenzen der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[259/0264]
iſt, erregen einzelne Parthieen deſſelben, oder
geben ihm eine beſtimmte Form.
Ich erwähne zuerſt der Krankheiten des
Gemeingefühls als Urſachen der Verrückt-
heit. Die im ganzen Körper zerſtreuten Nerven
erhalten durch die Eindrücke von ihm immerhin
eine Thätigkeit im Gehirn, auf welche ſich das
Urtheil der Seele über den Zuſtand ihres Körpers
gründet. Das Gemeingefühl ſtellt den gewöhnli-
chen Vorgang des Lebens, die Funktionen, durch
welche daſſelbe wirklich wird, die progreſſive
Entwickelung und nachherige Decreſcenz der
einzelnen Organe und des ganzen Körpers der
Seele vor. Sein Organ iſt zugleich das Haupt-
organ unſerer Sinnlichkeit, ſofern die durch daſ-
ſelbe bewirkten Erregungen in der Seele faſt ohne
Ausnahme immer mit dem Gefühle körperlicher
Luſt oder Unluſt verbunden ſind. Deswegen
ſchlieſsen ſich auch die Inſtinkte, Appetite und
überhaupt das untere Begehrungsvermögen an
daſſelbe an, ſofern nemlich dieſe Triebe entweder
blindlings oder durch eine vorausgeſehene Luſt
oder Unluſt uns zum Begehren und Handeln be-
ſtimmen.
Das ganze Nervenſyſtem, und beſonders die
Aeſte deſſelben, welche ſich im Innern der Orga-
niſation enden, ſind Organ des Gemeingefühls;
der eigne Korper iſt der Reiz, welcher durch
ſeine Eindrücke auf dies Organ wirkt. Hier ſoll-
ten zuförderſt die allgemeinen Differenzen der
R 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/264>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.