erwecken, anstrengen, ihre Flucht anhalten, sie beweglich machen, wenn sie starrsüchtig ist, und ihren habituellen Gängen eine andere Richtung mittheilen. Anfangs muss der Kranke durch Zwangsmittel, durch Arbeit und Beschäffti- gung, durch erregte Gefühle und Sinneseindrücke, die in sein Interesse eingreifen, zu ihrer Uebung angehalten werden. In der Folge erst, wenn der Vernunftgebrauch wiederkehrt, kann er eigen- mächtig, und dann mit weit mehrerem Nach- druck, zu ihrer Cultur mitwirken. Vortreffliche Anweisungen dazu hat Diaetophilus*) ge- geben.
Uebungen des Gefühlsvermögens, be- sonders in Beziehung auf die edleren Gefühle, an welchen bald die Einbildungskraft, bald der Ver- stand mehr Antheil hat, setzen zuförderst eine genaue Kenntniss der Seelenstimmung des Kran- ken und der mit seiner Zerrüttung in Verbindung stehenden Triebe und Leidenschaften voraus. Wir fördern seine Absichten und Zwecke, nach ihrem mannichfaltigen Inhalt, oder thun das Gegen- theil; rufen Dinge herbey, die er begehrt, ent- fernen andere, die er verabscheut. Wir stellen Hindernisse seinen Wünschen entgegen, die gerade so gross sind, dass er sie nach seiner Meinung beseitigen kann. Dies reizt ihn zur Thätigkeit; die Erreichung des Zwecks macht ihm Vergnügen.
*) Geschichte einer siebenjährigen Epilepsie u. s. w. 2. Theil. 368-378 S.
erwecken, anſtrengen, ihre Flucht anhalten, ſie beweglich machen, wenn ſie ſtarrſüchtig iſt, und ihren habituellen Gängen eine andere Richtung mittheilen. Anfangs muſs der Kranke durch Zwangsmittel, durch Arbeit und Beſchäffti- gung, durch erregte Gefühle und Sinneseindrücke, die in ſein Intereſſe eingreifen, zu ihrer Uebung angehalten werden. In der Folge erſt, wenn der Vernunftgebrauch wiederkehrt, kann er eigen- mächtig, und dann mit weit mehrerem Nach- druck, zu ihrer Cultur mitwirken. Vortreffliche Anweiſungen dazu hat Diaetophilus*) ge- geben.
Uebungen des Gefühlsvermögens, be- ſonders in Beziehung auf die edleren Gefühle, an welchen bald die Einbildungskraft, bald der Ver- ſtand mehr Antheil hat, ſetzen zuförderſt eine genaue Kenntniſs der Seelenſtimmung des Kran- ken und der mit ſeiner Zerrüttung in Verbindung ſtehenden Triebe und Leidenſchaften voraus. Wir fördern ſeine Abſichten und Zwecke, nach ihrem mannichfaltigen Inhalt, oder thun das Gegen- theil; rufen Dinge herbey, die er begehrt, ent- fernen andere, die er verabſcheut. Wir ſtellen Hinderniſſe ſeinen Wünſchen entgegen, die gerade ſo groſs ſind, daſs er ſie nach ſeiner Meinung beſeitigen kann. Dies reizt ihn zur Thätigkeit; die Erreichung des Zwecks macht ihm Vergnügen.
*) Geſchichte einer ſiebenjährigen Epilepſie u. ſ. w. 2. Theil. 368-378 S.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0255"n="250"/>
erwecken, anſtrengen, ihre Flucht anhalten, ſie<lb/>
beweglich machen, wenn ſie ſtarrſüchtig iſt, und<lb/>
ihren habituellen Gängen eine andere Richtung<lb/>
mittheilen. Anfangs muſs der Kranke durch<lb/><hirendition="#g">Zwangsmittel</hi>, durch Arbeit und Beſchäffti-<lb/>
gung, durch erregte Gefühle und Sinneseindrücke,<lb/>
die in ſein Intereſſe eingreifen, zu ihrer Uebung<lb/>
angehalten werden. In der Folge erſt, wenn der<lb/>
Vernunftgebrauch wiederkehrt, kann er <hirendition="#g">eigen-<lb/>
mächtig</hi>, und dann mit weit mehrerem Nach-<lb/>
druck, zu ihrer Cultur mitwirken. Vortreffliche<lb/>
Anweiſungen dazu hat <hirendition="#g">Diaetophilus</hi><noteplace="foot"n="*)">Geſchichte einer ſiebenjährigen Epilepſie u. ſ. w.<lb/>
2. Theil. 368-378 S.</note> ge-<lb/>
geben.</p><lb/><p>Uebungen des <hirendition="#g">Gefühlsvermögens</hi>, be-<lb/>ſonders in Beziehung auf die edleren Gefühle, an<lb/>
welchen bald die Einbildungskraft, bald der Ver-<lb/>ſtand mehr Antheil hat, ſetzen zuförderſt eine<lb/>
genaue Kenntniſs der Seelenſtimmung des Kran-<lb/>
ken und der mit ſeiner Zerrüttung in Verbindung<lb/>ſtehenden Triebe und Leidenſchaften voraus. Wir<lb/>
fördern ſeine Abſichten und Zwecke, nach ihrem<lb/>
mannichfaltigen Inhalt, oder thun das Gegen-<lb/>
theil; rufen Dinge herbey, die er begehrt, ent-<lb/>
fernen andere, die er verabſcheut. Wir ſtellen<lb/>
Hinderniſſe ſeinen Wünſchen entgegen, die gerade<lb/>ſo groſs ſind, daſs er ſie nach ſeiner Meinung<lb/>
beſeitigen kann. Dies reizt ihn zur Thätigkeit;<lb/>
die Erreichung des Zwecks macht ihm Vergnügen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[250/0255]
erwecken, anſtrengen, ihre Flucht anhalten, ſie
beweglich machen, wenn ſie ſtarrſüchtig iſt, und
ihren habituellen Gängen eine andere Richtung
mittheilen. Anfangs muſs der Kranke durch
Zwangsmittel, durch Arbeit und Beſchäffti-
gung, durch erregte Gefühle und Sinneseindrücke,
die in ſein Intereſſe eingreifen, zu ihrer Uebung
angehalten werden. In der Folge erſt, wenn der
Vernunftgebrauch wiederkehrt, kann er eigen-
mächtig, und dann mit weit mehrerem Nach-
druck, zu ihrer Cultur mitwirken. Vortreffliche
Anweiſungen dazu hat Diaetophilus *) ge-
geben.
Uebungen des Gefühlsvermögens, be-
ſonders in Beziehung auf die edleren Gefühle, an
welchen bald die Einbildungskraft, bald der Ver-
ſtand mehr Antheil hat, ſetzen zuförderſt eine
genaue Kenntniſs der Seelenſtimmung des Kran-
ken und der mit ſeiner Zerrüttung in Verbindung
ſtehenden Triebe und Leidenſchaften voraus. Wir
fördern ſeine Abſichten und Zwecke, nach ihrem
mannichfaltigen Inhalt, oder thun das Gegen-
theil; rufen Dinge herbey, die er begehrt, ent-
fernen andere, die er verabſcheut. Wir ſtellen
Hinderniſſe ſeinen Wünſchen entgegen, die gerade
ſo groſs ſind, daſs er ſie nach ſeiner Meinung
beſeitigen kann. Dies reizt ihn zur Thätigkeit;
die Erreichung des Zwecks macht ihm Vergnügen.
*) Geſchichte einer ſiebenjährigen Epilepſie u. ſ. w.
2. Theil. 368-378 S.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/255>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.