glühenden Eisens an der Kranken zu versuchen, da gelindere Mittel nichts mehr fruchteten. Er befahl dem Wärter, das Eisen ins Feuer zu legen und ihn zu rufen, wenn sie sich abermals wider- setzen sollte. Sie hatte dies still mit angehört und verweigerte nicht weiter den Gehorsam. Eine andere eitle, stolze und eifersüchtige Närrin folgte in keinem Stücke dem Arzt, tyrannisirte alle Hausgenossen, legte sich nicht zu Bette, sondern tobte des Nachts überall im Hause herum. Lan- germann liess ihr die demüthigende Wahl, ent- weder zu gehorchen, oder sich in eine entfernte Irrenanstalt führen zu lassen. Dann befahl er ihr, gleich ihren koketten Anzug wegzuthun, sich am Abend ins Bette zu legen und wenigstens ruhig zu liegen, wenn sie auch nicht schlafen könne. Dies, sagte er ihr, solle die erste Probe seyn, die sie im Gehorsam zu bestehen hätte. Beides geschah.
Endlich müssen oft die Mittel, den Kranken zum Gehorsam zu bringen, nach den Umständen inprovisirt werden. Das Glück, mit welchem dies geschieht, hängt von dem Genie des Künstlers ab. Einige Proben der Art gebe ich als Beispiele. Pussins Frau kam einst zum Zank dreier Ver- rückten, die sich sämmtlich für Ludwig den XVIten hielten und sich über Rechte zum König- thum stritten. Sie nahm einen derselben bey Seite, und fragte ihn in einem ernsthaften Tone, wie er sich mit Menschen streiten könne, die nicht klug wären. Es sey ja bekannt genug, dass er Lud-
glühenden Eiſens an der Kranken zu verſuchen, da gelindere Mittel nichts mehr fruchteten. Er befahl dem Wärter, das Eiſen ins Feuer zu legen und ihn zu rufen, wenn ſie ſich abermals wider- ſetzen ſollte. Sie hatte dies ſtill mit angehört und verweigerte nicht weiter den Gehorſam. Eine andere eitle, ſtolze und eiferſüchtige Närrin folgte in keinem Stücke dem Arzt, tyranniſirte alle Hausgenoſſen, legte ſich nicht zu Bette, ſondern tobte des Nachts überall im Hauſe herum. Lan- germann lieſs ihr die demüthigende Wahl, ent- weder zu gehorchen, oder ſich in eine entfernte Irrenanſtalt führen zu laſſen. Dann befahl er ihr, gleich ihren koketten Anzug wegzuthun, ſich am Abend ins Bette zu legen und wenigſtens ruhig zu liegen, wenn ſie auch nicht ſchlafen könne. Dies, ſagte er ihr, ſolle die erſte Probe ſeyn, die ſie im Gehorſam zu beſtehen hätte. Beides geſchah.
Endlich müſſen oft die Mittel, den Kranken zum Gehorſam zu bringen, nach den Umſtänden inproviſirt werden. Das Glück, mit welchem dies geſchieht, hängt von dem Genie des Künſtlers ab. Einige Proben der Art gebe ich als Beiſpiele. Puſſins Frau kam einſt zum Zank dreier Ver- rückten, die ſich ſämmtlich für Ludwig den XVIten hielten und ſich über Rechte zum König- thum ſtritten. Sie nahm einen derſelben bey Seite, und fragte ihn in einem ernſthaften Tone, wie er ſich mit Menſchen ſtreiten könne, die nicht klug wären. Es ſey ja bekannt genug, daſs er Lud-
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glühenden Eiſens an der Kranken zu verſuchen,
da gelindere Mittel nichts mehr fruchteten. Er
befahl dem Wärter, das Eiſen ins Feuer zu legen
und ihn zu rufen, wenn ſie ſich abermals wider-
ſetzen ſollte. Sie hatte dies ſtill mit angehört und
verweigerte nicht weiter den Gehorſam. Eine
andere eitle, ſtolze und eiferſüchtige Närrin folgte
in keinem Stücke dem Arzt, tyranniſirte alle
Hausgenoſſen, legte ſich nicht zu Bette, ſondern
tobte des Nachts überall im Hauſe herum. Lan-
germann lieſs ihr die demüthigende Wahl, ent-
weder zu gehorchen, oder ſich in eine entfernte
Irrenanſtalt führen zu laſſen. Dann befahl er ihr,
gleich ihren koketten Anzug wegzuthun, ſich am
Abend ins Bette zu legen und wenigſtens ruhig
zu liegen, wenn ſie auch nicht ſchlafen könne.
Dies, ſagte er ihr, ſolle die erſte Probe ſeyn, die ſie
im Gehorſam zu beſtehen hätte. Beides geſchah.
Endlich müſſen oft die Mittel, den Kranken
zum Gehorſam zu bringen, nach den Umſtänden
inproviſirt werden. Das Glück, mit welchem dies
geſchieht, hängt von dem Genie des Künſtlers ab.
Einige Proben der Art gebe ich als Beiſpiele.
Puſſins Frau kam einſt zum Zank dreier Ver-
rückten, die ſich ſämmtlich für Ludwig den
XVIten hielten und ſich über Rechte zum König-
thum ſtritten. Sie nahm einen derſelben bey Seite,
und fragte ihn in einem ernſthaften Tone, wie er
ſich mit Menſchen ſtreiten könne, die nicht klug
wären. Es ſey ja bekannt genug, daſs er Lud-
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/235>, abgerufen am 24.12.2024.
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