dadurch den Kranken wieder an sich, den er zu- vor gleichsam von sich abstiess.
In der Regel müssen wir, wenigstens im An- fang, kurz befehlen und auf eine augenblickliche und pünktliche Befolgung des Befehls dringen. Raisonnements und Ueberredungen durch Gründe sind zweckwidrig. Man befiehlt bloss das, was man bey Widerspenstigkeit durch Gewalt erzwin- gen kann oder verpönt die Befehle und vollzieht dann die Strafe richtig, wenn sie nicht befolgt werden. Andere Dinge, die zu erzwingen nicht in unserer Gewalt stehn, müssen entweder gar nicht oder nur bittweise verlangt werden. Ist es dem Verrückten einmal gelungen, unseren Befeh- len auszuweichen; so macht dies ihn kühn zu neuen Versuchen und hartnäckig für die Folge. In der Erziehung der Kinder befolgen wir die nemlichen Maximen. Pargeter*) wurde zu einem wahnsinnigen Jüngling gerufen, der mit den Kleidern im Bette lag und sich nicht ausziehen liess. Er ging allein zu ihn, setzte sich in seiner Nähe und sah die Gelegenheit ab, ihn fest ins Auge zu fassen. Nun gab er ein verabredetes Zeichen mit dem Fuss. Zwey Weiber traten her- ein, die Befehl zum Ausziehen bekamen und es ohne Widerrede verrichteten.
Einige Kranke haben von dem exaltirten Zu- stand ihrer Kräfte ein so lebhaftes Gefühl, dass
*) l. c. 41 S.
P 2
dadurch den Kranken wieder an ſich, den er zu- vor gleichſam von ſich abſtieſs.
In der Regel müſſen wir, wenigſtens im An- fang, kurz befehlen und auf eine augenblickliche und pünktliche Befolgung des Befehls dringen. Raiſonnements und Ueberredungen durch Gründe ſind zweckwidrig. Man befiehlt bloſs das, was man bey Widerſpenſtigkeit durch Gewalt erzwin- gen kann oder verpönt die Befehle und vollzieht dann die Strafe richtig, wenn ſie nicht befolgt werden. Andere Dinge, die zu erzwingen nicht in unſerer Gewalt ſtehn, müſſen entweder gar nicht oder nur bittweiſe verlangt werden. Iſt es dem Verrückten einmal gelungen, unſeren Befeh- len auszuweichen; ſo macht dies ihn kühn zu neuen Verſuchen und hartnäckig für die Folge. In der Erziehung der Kinder befolgen wir die nemlichen Maximen. Pargeter*) wurde zu einem wahnſinnigen Jüngling gerufen, der mit den Kleidern im Bette lag und ſich nicht ausziehen lieſs. Er ging allein zu ihn, ſetzte ſich in ſeiner Nähe und ſah die Gelegenheit ab, ihn feſt ins Auge zu faſſen. Nun gab er ein verabredetes Zeichen mit dem Fuſs. Zwey Weiber traten her- ein, die Befehl zum Ausziehen bekamen und es ohne Widerrede verrichteten.
Einige Kranke haben von dem exaltirten Zu- ſtand ihrer Kräfte ein ſo lebhaftes Gefühl, daſs
*) l. c. 41 S.
P 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0232"n="227"/>
dadurch den Kranken wieder an ſich, den er zu-<lb/>
vor gleichſam von ſich abſtieſs.</p><lb/><p>In der Regel müſſen wir, wenigſtens im An-<lb/>
fang, kurz befehlen und auf eine augenblickliche<lb/>
und pünktliche Befolgung des Befehls dringen.<lb/>
Raiſonnements und Ueberredungen durch Gründe<lb/>ſind zweckwidrig. Man befiehlt bloſs das, was<lb/>
man bey Widerſpenſtigkeit durch Gewalt erzwin-<lb/>
gen kann oder verpönt die Befehle und vollzieht<lb/>
dann die Strafe richtig, wenn ſie nicht befolgt<lb/>
werden. Andere Dinge, die zu erzwingen nicht<lb/>
in unſerer Gewalt ſtehn, müſſen entweder gar<lb/>
nicht oder nur bittweiſe verlangt werden. Iſt es<lb/>
dem Verrückten einmal gelungen, unſeren Befeh-<lb/>
len auszuweichen; ſo macht dies ihn kühn zu<lb/>
neuen Verſuchen und hartnäckig für die Folge.<lb/>
In der Erziehung der Kinder befolgen wir die<lb/>
nemlichen Maximen. <hirendition="#g">Pargeter</hi><noteplace="foot"n="*)">l. c. 41 S.</note> wurde zu<lb/>
einem wahnſinnigen Jüngling gerufen, der mit den<lb/>
Kleidern im Bette lag und ſich nicht ausziehen<lb/>
lieſs. Er ging allein zu ihn, ſetzte ſich in ſeiner<lb/>
Nähe und ſah die Gelegenheit ab, ihn feſt ins<lb/>
Auge zu faſſen. Nun gab er ein verabredetes<lb/>
Zeichen mit dem Fuſs. Zwey Weiber traten her-<lb/>
ein, die Befehl zum Ausziehen bekamen und es<lb/>
ohne Widerrede verrichteten.</p><lb/><p>Einige Kranke haben von dem exaltirten Zu-<lb/>ſtand ihrer Kräfte ein ſo lebhaftes Gefühl, daſs<lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227/0232]
dadurch den Kranken wieder an ſich, den er zu-
vor gleichſam von ſich abſtieſs.
In der Regel müſſen wir, wenigſtens im An-
fang, kurz befehlen und auf eine augenblickliche
und pünktliche Befolgung des Befehls dringen.
Raiſonnements und Ueberredungen durch Gründe
ſind zweckwidrig. Man befiehlt bloſs das, was
man bey Widerſpenſtigkeit durch Gewalt erzwin-
gen kann oder verpönt die Befehle und vollzieht
dann die Strafe richtig, wenn ſie nicht befolgt
werden. Andere Dinge, die zu erzwingen nicht
in unſerer Gewalt ſtehn, müſſen entweder gar
nicht oder nur bittweiſe verlangt werden. Iſt es
dem Verrückten einmal gelungen, unſeren Befeh-
len auszuweichen; ſo macht dies ihn kühn zu
neuen Verſuchen und hartnäckig für die Folge.
In der Erziehung der Kinder befolgen wir die
nemlichen Maximen. Pargeter *) wurde zu
einem wahnſinnigen Jüngling gerufen, der mit den
Kleidern im Bette lag und ſich nicht ausziehen
lieſs. Er ging allein zu ihn, ſetzte ſich in ſeiner
Nähe und ſah die Gelegenheit ab, ihn feſt ins
Auge zu faſſen. Nun gab er ein verabredetes
Zeichen mit dem Fuſs. Zwey Weiber traten her-
ein, die Befehl zum Ausziehen bekamen und es
ohne Widerrede verrichteten.
Einige Kranke haben von dem exaltirten Zu-
ſtand ihrer Kräfte ein ſo lebhaftes Gefühl, daſs
*) l. c. 41 S.
P 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/232>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.