ben hat, welches nemlich durch den Zwang vertreten wird. Während der Zeit, dass diesel- ben wirklich sind, muss der Wahn schweigen. Dann haben diese Actionen der Seele noch den Vortheil, dass jede derselben isolirt ist, der In- begriff aller, durch die ununterbrochene Folge, keine Association und der Phantasie keinen Spiel- raum zur Thätigkeit zulässt, und daher der Kran- ke gehindert wird, auf den Gegenstand des Wahns abzuspringen.
Die vorzüglichsten Sinnorgane sind das Getast, das Ohr und das Auge. Geruch und Geschmack gewähren weniger reine Anschau- ungen, sondern mehr Gefühle, und gehören daher eigentlich nicht hieher, sondern unter die vorige Classe psychischer Heilmittel. Doch glaube ich, dass man wenigstens mit dem Organ des Geruchs durch ein wohlgeordnetes Etui von Par- fümerieen mancherley nützliche Versuche anstel- len und die Seele auf diese Weise, durch die Unterscheidung der Gerüche, in der Besonnen- heit üben könnte. Aufs Getast können wir allerhand Gegenstände anwenden, die durch Anschauung des Glatten oder Rauhen, des Kalten oder Warmen, des Leichten oder Schweren und besonders durch ihre mannichfaltigen Formen wirken. Zur Zeit, wo dieser Sinn geübt wird, setzt man alle übrigen ausser Thätigkeit, damit er allein zu wirken genöthiget sey. Man bringt z. B. den Kranken in ein stockfinsteres und todt-
ben hat, welches nemlich durch den Zwang vertreten wird. Während der Zeit, daſs dieſel- ben wirklich ſind, muſs der Wahn ſchweigen. Dann haben dieſe Actionen der Seele noch den Vortheil, daſs jede derſelben iſolirt iſt, der In- begriff aller, durch die ununterbrochene Folge, keine Aſſociation und der Phantaſie keinen Spiel- raum zur Thätigkeit zuläſst, und daher der Kran- ke gehindert wird, auf den Gegenſtand des Wahns abzuſpringen.
Die vorzüglichſten Sinnorgane ſind das Getaſt, das Ohr und das Auge. Geruch und Geſchmack gewähren weniger reine Anſchau- ungen, ſondern mehr Gefühle, und gehören daher eigentlich nicht hieher, ſondern unter die vorige Claſſe pſychiſcher Heilmittel. Doch glaube ich, daſs man wenigſtens mit dem Organ des Geruchs durch ein wohlgeordnetes Etui von Par- fümerieen mancherley nützliche Verſuche anſtel- len und die Seele auf dieſe Weiſe, durch die Unterſcheidung der Gerüche, in der Beſonnen- heit üben könnte. Aufs Getaſt können wir allerhand Gegenſtände anwenden, die durch Anſchauung des Glatten oder Rauhen, des Kalten oder Warmen, des Leichten oder Schweren und beſonders durch ihre mannichfaltigen Formen wirken. Zur Zeit, wo dieſer Sinn geübt wird, ſetzt man alle übrigen auſser Thätigkeit, damit er allein zu wirken genöthiget ſey. Man bringt z. B. den Kranken in ein ſtockfinſteres und todt-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="202"/>
ben hat, welches nemlich durch den Zwang<lb/>
vertreten wird. Während der Zeit, daſs dieſel-<lb/>
ben wirklich ſind, muſs der Wahn ſchweigen.<lb/>
Dann haben dieſe Actionen der Seele noch den<lb/>
Vortheil, daſs jede derſelben iſolirt iſt, der In-<lb/>
begriff aller, durch die ununterbrochene Folge,<lb/>
keine Aſſociation und der Phantaſie keinen Spiel-<lb/>
raum zur Thätigkeit zuläſst, und daher der Kran-<lb/>
ke gehindert wird, auf den Gegenſtand des<lb/>
Wahns abzuſpringen.</p><lb/><p>Die vorzüglichſten Sinnorgane ſind das<lb/><hirendition="#g">Getaſt</hi>, das <hirendition="#g">Ohr</hi> und das <hirendition="#g">Auge</hi>. Geruch<lb/>
und Geſchmack gewähren weniger reine Anſchau-<lb/>
ungen, ſondern mehr Gefühle, und gehören<lb/>
daher eigentlich nicht hieher, ſondern unter die<lb/>
vorige Claſſe pſychiſcher Heilmittel. Doch glaube<lb/>
ich, daſs man wenigſtens mit dem Organ des<lb/>
Geruchs durch ein wohlgeordnetes Etui von Par-<lb/>
fümerieen mancherley nützliche Verſuche anſtel-<lb/>
len und die Seele auf dieſe Weiſe, durch die<lb/>
Unterſcheidung der Gerüche, in der Beſonnen-<lb/>
heit üben könnte. Aufs <hirendition="#g">Getaſt</hi> können wir<lb/>
allerhand Gegenſtände anwenden, die durch<lb/>
Anſchauung des Glatten oder Rauhen, des Kalten<lb/>
oder Warmen, des Leichten oder Schweren und<lb/>
beſonders durch ihre mannichfaltigen Formen<lb/>
wirken. Zur Zeit, wo dieſer Sinn geübt wird,<lb/>ſetzt man alle übrigen auſser Thätigkeit, damit<lb/>
er allein zu wirken genöthiget ſey. Man bringt<lb/>
z. B. den Kranken in ein ſtockfinſteres und todt-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[202/0207]
ben hat, welches nemlich durch den Zwang
vertreten wird. Während der Zeit, daſs dieſel-
ben wirklich ſind, muſs der Wahn ſchweigen.
Dann haben dieſe Actionen der Seele noch den
Vortheil, daſs jede derſelben iſolirt iſt, der In-
begriff aller, durch die ununterbrochene Folge,
keine Aſſociation und der Phantaſie keinen Spiel-
raum zur Thätigkeit zuläſst, und daher der Kran-
ke gehindert wird, auf den Gegenſtand des
Wahns abzuſpringen.
Die vorzüglichſten Sinnorgane ſind das
Getaſt, das Ohr und das Auge. Geruch
und Geſchmack gewähren weniger reine Anſchau-
ungen, ſondern mehr Gefühle, und gehören
daher eigentlich nicht hieher, ſondern unter die
vorige Claſſe pſychiſcher Heilmittel. Doch glaube
ich, daſs man wenigſtens mit dem Organ des
Geruchs durch ein wohlgeordnetes Etui von Par-
fümerieen mancherley nützliche Verſuche anſtel-
len und die Seele auf dieſe Weiſe, durch die
Unterſcheidung der Gerüche, in der Beſonnen-
heit üben könnte. Aufs Getaſt können wir
allerhand Gegenſtände anwenden, die durch
Anſchauung des Glatten oder Rauhen, des Kalten
oder Warmen, des Leichten oder Schweren und
beſonders durch ihre mannichfaltigen Formen
wirken. Zur Zeit, wo dieſer Sinn geübt wird,
ſetzt man alle übrigen auſser Thätigkeit, damit
er allein zu wirken genöthiget ſey. Man bringt
z. B. den Kranken in ein ſtockfinſteres und todt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/207>, abgerufen am 06.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.