will ich noch eins, das Hoffbauer*) ange- führt hat, zufügen. Ich kannte, sagt er, einen Tonkünstler, der seinen Phantasieen am Clavier sich so zu überlassen pflegte, dass er nichts von allem, was neben ihm vorging, wahrnahm. Ein ge- schätzter Freund konnte in sein Zimmer treten, und mit offenen auf ihn gerichteten Augen sahe er ihn nicht. Das Licht konnte, wenn er des Abends spielte, verlöschen, er merkte es nicht. Einstmals, als er seine Freunde an einem Winter- abende mit seinem Spiele unterhielt, löschte ei- ner derselben aus Versehen das Licht aus. Ganz in seine Phantasie vertieft, weiss er nicht eher, dass er sich in einem finstern Zimmer befindet, als bis sein Freund nach einem vergeblichen Ver- suche das Licht wieder zum Brennen zu bringen, ihn in seinem Spiele stört.
Die Besonnenheit liegt also in der Mitte zwischen Zerstreuung und Vertiefung. Beide Zustände sind Abweichungen von ihr nach verschiedenen Richtungen. Je weiter der Mensch von dem normalen Standpunkt in der Mitte sich entfernt, desto mehr ist er an dem einem Extrem vertieft, am andern zerstreut und an beiden En- den auf dem Wege zur Verrückung. Der Zer- streute irrt unter einer Menge von Gegenständen herum, ohne einen festzuhalten; der Vertiefte kann sich von dem Objekte nicht losreissen, das
*) l. c. 1 Th. 44 S.
will ich noch eins, das Hoffbauer*) ange- führt hat, zufügen. Ich kannte, ſagt er, einen Tonkünſtler, der ſeinen Phantaſieen am Clavier ſich ſo zu überlaſſen pflegte, daſs er nichts von allem, was neben ihm vorging, wahrnahm. Ein ge- ſchätzter Freund konnte in ſein Zimmer treten, und mit offenen auf ihn gerichteten Augen ſahe er ihn nicht. Das Licht konnte, wenn er des Abends ſpielte, verlöſchen, er merkte es nicht. Einſtmals, als er ſeine Freunde an einem Winter- abende mit ſeinem Spiele unterhielt, löſchte ei- ner derſelben aus Verſehen das Licht aus. Ganz in ſeine Phantaſie vertieft, weiſs er nicht eher, daſs er ſich in einem finſtern Zimmer befindet, als bis ſein Freund nach einem vergeblichen Ver- ſuche das Licht wieder zum Brennen zu bringen, ihn in ſeinem Spiele ſtört.
Die Beſonnenheit liegt alſo in der Mitte zwiſchen Zerſtreuung und Vertiefung. Beide Zuſtände ſind Abweichungen von ihr nach verſchiedenen Richtungen. Je weiter der Menſch von dem normalen Standpunkt in der Mitte ſich entfernt, deſto mehr iſt er an dem einem Extrem vertieft, am andern zerſtreut und an beiden En- den auf dem Wege zur Verrückung. Der Zer- ſtreute irrt unter einer Menge von Gegenſtänden herum, ohne einen feſtzuhalten; der Vertiefte kann ſich von dem Objekte nicht losreiſsen, das
*) l. c. 1 Th. 44 S.
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will ich noch eins, das Hoffbauer *) ange-
führt hat, zufügen. Ich kannte, ſagt er, einen
Tonkünſtler, der ſeinen Phantaſieen am Clavier ſich
ſo zu überlaſſen pflegte, daſs er nichts von allem,
was neben ihm vorging, wahrnahm. Ein ge-
ſchätzter Freund konnte in ſein Zimmer treten,
und mit offenen auf ihn gerichteten Augen ſahe
er ihn nicht. Das Licht konnte, wenn er des
Abends ſpielte, verlöſchen, er merkte es nicht.
Einſtmals, als er ſeine Freunde an einem Winter-
abende mit ſeinem Spiele unterhielt, löſchte ei-
ner derſelben aus Verſehen das Licht aus. Ganz
in ſeine Phantaſie vertieft, weiſs er nicht eher,
daſs er ſich in einem finſtern Zimmer befindet,
als bis ſein Freund nach einem vergeblichen Ver-
ſuche das Licht wieder zum Brennen zu bringen,
ihn in ſeinem Spiele ſtört.
Die Beſonnenheit liegt alſo in der Mitte
zwiſchen Zerſtreuung und Vertiefung.
Beide Zuſtände ſind Abweichungen von ihr nach
verſchiedenen Richtungen. Je weiter der Menſch
von dem normalen Standpunkt in der Mitte ſich
entfernt, deſto mehr iſt er an dem einem Extrem
vertieft, am andern zerſtreut und an beiden En-
den auf dem Wege zur Verrückung. Der Zer-
ſtreute irrt unter einer Menge von Gegenſtänden
herum, ohne einen feſtzuhalten; der Vertiefte
kann ſich von dem Objekte nicht losreiſsen, das
*) l. c. 1 Th. 44 S.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/114>, abgerufen am 27.11.2024.
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